Siebzehn

1.1K 108 66
                                    

Als sie zurück zu Alastairs Haus gingen, hatte bereits die Dämmerung eingesetzt. Mittlerweile waren die Nächte öfter mild. Die Wärme, die sich in den Straßen der Stadt speicherte, verstärkte dies noch.

Mit einem Funken Wehmut beschattete Macey ihre Augen und spähte zum Horizont, an den sich die Stadtmauer und die Dächer der Gebäude schmiegten. „Ich wünschte, ich könnte meinen Bruder sehen...", murmelte sie.

Ace folgte ihrem Blick. „Er könnte überall sein", gab er zu bedenken, da schaute sie zu ihm hinüber. „Nein, ich weiß, wo er ist. Die Finsternis hat es mir gezeigt."

Ihr Gegenüber riss die Augen auf. „Was?" Er griff nach ihrem Arm und zog sie näher an sich heran, um sich im nächsten Moment nervös umzusehen. „Du musst vorsichtig sein, wenn du so etwas sagst!"

Sie merkte, wie ihr warm wurde. Dass er sie so nah heranzog, änderte jetzt auch nichts daran, ob jemand sie hören konnte oder nicht! Mit einem merkwürdigen Gefühl in der Magengegend machte sie sich los und murmelte: „Ist ja gut, ich hab nicht daran gedacht."

Ace beobachtete sie kurz, dann schien er ihr Verhalten jedoch nicht weiter zu hinterfragen und fragte im Flüsterton: „Also bist du dir sicher bei der... Sache?"

„Natürlich bin ich mir sicher!", erwiderte sie mit Nachdruck. Bevor sie ihm aber einen giftigen Blick zuwerfen konnte, erinnerte sie sich daran, wie unglaublich das für ihn klingen musste und riss sich zusammen.

„Aber wie kann das sein?", flüsterte er, „Wie kannst du so schnell so eine tiefe Verbindung eingehen ohne Schaden davonzutragen?"

Macey senkte ihren Blick und inspizierte das aschgraue Kopfsteinpflaster. „Ich glaube, ich bin kompatibler als ihr. Sie haben mich ihre perfekte Tochter genannt. Aber du weißt selbst, dass ich irgendwann Schaden davontragen werde."

Als sie wieder aufschaute, konnte sie sehen, dass Ace sich zurückhalten musste, denn sein Gesicht wirkte verkrampft und eine Sehne an seinem Hals trat hervor, weil er die Zähne aufeinanderbiss. Allerdings kam ihnen gerade eine Sterling mit einem kleinen Kind entgegen, weshalb keiner von ihnen etwas sagte. Erst als sie an der leeren Haltestelle angekommen waren, an der der Personentransport hielt, konnte er endlich loswerden, was ihm die ganze Zeit auf der Zunge gebrannt hatte und er zischte: „Und Zac hat das natürlich ohne Rücksicht auf Verluste in die Wege geleitet, dieses Arschloch."

„Du brauchst ihm nicht die Schuld geben, es war ganz allein meine Entscheidung."

„Aber deine Entscheidung ist..." Er brach ab, als er ihr in die Augen sah.

„Falsch?", beendete sie seinen Satz relativ gelassen und Ace seufzte. „Du musst schnell wählen, auf wessen Seite du stehst", bemerkte sie. Er antwortete nicht.

Statt ihr Gespräch fortzusetzen, lauschten sie dem Surren der Laternen und als ein leichter Nieselregen einsetzte, stellten sie sich unter das Dach der Haltestelle. Auf der anderen Straßenseite klappte eine Silver ihren Regenschirm aus. Ein hohes Sirren ertönte, als sich das Magnetfahrzeug näherte.

„So oder so, wir müssen vorsichtig sein. Ich dachte, wir könnten ihm trauen, solange wir die gleichen Ziele verfolgen, aber ich denke, dass er unberechenbar ist", griff er plötzlich das Thema wieder auf, als die Bahn einfuhr.

„Natürlich", erwiderte sie, während sich die Türen öffneten, „Wir machen es ihm gleich und nutzen ihn, solange wir ihn brauchen. Dafür lassen wir uns benutzen. Ein fairer Tausch."

Sie stiegen ein und setzten sich ganz nach hinten. Der Wagen war vollkommen leer.

Macey runzelte die Stirn. Das war ihr bereits öfter aufgefallen. Auch die Straßen schienen wie leergefegt bis auf die Industriegebiete.

Haut aus SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt