Freundschaft

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Ich sitze neben Leah auf einem Stein und sehe in das Tal. Die Laubbäume, die schon beginnen sich gelb zu färben und der rote, staubige Fels, der still in der Abendsonne liegt. Der Herbst ist sehr früh in diesem Jahr. Es ist eigentlich schon zu kalt um hier draußen zu sitzen, aber ich möchte noch nicht wieder zurück. Ein leichter Wind streicht über mein weites Kleid und zerzaust meine blauen Haare. Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht und mein Arm brennt, selbst wenn ich ihn nicht belasten oder berühre. Ich habe schon viele Witze darüber gemacht was  für eine schlechte Feuertänzerin ich bin, wenn ich mich sogar an meinen eigenen Flammen verbrenne. 

,,Ich gehe zurück und mache Essen, du kannst noch etwas hierbleiben.", sie ist schon aufgestanden und ich entscheide mit zu kommen. Der Wind frischt auf und spielt auch mit ihren roten Haaren. Im Licht der untergehenden Sonne sieht es aus als würde ihr Kopf in Flammen stehen. Ein schmaler Pfad führt uns durch den Wald zurück zum Dorf. Ich atme frische Waldluft ein, sie riecht nach Moos und nach Bäumen,  aber auch nach Herbst.

In dem kleinen Haus, indem Leah mit ihrem Bruder wohnt duftet es nach verschiedenen Kräutern. Ich erkenne Thymian, Drachenblüte und Vanille. Es ist eine seltsame Mischung aber irgendwie gefällt sie mir. Leah liebt alle diese Gewürzte, Tania mochte sie auch.
Mary kommt die Treppe herunter und freut sich sichtlich über mein Aussehen. Es hat offensichtlich etwas gebracht den ganzen Tag in der Sonne zu sitzen, ich fühle mich auch schon wieder viel besser. Während Leah kocht decken Mary und ich, so gut ich es mit einem Arm kann, den Tisch. Danach helfen wir ihr beim Kochen. Ich schneide Gemüse klein und rühre in dem Topf mit dem Reis. Inzwischen hängt im ganzen Haus der Duft von Curry. Es gibt niemanden der besser kochen kann als Leah, zumindest kenne ich keinen. 

Sie beschließt einfach mit dem Essen anzufangen ohne auf Amer zu warten, er kam schon frühere nie rechtzeitig und daran hat sich wohl nicht geändert. Bevor ich sie bitten kann doch auf ihn zu warten schiebt sie sich schon den ersten Löffel in den Mund. Es schmeckt sogar noch besser als ich es in Erinnerung hatte, vielleicht sollte ich doch hier bleiben, aber nur um Leahs Kochkünste weiter genießen zu können. 

,,Wieso habt ihr ohne mich angefangen? Ich bin heute nicht zu spät, ich bin sogar früher da als du gesagt hast!", sagt Amer patzig, er hat gerade den Wohnraum betreten und uns natürlich sofort gesehen.
,,Das Essen war früher fertig, ich hatte zwei sehr fleißiger Helferinnen. Ich wollte es essen solange es noch warm ist.", rechtfertigt seine Schwester sich sofort und Amer zieht einen Schmollmund. Er setzt sich neben Mary an den Tisch und hält mir erwartungsvoll seinen Teller hin. Ich verdrehe die Augen und fülle ihn mit Reis. Er bedankt sich wie ein kleines Kind und beginnt schon damit, sich das Curry in den Mund zu stopfen. Mit vollem Mund bedankt er sich schmatzend bei Leah für das Essen. Worauf hin ich ihn darauf hinweise, dass er kein besonders gutes Vorbild für Mary ist. Er ignoriert mich demonstrativ und isst weiter, Mary kichert und bläst aus versehen ein paar Blasen in ihren Apfelsaft. 

,,Tut mir Leid.", sagt er kleinlaut und auch ich kann das Lachen nicht mehr zurückhaltend. Leah steht kopfschüttelnd auf und holt einen Lappen für Mary. Nachdem wir uns langsam wieder beruhigt haben wenden ich meine Aufmerksamkeit den Teller vor mir zu und schweige verlegen um nicht aus versehen wieder einen Lachanfall aus zu lösen. Den anderen scheint es ganz ähnlich zu gehen denn auch sie sind still. 

Nach dem Essen bitte Leah ihren Bruder den Abwasch zu machen und ich helfe ihm so gut ich kann. Sie selbst geht mit Mary hinaus um den Sonnenuntergang zu beobachten. Ich liebe diese Anblick, aber ich bin zu müde um noch einmal hinauf zur Klippe zu steigen.
,,Ich vermisse es. Bis gerade erst wusste ich es gar nicht, aber ich  vermisse die Abende an denen ich kaum etwas essen kann und am Ende Bauchschmerzen vom vielen Lachen hatte.", er sieht mich erstaunt an und lässt die Gabel sinken mit der er gerade gegen den Löffel in meiner Hand antreten wollte. ,,Und ich werde sich vermisse.", nun lächelt er schief und schlägt mir den Löffel fast aus der Hand. Erstaunt sehe ich zwischen dem Besteckteil und ihm hin und her, lasse den Löffel fallen und stürze mich mit dem Handtuch auf ihn. Er ist so überrascht, dass er erst nach einigen Sekunden einen Gegenangriff starten kann.

Nach einiger Zeit lasse ich mich außer Atem  auf den Boden fallen und Amer setzt sich neben mich. Er keucht als währe er gerade den ganzen Berg hinauf gerannt. Seine blonden Haare stehen zu allen Seiten ab und auch meine sind vermutlich sehr zerzaust. Ich versuche den blauen Wußt so gut es geht mit den Fingern zu entwirren.
,, Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe dacht ich wirklich du würdest sie färben.", er nimmt eine Strähnen in die Hand und beginnt damit zu spielen. Ich wurde schon sehr oft gefragt ob meine Haare gefärbt ist, aber Leah hat schließlich leuchtend rote Haare, auch wenn blau  viel seltener ist. Amer lässt meine Strähne los und beginnt erneut mit dem Abwaschen, ich sehe ihm dabei zu.

Am nächsten Tag stehe ich früh auf und schleiche mich über den leicht knarzenden Boden nach draußen und laufe den Hang hinter der Hütte hoch. Ich komme an ein Kartoffelfeld, das frische Grün geht schon in ein trockenes braun über. Am Rand des Feldes stehen Farne und andere Pflanze. Ich entdecke sogar zwischen dem betörend duftendem Lavendel und dem Bergthymian einen Feuerhibiskus. Es ist eine sehr schöne Blüte, ihr Rotton ist eine der wenigen Farben die zu meinen Haaren passen. Vorsichtig pflücke ich eine und stecke sie in meinen vom Schlaf zerzausten Zopf. Ich gehe weiter den Berg hinauf und genieße die Wärme der Sonne auf meiner Haut.

Oben angekommen setzte ich mich sitze auf ein weiches Polster aus Moos und beobachte den Flug eines einsamen Vogels. Er kreist über dem Wald und sucht den Boden nach kleinen Tieren ab. Ich höre leise Schritte und spühre wie sich jemand neben mich setzt. Unverwandt beobachte ich weiter den Vogel und sehe nicht zur Seite.

,,Ich währe gerne ein Vogel, ich währe frei und könnte immer dorthin wohin ich möchte.", Mary beobachtet mich genau doch ich zeige keine Regung. Ich würde gerne fliegen können, aber das ist unmöglich. Der Himmel gehört den Vögeln, Es ist schon immer so und es wird auch immer so bleiben. Menschen können nicht fliegen, genauso wenig wie Esel oder Fische.

,,Zaya,", sie sieht mit mir fest in die Augen, ,,ich möchte hier bleiben. Ich brauche eine Heimat, einen Ort an den ich zurück gehen kann, egal was passiert. Dieser Ort ist hier, in Ala Nova war ich nicht zu Hause, ich habe mich nie wohlgefühlt, aber hier tue ich es. Ich habe gestern mit Leah darüber gesprochen, wenn du es erlaubst darf ich bei ihr und Amer wohnen solange ich möchte.", ich schlucke, ich habe ihr immer freigestellt zu bleiben und jetzt hat sie sich entschieden. Ich werde ihre Wahl nicht anzweifeln, aber es trifft mich. 

,,Ich kann dich nicht aufhalten und das habe ich auch nicht vor. Es ist allein deine Entscheidung. Du sollst dein Leben so leben wie du es möchtest und nur so.", in den vergangenen Monaten war das Mädchen meine Begleiterin. Ich erzählte ihr alles über die Landschaften, Städte und Dörfer durch die wir zogen und sie hörte mir interessiert zu. Es wird komisch sein mit niemandem mehr reden zu können. 

,,Ich habe es in der Zeit nicht geschafft dir viel über das Feuer beizubringen, aber eine Sache möchte ich dir unbedingt zeigen.", ich ziehe die Blüte aus meinem Zopf. In der Mitte ist sie gelb, es ist kein besonderst helles Gelb aber auch noch kein Orange. Bis zum Rand der handtellergroßen Blüte geht es in ein helles Weinrot über. Ein Blatt genügt sagte Salomon damals in Isios. Ich zupfe ein Blatt ab und weise Mary an es zu essen und ich mache es ihr vor. Das Mädchen verzieht das Gesicht denn die Blätter sind sehr scharf, aber daran gewöhnt man sich schnell. Mit einem leisen Flüstern und lasse ich aus meiner Hand einen großen, flammenden Vogel in die Morgenluft aufsteigen.

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