- Die Klippen -

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Noch im Laufen sah ich zu ihm hinüber, wie seine Wuschellocken auf seiner Stirn hüpften, wie er gespielt über die Schulter sah als wären wir Bankräuber auf der Flucht.

Auf der Flucht waren wir ja gewissermaßen auch.

Unwillkürlich musste ich schmunzeln, Tante Carol würde durchdrehen, nein korrigiere, wird durchdrehen, denn sie würde davon erfahren. Ihre Mina schwänzte gerade den Unterricht, sogar eine Arbeit, dieses Ereignis war ungefähr genauso wahrscheinlich wie Schnee im Sommer.

Das besonders irrwitzige daran war, mich störte der Gedanke kein bisschen, bei genauerem Betrachten hätte er mich vielleicht stören sollen, aber nein, keine Reue.

Unerwartet. Ach was soll's ein bisschen Schnee im Sommer wäre doch auch mal was. Hoffen wir nur, dass er nicht schmilzt, bevor er auf den Boden trifft, denn geben wir es zu: Schnee war nicht unbedingt die beständigste Form von Wasser.

„Was hast du gesagt?"

Colliah.

Ich hatte wohl schmunzelnd gemurmelt als ich so in Gedanken verloren gelaufen war und nicht mitbekommen hatte wohin überhaupt.

Abrupt blieb ich stehen.

„Ach nichts, wohin laufen wir eigentlich?" Wie konnte ich es bisher verpasst haben das zu fragen? Das ging gar nicht, mir kam es vor als hätte ich die Kontrolle über meine Handlungen eingebüßt, sie Colliah überlassen.

Und ich wollte sie schleunigst zurück.

„Sicher? Das klang wie Schnee im... ach egal", er schüttelte den Kopf, wie um seine Gedanken zu verscheuchen.

„Dahin wo ich immer abhänge, wenn mal wieder akute schulische Not am Mann ist", er grinste verschwörerisch.

„Na dann bist du ja sicher nicht oft da", ich spielte mit, versuchte es zu tun ohne auf meine Hintergedanken zu achten. Komm schon, gibt mir mehr Informationen, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir einfach so vertraue oder folge, wie naiv bist du?

„Nein, nie", schüttelte er todernst den Kopf, nur um danach ein leicht schiefes, verschmitztes Kleinerjungen-Lächeln zur Schau zu stellen.

Auch ich lächelte und boxte ihn spielerisch gegen die Schulter, irgendwann musste ich seine Hand schließlich loslassen.

„Du solltest dich was schämen, aber ich bin gespannt, bloß glaubst du, dass wir es vielleicht zur 4. Stunde, nach der Pause zurückschaffen, dann verpasse ich nicht so viel", eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf hielt am Perfektionismus und der Naivität fest. Zum Rebellen geboren war ich schließlich wirklich nicht.

Mist, du hattest doch eben beschlossen das hinter dir zu lassen, unterbewusst ist da wohl doch noch was.

Colliah schnaubte und zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. Er musste nichts entgegnen, ich wusste es selbst.

„Ist ja gut ich bin nur noch nicht so daran gewöhnt,...wie du."

„Daran gewöhnt man sich schnell keine Sorge."

„Vielleicht sollte man das ja gar nicht", murmelte ich leise vor mich hin, denn ich konnte den Zweifel einfach nur kurzzeitig unterdrücken, so sehr ich es auch versuchte.

Derweil hatten wir den Schulhof hinter uns gelassen und waren in das Waldstück hinter der Schule eingebogen, nachdem wir durch eine Lücke in einem Maschendrahtzaun geschlüpft waren. Es war mir gelungen keines meiner Kleidungsstücke zu beschädigen, denn Colliah hatte es mir vorgeführt, wie ich durch die Lücke treten sollte und mir danach, so gut es ging den Zaun vom Leib gehalten. Wenn man ihm Glauben schenkte, hatte ich mich viel kleiner gekauert als es nötig gewesen wäre, tja im Kleinmachen war ich anscheinend einfach zu geübt und gut.

If I Wasn't Your Daughter | LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt