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Man kann mein Leben und mich mit ganz simplen Worten beschreiben.

Normal.

Ruhig.

Vernünftig.

Legal.

Nichts besonderes.

Ich bin zwar ein Mädchen, welches ohne Eltern aufwächst, allerdings problemlos damit klar kommt. Zumindest hat es bisher keine großartigen Auswirkungen auf meine Psyche gehabt, behaupte ich. Vielleicht liegt das daran, dass ich bei meiner Tante Janna wohne, die meiner Meinung nach die Rolle beider Elternteile gut genug beherrscht. Zudem ist sie auch so ziemlich der einzige Mensch in meinem Umfeld, mit dem ich mich gut verstehe und auch einen standhaft guten Kontakt habe.

Denn viele Freunde habe ich nicht. 'Tschuldige, ich meine natürlich: Ich habe gar keine Freunde. Ich mache mir auch keine große Mühe, um Freunde zu gewinnen und bisher bin ich auch immer der Ansicht gewesen, dass ich alleine viel besser zu Recht komme. Und wenn nicht, habe ich immer noch meine Tante, mit der ich mich gut verstehe.

Deshalb werde ich aber meines Glückes nicht in der Schule gehänselt. Jeder akzeptiert es, dass ich ein Einzelgänger bin. Oh warte, ich muss mich erneut korrigieren: Sie akzeptieren es nicht nur, sie nehmen mich erst gar nicht wahr. Aber das ist mir nur allzu sehr Recht, denn somit habe ich meine Ruhe von lästigen, pubertierenden Teenagern, dessen Intelligenzquotient bereits im Minus liegt.

Ich will wirklich nicht unfreundlich oder gemein wirken, aber ich bin ein ehrlicher Mensch und spreche das, was ich denke geradewegs aus. Das heißt: Ich bin ein Arschloch, hi.

Es gibt allerdings noch eine Sache, die ich sogar noch weniger leiden kann als meine Mitschüler. Erstaunlicherweise kann ich mir selbst nicht einmal erklären weshalb, wieso und warum, aber seitdem ich meinen ersten Atemzug auf dieser gottverdammten Erde hinter mich gebracht habe, hasse ich es, berührt zu werden.

Nein, ich wurde nicht vergewaltigt, körperlich misshandelt oder Sonstiges.

Aber ja, ansonsten führe ich wirklich ein normales Leben, ehrlich.

Keine Freunde (obwohl das eigentlich mehr einsam und depressiv klingt, als normal), Partys erst recht nicht oder sonst irgendwelche Tätigkeiten, die in meinem Alter "normalerweise" höchst angesagt sind.

Verflucht, ich - Mabel Cromwell, hi, freut mich dich kennenzulernen - bin der vernünftigste (im Sinne von: Ich gebe mir nicht die Kante mit irgendwelchen schädlichen und illegalen Substanzen), ruhigste (naja, halbwegs) und normalste (nein, ich versuche nicht krankhaft darauf hinzuweisen, dass ich "normal" bin) Mensch in ganz England. Um zu übertreiben; womöglich auf dem ganzen Planeten.

Aber das traurige hinter dieser ganzen Geschichte ist: Sie ist gelogen.

Ich bin, wie sich wohl herausstellt, alles andere als normal, und die Tatsache, dass ich es immer mehr in mich hinein fressen muss und damit die Menschen (was? Plural? Wie kann das sein?) in meinem Umfeld öfter anlügen muss, macht mich wiederum auch zu einem unehrlichen Menschen.

Aber ein Arschloch bin ich immer noch.

Zudem hat sich auch so erklärt, wieso ich mein ganzes Leben lang den Körperkontakt mit anderen Menschen vermieden habe. Denn durch eine einzige Berührung, als meine Hand seine bloß streifte, bemerkte ich, dass ich das komplette Gegenteil von normal bin.

Und diese Erfahrung bringt im Nachhinein alles Unglück, Schmerz und Trauer auf dieser Welt in mein Leben.

"Ich weiß mehr über dich, als du selbst über dich weißt, Zac"

clairvoyant » n.hWo Geschichten leben. Entdecke jetzt