VIER

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„Ivy, Aufstehen!" Dreimal klopfte ihre Mutter an der Zimmertür. Widerwillig zog sie ihr Smartphone unter dem Kopfkissen hervor. Es war gerade einmal neun Uhr an einem Samstagmorgen... Unglaublich, dass ihre Mutter wirklich jedes Mal darauf beharrte, dass sie am Wochenende mit frühstücken musste. Ausschlafen war ein Luxus, der ihr allerhöchstens in den Ferien vergönnt war, wenn ihre Eltern sehr früh zur Arbeit mussten.

Grummelnd erhob sich Ivy aus dem Bett und stapfte ins Bad, um zu duschen. Das warme Wasser weckte zumindest einen Teil ihrer Lebensgeister.

Kurz darauf saß sie mit nassem Haar und in ihrem pinken Bademantel am Frühstückstisch. Den hatte sie letztes Jahr zu Weihnachten von ihrer Tante geschenkt bekommen, die in den USA lebte. Furchtbar hässlich, aber wunderbar kuschelig. In der Öffentlichkeit wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, solche Farben zu tragen.

Fröhlich summend stellte ihre Mutter eine Tasse dampfenden Cappuccino vor ihr ab. Ivy runzelte die Stirn. „Mum, alles okay?"

„Klar, warum fragst du?" Sie schenkte ihr einen fragenden Blick und setzte sich an den gedeckten Tisch.

„Du summst. Das machst du nie.", stellte Ivy fest und nahm sich ein Croissant aus dem Brotkorb.

„Doch, andauernd. Seltsam, dass dir das noch nie aufgefallen ist. Außerdem ist doch da nichts dabei, oder? Es verbreitet gute Laune und man fabriziert nicht einmal schiefe Töne, wie zum Beispiel beim Singen.", plapperte ihre Mutter munter weiter.

Ivy schüttelte verständnislos den Kopf und beschloss, dem nichts hinzuzufügen. Ihre Mutter benahm sich irgendwie seltsam. Klar war sie ein positiver Mensch und verströmte liebend gern gute Laune, aber bei weitem nicht so penetrant. Früher oder später würde Ivy schon noch herausfinden, was dahintersteckte.

„Was hast du heute vor?", wollte sie schließlich wissen.

Ivy zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mal sehen. Ich hab 'ne Menge Hausaufgaben auf..." Aber welcher Teenager beschäftigte sich schon gern an einem Samstag damit? Sich ein wenig von der anstrengenden Woche auszuruhen war schon eher etwas, womit sie sich anfreunden konnte... „Heute Abend wollte ich zu Alex. Wir schauen uns einen Film an.", fügte sie schließlich noch hinzu.

„Ich hoffe doch, es ist etwas Jugendfreies."

Laut hustend verschluckte sich Ivy an dem Croissant, von dem sie soeben abgebissen hatte. „Mum!" Was dachte sie denn, was für Filme sie sich mit ihrer besten Freundin anschaute!?

Ihre Mutter lachte. „Jetzt hab' dich mal nicht so. Man wird ja wohl noch fragen dürfen."

„Wann kommt Dad heute von seiner Schicht nach Hause?" Ivy hatte beschlossen das Thema zu wechseln und sofort ins Schwarze getroffen. Ihre Mutter erstarrte mitten in der Bewegung. Gerade war sie dabei gewesen, ihr Brötchen mit Marmelade zu bestreichen.

„Ähm, das hat er nicht gesagt." Das war also der Grund für ihre übertrieben gute Laune. Sie wollte von etwas anderem ablenken. Darauf hätte Ivy ja auch gleich kommen können. Wahrscheinlich sorgte die Müdigkeit dafür, dass sie um diese Uhrzeit ein bisschen schwer von Begriff war.

„Hast du nicht gefragt oder wusste er es nicht?", bohrte Ivy nach.

„Er wusste es nicht.", antwortete ihre Mutter und hielt den Blick von nun an gesenkt.

„Ist wohl viel los in der Klinik?"

„Wahrscheinlich schon. Sonst hätten sie ihm ja nicht sein freies Wochenende gestrichen."

Ivy horchte auf. „Gestrichen? Was soll das denn bedeuten? Ich dachte, er müsse nur heute arbeiten?"

„Ja, so war es erst geplant, aber dann..."

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