Sechzehn

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An dem Abend, als Ace vor dem Zelt von Captain Blomerotte stand, war der Himmel seit Tagen zum ersten Mal wieder klar und er konnte sogar ein paar Sterne sehen. Trotzdem schmatzten seine Stiefel immer noch lautstark, als er sich mit einem letzten Atemzug auf die beiden Wachmänner zubewegte.

„Habt Ihr einen Termin?", fragte der kleinere Silver mit eng beieinanderstehenden Augen, die ihn skeptisch musterten. Seine Hand wanderte an das Halfter an seinem Oberschenkel, wo sich sein Liriumpumper befand.

Ace bemühte sich um eine entschlossene Miene und erwiderte: „Ja. Der Captain weiß Bescheid."

Der Silver verzog den Mund und seine linke Braue schoss für einen kurzen Moment in die Höhe. „Und wen darf ich ankündigen, Lieutenant?"

„Ich bin hier als Ersatz für Perez, ihren Bruder, der heute leider verhindert ist." Ace konnte in den Augen seines Gegenübers lesen, dass er immer misstrauischer wurde. Er wechselte einen Blick mit seinem Kollegen und meinte dann: „Schön. Bitte wartet hier, Lieutenant." Damit verschwand er im Inneren des Zelts, das deutlich größer war als das von Ace.

Unsicher trat Ace von einem Bein auf das andere und schaute kurz zu dem verbliebenen Wachmann hinüber, der ihn aus kleinen Schweinsaugen anfunkelte. Ace versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und ließ seinen Blick betont langsam zum Zelt wandern. Aus dem erklangen mittlerweile Geräusche und undefinierbare Wortfetzen, bevor die Wache wieder herausgestolpert kam.

Er wirkte wie ausgewechselt, durcheinander und beinahe wie ein kleiner Junge, als er stotterte: „Ihr werdet erwartet, Kamerad!"

Neugierig beobachtete Ace sein merkwürdiges Verhalten, als er ihm zunickte und an ihm vorbei in das Zelt trat. Dort schlug ihm direkt eine ungewohnt trockene Hitze entgegen. Blomerotte musste eine liriumbetriebene Heizanlage besitzen. Irgendwo im hinteren Teil des Zelts lief leise exotische Musik.

Es roch nach Gewürzen, die Ace nicht benennen konnte und... Sand. Staubigem, trockenem Sand. Wie war das möglich? Niemand war zu sehen in dem schummrigen Licht, das im abgetrennten Vorraum herrschte und als Ace noch einen Schritt wagte, bemerkte er, dass der Klang seiner Stiefel von Teppichen gedämpft wurde. Wie konnte sie in einem Kriegslager derartigen Krempel unterhalten?

Die Plane, welche die Trennwand darstellte, war nicht vollkommen durchgezogen, sodass ein Lichtstreifen ihm signalisierte, wohin er sich wenden musste. Als er um die Ecke bog, intensivierten sich sowohl der Gewürzgeruch als auch die Musik. Nicht das bläuliche Licht von Liriumlampen erhellte den Raum, sondern Kerzen. Sie standen überall, auf Truhen, die sich stapelten, auf dem Schreibtisch, der am anderen Ende des Raums stand, teilweise sogar auf dem Boden. Und obwohl überall Teppiche lagen, sogar teilweise die Zeltwände verhingen, machte sich die Bewohnerin dieser Räumlichkeiten wohl keine Sorgen darum, alles in Brand zu stecken. Apropos, wo war sie überhaupt?

Wie auf Kommando vernahm er plötzlich eine Bewegung hinter sich, einen seichten Windhauch, der die trockene Luft aufwirbelte und das Aufblitzen spitzer weißer Zähne. Dann legte sich eine Hand über seinen Mund und jemand verdrehte ihm den Arm.

„Dachtest du, deine kleine Show wäre überzeugend?", schnurrte eine raue Stimme an seinem Ohr, in der unverkennbar ein Lächeln lag.

Aces Herz donnerte, als er sich aufbäumte. Warum hatte er sie erst so spät bemerkt? Wie hatte sie sich so leise anschleichen können? Sein Gebaren führte dazu, dass sie ihm den Arm so hart den Rücken hochzog, dass er nach Luft japste. Sie nutzte den Moment und drängte ihn zum Tisch. Ace hatte sich jedoch schnell wieder gefangen und konzentrierte sich darauf, den Schmerz zu überwinden. Mit dem freien Ellenbogen wollte er ihr in die Rippen stoßen, doch sie bekam seinen Arm zu fassen, als hätte sie seine Bewegung vorausgeahnt. Er versuchte, mit seinem Fuß ihr Bein wegzuziehen, aber in dem Moment drückte sie ihn schon auf eine der unzähligen Truhen. Sein Gesicht landete nur knapp neben einer Kerze, die empört aufflackerte, als der Luftzug das Flämmchen beinahe ersterben ließ. Sie presste ihr Knie auf seinen unteren Rücken und säuselte: „Falls es dich beruhigt, mich hat noch nie jemand überraschen können."

Haut aus SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt