- Klippenspringen -

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„So und was tun wir jetzt? Hast du einen Vorschlag?", sah Colliah mich nach einer kleinen Weile fragend an, während er aufstand und sich den Dreck von der Hose klopfte.

Einen?!

Mit der Zeit hatte sich eine Liste entwickelt mit Dingen, die ich tun wollte, bevor ich starb, denn wenn du manches nicht tust dann verpasst du was. Inspiriert von einem Buch, das ich einst gelesen hatte, hatte ich alle verrückten Ideen aufgeschrieben, die mir lebendig vorkamen, die für mich nach Freiheit klangen. Einfach, um zumindest in meinen Gedanken ein bisschen lebendig zu sein, auf eine Art, wie ich es in Realität nicht konnte.

Bücher boten mir die Möglichkeit mich von allem das gerade um mich herum vor sich ging loszusagen, Bücher stellten Paralleluniversen dar in denen man sich für eine Auszeit verstecken konnte. Manchmal ging diese Auszeit dann über ein zwei Tage, in denen ich weder sprach noch mein Zimmer verließ, weil eine Geschichte mal wieder Besitz von mir ergriffen hatte und die Spannung mich zwang weiterzulesen.

Außerdem, was sollte ansonsten schon Großartiges in diesen zwei Tagen in meinem Leben passieren, denn von den ganzen Dingen, die ich tun wollte, hatte ich bis jetzt keinen einzigen Punkt in Angriff genommen. Absolut und totale 0%.

101 Ideen waren es mittlerweile, aus den tiefsten, verborgensten Ecken zusammengekratzt.

„Also?", diese simple Frage holte mich in die Wirklichkeit zurück und die haute einen fast um.

Er sprach wirklich mit mir und das immer noch.

„Ich wüsste da was."

Denn manchmal entscheidest du dich etwas zu tun, aus welchen Gründen auch immer und manchmal handelst du einfach ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was richtig und was falsch ist. Ich für meinen Teil entschied mich dazu einmal „ja" zu sagen, „ja" zum Leben, „ja" zu Colliah. Ich entschied mich dazu ihm zu vertrauen und zugegebenermaßen, vielleicht wollte ich ihn auch ganz gerne ein bisschen beeindrucken.

„Wir springen", entgegnete ich schlicht, aber innerlich brodelte es.

War das mein Ernst? Hatte ich das wirklich gesagt. Mensch das ist verdammt hoch, seit wann bin ich so selbstmörderisch veranlagt?!

Für's Protokoll, nur um es an dieser Stelle einmal angemerkt zu haben: ich war nie, absolut nie ein Adrenalinjunkee gewesen, eher das genaue Gegenteil.

„Du bist ja verrückt", er schüttelte ungläubig den Kopf. Sein Gesichtsausdruck hatte sich im 180° gewandelt, das selbstsichere Grinsen war ihm schlichtweg aus dem Gesicht gefallen.

„Ach fällt dir ja früh auf, gut wenn das das dann jetzt geklärt ist", aber ich konnte mir die fast schon zynische Bemerkung „wie dir bestimmt schon aufgefallen ist reden die Menschen nicht mit mir, dafür gibt's sicherlich Gründe" einfach nicht verkneifen.

Er schien wieder amüsiert.

„Nene, du redest nicht mit den Leuten so sieht's aus. Du bist, versteh mich nicht falsch", abwehrend hob er die Hände, eine Schutzhaltung, um mich oder ihn zu schützen, das wusste ich nicht, „aber recht unauffällig, fast schon abweisend, reserviert, unnahbar." Es war eine wirklich gute Frage, wer hier vor wem geschützt werden sollte, denn seine Aussage traf tief, die Wahrheit traf immer tief.

Er suchte nach Worten.

„Schon klar, Danke", entgegnete ich sarkastisch und verschränkte die Arme vor der Brust, ganz klar um mich zu schützen dieses Mal.

„Ich sagte doch versteh mich nicht falsch, aber zurück zum Anfang... springen... WARUM?"

Ich seufzte, blieb mir denn auch nichts erspart? Aber die Diskussion war begonnen und ich konnte sie zumindest bis zum bitteren Ende führen.

If I Wasn't Your Daughter | LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt