Abschied

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Mary steht mit offenem Mund neben mir und beobachtet den brennenden Adler. Sie versucht es mir nach zu machen aber es werden nur zwei kleinen Spatzen. Sie umkreisen einander und fliegen zur strahlenden Sonne. Mary ist sichtlich stolz auf sich. Ich ermuntere sie immer weiter zu üben und mit der Zeit lernen wird alles was sie möchte zu erschaffen können.

,,Das war mein Geschenk, es soll dich an mich erinnern. Irgendwann  wirst du es an jemanden weitergehen, aber bis dahin bleibt es dein Geheimnis.", genau das sagte Salomon als er es mir beibrachte, seit seinem Tod bin ich der beste Feuertänzer, aber er war deutlich besser als ich. Obwohl ich mehr als die letzten Zehn Jahre meines Lebens immer mehr gelernt habe. Ich lasse Mary allein und gehe wieder hinunter zur Hütte der Geschwister.

,,Wie, du gehst? Du hast dich noch nicht wieder erholt. Weis Amer es schon?", sie ist von ihrer Bank aufgesprungen und sieht mich anklagend an.

,,Leah, es war doch klar dass ich wieder fortgehen werde, auch Amer weiß das. Mary hat mir von eurem Gespräch gestern Abend erzähl, ich habe es ihr erlaubt, ich habe sowieso kein Recht ihr etwas zu verbieten.  Mich hält hier nichts mehr. Ich bin fast zwei Wochen hier und ich kann meinen Arm wieder bewegen.", es stimmt, ich kann meinen Arm bewegen,  aber nicht ohne vor Schmerz zusammen zu zucken. ,,Die weißt was ich vor elf Monaten zu deinem Bruder gesagt habe. Es hat sich nichts verändert.".

,,Aber du bist zurück gekommen.", sie sieht mich bestimmt an, ich nicke denn ich habe keine Antwort. Ich bin zurück gekommen. Seitdem ich Nofaes vor elf Monaten verlassen habe, habe ich mich immer nach Amer zurück gesehnt und den Fehler gemacht dem Sehnen nach zu geben.
,,Ich bleibe noch bis morgen, dann verlasse ich Arus für immer. Ich möchte nicht, dass Amer sein restliches Leben davon träumt, dass ich einfach zurück komme. Ich hoffe er lebt so sein Leben und vergisst mich. Es wird ein Abschied für immer.", ich möchte so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen, damit ich nicht noch einmal zurück komme.

,,Wenn du keine andere Möglichkeit siehst dann geh, aber bitte sag es Amer. Geh nicht ohne es ihm zu sagen, er hat es letztes Mal nur überlebt weil Tania für ihn da war.", Sie sieht mich bittend an und ich verspreche ihr, mit ihrem Bruder zu reden und ihn vorzubereiten. Ich werde nicht mitten in der Nacht davon schleichen, nicht dieses Mal. 

Wir warten mit dem Mittagessen auf Amer, auch wenn seine Schwester dagegen ist. Sie hasste es schon früher, wenn ihr Essen kalt wurde. Missmutig stochert sie jetzt in ihrem kalten Kartoffelbrei herum und schmiert ihn vom einen Rand ihrer Holzschale zum anderen.

,,Vielleicht solltest du ein besseres Vorbild für Mary sein. Immerhin musst du dich jetzt um sie kümmern.", tadele ich sie und nehme Mary ihre Schale aus der Hand um ihre Zeichenübungen zu beenden. Das Mädchen protestiert laut während ich ihren Kartoffelbrei wieder zu einem Haufen zusammenschieben. In genau dem Moment kommt Amer herein und lacht über den bösen Blick seiner jüngeren Schwester. Er setzt sich neben mich und ich gebe ihm eine große Portion Brei mit Gemüse auf. Genüsslich beginnt er zu essen und lobt Leah für das leckere Gemüse. Es besteht aus Tomaten und Paprika.

,,Warm hätte es besser geschmeckt.", Antwortet sie patzig und räumt laut klappernd das Holzgeschirr ab. Mary hilft ihr dabei und hat sie schon fast den ganzen Vormittag dazu überredet ihr zu zeigen wo man Kräuter sammeln kann. Ich gehe mit Amer zu seinem kleinen Kornfeld im Tal. Schließlich muss ich ihm etwas sagen.

Der Weg zu den Feld führt durch ein lichtes Pappel Wäldchen. Ich höre die rauschen den Bäume, das Zirpen der Grillen und das leise plätschern eines Baches. Das Feld ist ein beschauliches Stück Erde und es muss sehr aufwändige sein es von den überall wuchernden Brombeeren zu befreien. Vor einem Jahr hatte Amer hier Kohl gepflanzt, jetzt wiegt sich hier der Roggen im Wind. Er hat schon am Vormittag angefangen das Getreide zu ernten, er hat fast ein Drittel des Feldes geschafft. Er gibt mir eine Sichel und ich beginne an einer Ecke. Amer nimmt sich die andere Seite vor. 

Es ist keine schwere Aufgabe, ich muss mich nur auf den Boden knien und die Halme vor mir abschneiden. Es duftet herrlich nach Getreide und dem nahe gelegenen Wald. Amer besteht darauf, dass er die Halme zu Gaben bindet ich lasse ihn gewähren und setzt mich in Schatten neben den kleinen Bach. Ich trinke ein Paar Schlucke von dem kühlen Wasser.

Am frühen Abend haben wir alles geschafft und gehen wir zurück. Der weiche Waldboden fühlt sie angenehm kühl unter meinen Füßen an. Ich hoffe, dass die anderen uns noch Essen übrig gelassen haben, denn die Arbeit hat mich hungrig gemacht.

Nach dem Essen gehe ich mit Amer hinauf in die Berge, um mit ihm den Sonnenuntergang zu beobachten. Es ist ein ein steiler Weg, aber der Ausblick ist die Mühe wert. Wir können bis weit ins Tal sehe und haben einen freien Blick auf die Sonne. Ich glaube sogar ich kann das Feld sehen, auf dem wir am Nachmittag das Getreide geerntet haben, aber ich bin nicht ganz sicher. Die Sonne nähert sich bereits dem Horizont und ich überlege wie ich es Amer sagen soll. Ich habe nicht mehr viel Zeit, denn ich möchte, dass er eine Nacht darüber schlafen kann.

,,Amer,", ich sehe in seine grünen Augen. ,,ich gehe morgen. Ich bleibe bis Mittag, dann gehe ich nach Westen und verlasse Arus für immer. Mary  hat Leah gefragt ob sie hier bleiben darf und sie hat es erlaubt. Ich kann sie nur zu gut verstehen...", er sieht mich hoffnungsvoll an aber ich schüttele traurig den Kopf. ,,Aber ich kann nicht. Ich hätte nicht herkommen dürfen, es war ein großer Fehler. Ich liebe dich, aber wir passen einfach nicht zusammen.", er sieht sieht zur untergehenden Sonne. Sie wirft einen roten Schein auf sein Gesicht. 

,,Wir passen zusammen, nur offensichtlich liebst du mich nicht genug um hier zu bleiben.", seine Stimme ist hart. Er blickt starr zum Horizont, zeigt keine Regung.

,,Es tut mir so, so unglaublich Leid.", es ist bloß ein flüstern und ich weis nicht ob er es überhaupt gehört hat. Ich gehe zu ihm, bleibe unschlüssig neben ihm stehen und schließe die Augen, blinzele die Tränen weg. Ich küsse ihn, ein allerletztes mal, drehe mich um und laufe den Berg hinab. Tränen rollen über meine Wangen und ziehen Spuren auf meinem Kleid, ich sehe zurück. Amers Blick ist auf mich gerichtet. Ich mache mir nicht die Mühe meine Wangen zu trocknen und laufe einfach weiter.

Am nächsten Morgen ist Amer nicht beim essen, auch in seinem Zimmer ist er nicht. Auf meinem Platz liegt ein zerknittertes Blatt Papier. Ich erkenne es sofort, ich habe es vor elf Monaten für ihn geschrieben, als ich mich mitten in der Nacht davongeschlichen habe. Meine Schrift ist verlaufen, ich kann fast nichts mehr lesen.

  Werde mit Tania glücklich, vergiss mich...

Ich wende den Brief um die Wörter nicht mehr sehen zu müssen, doch auch hier steht etwas, es ist nicht meine Handschrift, es ist die von Amer. 'Ich liebe dich, und ich werde dich immer lieben.', es ist einfach zu viel. Ich gehe die Treppe hoch und versuche gar nicht erst nicht auf die knarzenden Stufen zu treten, Mary und Leah sehen mir verwirrt hinterher. Mit Tränen in den Augen greife ich nach meiner Tasche und gehe wieder hinunter. Leah ist aufgestanden und hält den Zetteln in der Hand und sieht mich verwirrt an.
,,Ich gehe sofort, der Grund dafür steht auf der Rückseite.", sie dreht das Blatt und ich verlasse die kleine Wohnküche durch die Hintertür. Im Stall steht mein kleiner Esel, ich binde ihm das Gepäck auf den Rücken und binde ihn los. Das Tier folgt mir und ich verlasse den Schuppen. Ein letzter Blick zurück, Leah steht bleich in der Tür und Mary winkt mir zu. Eine feurige Taube löst sich von meinen Händen, sie soll ein Zeichen für Amer sein.

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