Wiedersehen

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Neben mir erhebt sich ein großer Felsblock, er ist etwas höher als ich und bietet kaum halt. Auf der anderen Seite ist ein bedenklich steiler Abhang, aus der Tiefe höre ich das rauschen des Flusses. Dazwischen führt ein Weg entlang der so schmal ist, dass ich mich langsam frage warum der graue Esel noch nicht abgerutscht ist. Einen Sturz aus dieser Höhe würde er wahrscheinlich nicht überleben. Ein weiterer Schritt und ich bemerke wie sich ein Stein unter mir löst. Bevor Panik in mir auf kommt springe ich instinktiv nach vorne rette ich mich aus der Gefahrenzone. Ich sehe nur noch wie der Brocken den Fels herunter rutscht und höre ein platschendes Geräusch als er auf das Wasser trift. Kurz dreht sich alles um mich herum, aber es dauert nur einen Augenblick bis ich mich wieder gefangen habe.

,,Zaya, ist alles gut, Soll ich zu dir kommen?", ich bemerke die Angst in der Stimme meine kleine Gefährtin und sehe, dass sie zu mir kommen möchte und weise sie an dort zu bleiben wo sie ist. Ich führe den kleinen Esel auf die andere Seite des Engpasses, wo er sofort einige Grasbüschel sieht und zielstrebig darauf zu trottet. Ich mach mich wieder auf den Rückweg um das Mädchen zu holen und entschuldige mich dafür sie zurecht gewiesen zu haben. 

,,Es ist alles gut, du wolltest mich nur beschützen.", sie klingt sehr erwachsen und ich vergesse für einen kurzen Augenblick, dass ich mit einer Zehnjährigen rede. Ihr Schicksal hat sie viel zu früh dazu gezwungen erwachsen zu werden. Genau wie mich. Ich habe sie nie nach dem gefragt, was sie erlebt hat, obwohl sie seit inzwischen fast einem Jahr an meiner Seite ist. Ich werde sie auch nicht danach fragen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist geliebte Menschen zu verlieren, ich habe meine Eltern nie kennen gelernt, aber sie? 

Wir beginnen mit dem eigentlichen Aufstieg zu dem Pass, der uns über das Senos Gebirge führen wird. Die kleinen Pfade zwingen uns immer wieder, einen anderen Weg querfeldein zu suchen um überhaupt weiter hinauf zu kommen. Schließlich überqueren wir völlig außer Atem den Pass und haben eine unglaubliche Aussicht auf das weite, grüne Tal, welches sich unter uns erstreckt. Der rote Kalkstein unter meinen bloßen Füßen ist angenehm warm. Mary ist neben mir stehen geblieben und betrachte ehrfurchtsvoll die fernen Gipfel am Horizont. Sie sieht zum ersten mal in ihrem Leben die Berge und selbst ich bin fasziniert von dem endlosen Grün unter uns und von dem kräftigen Rot der Felsen. 

Es ist fast ein Jahr her, seit ich zu letzt hier war. Es war ein großer Fehler zurück zu kehren, einer von so vielen. Aber jetzt ist es egal, ich bin hier weil es mich hergezogen hat und ich werde nicht einfach umdrehen. Ich werde zu meinem Entschluss stehen.

Es sieht nicht so aus als hätte sich irgendetwas verändert. Die Ruhe wie ich schon immer auf diesen Bergen verspürt habe überkommt mich und Mary geht es genauso. Sie war schon die ganzen letzten Tage sehr aufgeregt gewesen, seitdem wir das Vorgebirge sehen konnte. In ihrer Heimat Ala Nova ist sehr flach und es gibt nur wenige sanften Hügel. Mich beschlichen in dieser Zeit immer mehr Zweifel. Ich hätte auch einen anderen Weg wählen können, aber jetzt entscheide ich mich nicht mehr um.

,,Es ist wunderschön," lächelt das brünette Mädchen, ,,ich wünschte wir könnten hierbleiben.", ich kann sie verstehen, es ist atemberaubend und ich würde sie niemals dazu zwingen einen Ort zu verlassen an dem sie bleiben möchte. Ich habe kein Recht dazu. Ich könnte niemals mein ganzes Leben an einem Ort verbringen. Ich habe es versucht, für nicht einmal ein Jahr, aber in der Zeit ist so viel passiert. Nicht könnte man ungeschehen machen, nicht von all dem Schmerz der mich seit elf Monaten begleitet.

Im Schein der Nachmittagssonne erreichen wir das kleines Bergedorf Nofaes. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus als ich die kleinen, weißen und leicht gelben Häuser sehe, die sich an den Fels schmiegen. Eine junge Frau spielt mit im Schatten eines Baumes mit einem kleinen Jungen. Als sie unsere Schritte hört, sieht sie auf. Ihre Haare fallen ihr über die Schultern und sie trägt einen dunkel lilanen Kapuzenmantel, wenn ich mich richtig erinnere heißt sie Elise und der Junge muss ihr Sohn Ahio sein.  Er hat die Haare seiner Mutter, ein helle Rotbraun und trägt eine grüne Weste. Elise sieht mich überrascht an, aber ich weis nicht ob sie mich erkennt, oder ob es daran liegt, dass hier selten fremde sind. Ihr Blick wandert zu Mary, die sich ängstlich an meine Hand klammert und sich jetzt hinter meinen Rücken schiebt. 

,,Zaya? Wo warst du? Was ist passiert? wir haben alle nach dir gesucht. Amer ist wochenlang durch die Berge gewandert um dich zu finden.", ihr letzter Satz trifft mich wie ein Schlag. Ich weis nicht was ich darauf erwidern soll und schließe für einen kurzen Moment die Augen.

,,Es ist... nicht wichtig.", er hat nicht gesagt warum ich gegangen bin, also werde ich es auch nicht. ,,Ich bin nur hier um aufzutreten und weil es auf dem Weg lag.", es ist keine Lüge, aber auch nur halb. Ich bin nicht zufällig hier. Sie scheint mir zu glauben und ich gehe mit Mary zu einem kleinen Brunnen, bis zum Abend werden alle von meiner Rückkehr gehört haben.

Kurz nach dem Sonnenuntergang beginne ich mit meine Vorführung. Erst jongliere ich nur mit Bällen, dann auch mit Fackeln. Ich flüstere mit den Flammen und vor mir steigt eine Feuerwand auf. Durch das Flackernden erkenne ich sein Gesicht in der Menge, er sieht mich direkt an. Ich hätte nicht erwartet ihn jemals wieder zu sehen. Ich bin davon ausgegangen, dass unsere gemeinsame Zeit ein für alle mal vorbei ist. Ich hätte nicht hierher kommen sollen. Er lächelt mir zu und ich verliere auch noch das letzte bisschen meiner Fassung. Ich taumle leicht und komme mit meinem linken Arm in die Flammen. Ein brennender Schmerzt durchfährt meinen gesamten Körper und mir fällt die Fackel aus der Hand. Die Haut an meinem Arm hat eine gelblich graue Farbe an genommen und der Schmerzt raubt mir den Verstand. Ich schwanke und breche zusammen. Bevor ich meine Augen schließe sehe ich wie Mary auf mich zu läuft.

Blinzelnd öffne ich meine Augen. Ich liege unter einem kratzigen, braunen Tuch und sehe zur Decke. Vorsichtig versuche ich meinen Kopf zu bewegen und sehe zu Seite. Der Raum kommt mir merkwürdig bekannt vor aber ich weiß nicht woher. Meine Gedanken sind zäh und langsam, aber ich spüre das ich nicht alleine bin. Erinnern kann ich mich an überhaupt nichts. Ich bewege meine restlichen Körper und zucke zusammen als ich meine linken Arm bewegen möchte. Es fühlt sich an als würde er von innen heraus verbrennen, doch sonst spüre ich nichts. 

,,Du bis wach, endlich!", schnelle Schritte auf knarzendem Holz, ,,Wir hatten Angst um dich, Ich hatte Angst um dich.", Amer legt eine Hand auf meine Stirn, ,,Du hast auch kein Fieber mehr.", stellte der junge Mann fest. ,, Wie geht es dir?, er sieht mich mit seinen dunkelgrünen Augen besorgt an und lächelt mir zu. Mein Herz stockt und ich muss zur Seite sehen. Auf seinen Wangen entdecke ich die Spuren von Tränen, hat er wegen mir geweint. Er streicht über meine rechte Hand, bei der Berührung zucke ich zusammen. Ich liebe ihn, trotz allem was passiert ist.

 Wie kann ich ihn immer noch lieben? Es ist schließlich so lange her, es ist viel zu viel Zeit vergangen. Er hat Tania bestimmt schon vor langer Zeit geheiratet, vielleicht haben sie auch schon ein Kind. Ich ziehe meine Hand aus seiner, ich darf nicht zu lassen, dass er sie wegen mir wieder verlässt. Es war die richtige Entscheidung gewesen seinen Antrag abzulehnen.  Mir ist klar, dass wir nie glücklich geworden wären. Wir sind viel zu unterschiedlich. Ich liebe ihn, mehr als alles andere und denn noch musste ich es tun.

,,Ich liebe dich.", es ist nur ein leises Flüstern.

,,Es tut mir Leid, aber...", meine Stimme klingt kratzig, ich schlucke, suche nach Worten die ausdrücken können was ich fühle, ,,Ich liebe dich immer noch. Bitte denke nicht wir könnten einfach zurückkehren. Du hast dich verändert, ich habe mich verändert, aber meine Entscheidung hat sich nicht geändert. Wir werden nicht zusammen glücklich werden. Du liebst diese Berge und das ruhige Leben hier oben, ich liebe die Freiheit, ich könnte nie lange an einem Ort bleiben, auch nicht hier. Du hast Tania, ich bin keine Option und ich war es auch nie. Bitte werde glücklich, ich gehe von hier fort und komme nie wieder. Es war ein großer Fehler hierher zu kommen und ich werde ihn nicht wieder begehen.", ich sehe Tränen in seinen Augen.

,,Du hat Unrecht, du bist die einzige Option die ich habe.".

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