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Total erschrocken reiße ich meine Augen auf und setze mich rasch in meinem Bett kerzengerade auf. Mein Herz schlägt mir dabei so heftig gegen mein Brustkorb, dass es womöglich schon kurz vor dem Zerbersten stehen müsste. Der im Schlaf produzierte Schweiß rinnt mir von der Stirn über das Gesicht, während meine Adern noch durch das Adrenalin pulsieren.

Wahrscheinlich werde ich den Rest der Nacht kein Auge mehr zumachen können.

Das, was in der Tankstelle geschehen war... Ich habe keine Ahnung wie ich damit umgehen soll. Ich verstehe nicht einmal, was genau da überhaupt vor sich ging. Ob ich mir diesen merkwürdigen aber gleichzeitig auch so erschütternden Schmerz nur eingebildet habe? Ich muss es mir eingebildet haben! Etwas anderes kann ich mir nicht erklären.

Aber dennoch verfolgt es mich auf Schritt und Tritt.

Er macht sich immer wieder bemerkbar, sobald ich meine Augen schließe oder es wage, mich an das Ereignis zurück zu erinnern. Wäre ich mir nicht so absolut sicher, dass ich mir den Schmerz nur eingebildet hätte - weil alles andere keinen Sinn ergeben würde - würde ich fast schon sagen, dass es da irgendeinen abgedrehten Zusammenhang mit dem Neuling gäbe. Aber auch das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn und wie ich auf diese Idee komme, kann ich mir auch nicht erklären.

Frustriert schüttle ich mit dem Kopf, als könne das Kopfschütteln mir dabei behilflich sein, dieses Chaos darin irgendwie wieder aufzulösen.

Mein Atmungsrhythmus ist noch immer völlig außer Takt. Ich versuche mich zu fassen, fahre mir durch meine kurzen, gewellten und braunen Haare, ehe ich meine Augen nur für einen winzigen, erholenden Moment schließen wollte. Als es sich jedoch abermals bemerkbar macht, reiße ich sie schnell wieder auf.

Mit völlig ausgetrocknetem Mund und verschwitzten Klamotten quäle ich mich aus meinem Bett und schlendere mich aus meinem Zimmer, direkt in das Bad links von mir. Meine schweißnassen Finger umschließen den Hebel des Wasserhahns, führen ihn direkt nach rechts zum eiskalten Wasser, ehe ich ihn nach oben hebe und das kalte Wasser aus dem Hahn geflossen kommt.

Mit beiden Händen forme ich eine Schüssel, in der das Wasser hinein fließt, bevor ich es mir ins Gesicht spritze. Seufzend stütze ich mich danach am Rand des Waschbeckens ab, genieße die frische Kälte an meinem Gesicht und starre ziellos in das heraus fließende Wasser. Das kalte Wasser hat mir eine leichte Last von den Schultern genommen, meine Körpertemperatur sinkt etwas, aber dennoch tobt in meinem Kopf reiner Wahnsinn. Allerdings muss ich schlussendlich beschließen, dass jetzt weiter über das merkwürdigste Ereignis meines Lebens nachzudenken absolut keinen Sinn hätte. Mit diesem Gedanken genehmige ich mir einige Schlucke aus dem Wasserhahn, ehe ich das Wasser abstelle und zurück in mein Bett schlendere.

Dennoch bezweifle ich, dass ich in dieser Nacht noch einmal ein Auge zu bekomme, deshalb schalte ich meine kleine Nachttischlampe an und greife mir das Buch daneben und beginne in die Gedankenwelt und Probleme eines anderen Universums zu schwelgen, um meine eigenen für diesen Augenblick zu vergessen.

~ ~ ~ ~

"Du siehst ja schrecklich aus!", platzt es aus Janna - meine Tante - als ich die Küche betrete. Trotz ihrer Beleidigung, wie ich empfinde, triefen ihre Augen voller Besorgnis, während sie ihre Tageszeitung beiseite legt. "Ist alles in Ordnung bei dir? Was ist los? Du warst ja gestern schon so merkwürdig, wie ich finde." Mir war schon gestern im Klaren, dass sie mich das fragen würde. Denn als ich am Abend traumatisiert von der Arbeit kam - wovon Janna nichts wusste und auch nie erfahren wird - bin ich ihr etwas zu panisch ausgewichen, als sie mit geöffneten Armen, bereit für eine Umarmung, auf mich zu ging. Danach hatte ich mich für den restlichen Tag in meinem Zimmer verschanzt, ohne auch nur vorher etwas zu essen.

"Vielen Dank", gebe ich sarkastisch zurück, hole mir eine Tasse aus dem Hängeschrank und schütte frisch gebrühten, heißen Kaffee hinein. Üblicherweise würde ich noch Milch und Zucker hinein geben, doch meine dunklen Augenringe ziehen meine Augenlider förmlich hinunter.

clairvoyant » n.hWo Geschichten leben. Entdecke jetzt