Diesen Text habe ich vor längerer Zeit geschrieben, mitten in der Nacht, als ich unglaublich müde war, und ich habe seit dem ersten Überarbeiten am nächsten Tag immer noch nicht das Bedürfnis, ihn weiter zu überarbeiten. Somit hat er es sich verdient, das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken.
¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡! ¡!Das Gongen der alten Uhr im Wohnzimmer lässt sie aufschrecken. Sie zählt die Schläge mit. Eins, zwei, drei, vier. Vier Uhr. Unwillkürlich blickt sie Richtung Fenster, wo die Jalousien nur zur Hälfte herab gezogen sind. Draußen wird es bereits ein wenig heller, ein neuer Tag bricht an. Die Dunkelheit um sie herum hält alle Farben im Zimmer versteckt. Ihr Dutt hat sich schon lange aufgelöst und ihre mittellangen dunklen Haare kitzeln sie am Hals. Mehrmals blinzelt sie und schließt auch zweimal die Augen etwas länger, dann gibt sie den Versuch auf, das Brennen darin loszuwerden. Schlagartig wird ihr der Geruch des alten Bibliotheksbuches wieder bewusst. Papier und etwas Süßliches. Sofort saugt sie den angenehmen Duft ein. Sie muss gähnen. Erst jetzt merkt sie, wie müde sie ist und wie sehr ihre Kehle nach Wasser schreit. Mit schweren Gliedern greift sie nach der Flasche, die immer auf dem Nachttisch bereit steht, und trinkt sie zur Hälfte leer. Das Licht der Taschenlampe, die sie bis vorhin in der Hand gehalten hat, blendet sie unangenehm. Doch sie kann jetzt nicht schlafen. Deswegen war sie doch die ganze Nacht wach. Weil das Buch in ihr vom ersten Satz an eine Spannung aufgebaut hat. Eine Spannung, die ihr den Weg durch diese fremdartige Welt und die Gedanken eines anderen, eines fiktionalen Charakters, geleitet und sie wach gehalten hat. Nur widerwillig schaltet sie das kleine, batteriebetriebene, hell leuchtende Elektrogerät ab und legt sich hin. Eine Decke braucht sie nicht. Dafür ist es zu warm heute Nacht. Auf ihren Oberschenkeln liegt noch immer das aufgeschlagene Buch und lässt sie einen leichten Druck spüren. Eine Hitzewelle fährt durch ihren Körper. Er ist erschöpft von der langen Nacht, doch ihr Gehirn rattert noch weiter. Denkt über das Buch nach. Warum ist ausgerechnet diese eine Person gestorben? Ausgerechnet ihr Lieblingscharakter? Welchen Sinn hatte es, dass ihm dieses Schicksal angehängt wurde und wie wird dieses die Geschichte vorantragen? Dem Tod von literarischen Personen trauert sie mehr nach, als sie sollte. Die Träne, die im Liegen ihre Schläfe hinabrollt, kühlt sie angenehm. Um es gemütlicher zu haben, rollt sie sich auf die Seite und zuckt augenblicklich zusammen. Das Buch ist beim Drehen von Ihren Oberschenkeln geruscht und laut auf dem Boden augeschlagen. Kurz lauscht sie, ob ihre Eltern davon aufgewacht sind. Sie finden es nicht gut, wie lange sie manchmal wach bleibt, um im Schein der kleinen Taschenlampe die Nacht durchzumachen, nur weil sie sich mit Buchstaben bedruckte Seiten anschaut. Sie verstehen nicht, dass diese Wörter, die eine Geschichte bilden, ihre Nahrung sind. Dass sie sie braucht, zum Leben und zum Glücklichsein. Eine lange Zeit wälzt sie sich hin und her, hofft, einzuschlafen. Doch als die Uhr fünf mal gongt, gibt sie es auf. Sie hebt das Buch vom Boden, greift nach der Taschenlampe und schaltet sie ein. Nach der langen Dunkelheit sind ihre Augen nicht an das Licht gewöhnt und beginnen zu tränen. Doch das ist ihr egal. Sie wird jetzt weiterlesen. Sich wieder in den Bann des Buches ziehen lassen. Mit einem anderen Kopf weiterdenken und Abenteuer erleben. Doch eigentlich sitzt sie nur da, in der aufgehenden Sonne in einem winzigen Zimmer, aus dem sie das Beste gemacht hat. Und auf ihrem Schoß liegt nur ein Buch. Papiere voll aufgedruckter Buchstaben. Wie viel Liebe und Arbeit hinter so etwas Alltäglichem und Kleinem steckt und was man damit erleben kann, das ist faszinierend, denkt sie und lächelt. Und dann schlägt sie das Buch auf und lässt sich wieder in diese bedruckten Seiten fallen, das Herzblut eines Autors, den Geruch von Papier und etwas Süßlichem, die müden, tränenden Augen, das Vergessen des Alltags, den Taschenlampenschein. Und sie erlebt Abenteuer. Abenteuer in einer Welt, die ihre Klassenkameraden nicht kennen. Abenteuer, die manch anderer nie erleben wird. Abenteuer, ohne aus dem kleinen, heißen, stickigen Zimmer einer Großstadtwohnung zu weichen, irgendwo auf diesem riesigen Planeten, der sich Erde nennt. Auf dem die faszinierensten Arten von Wesen leben, die das vielleicht Schönste und Kreativste rein aus Leidenschaft erschaffen können, das in diesem Universum zu finden ist und das andere lebendig fühlen lässt.