Prolog

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An alle Schützen; Feuer frei! Notfallprotokoll α2 ausführen! Hauptgeschütz mit anti-Infanterie Geschossen beladen! Schäden an Technik werden sofort gemeldet! Schwere Bolter auf Automatik! Notfallstrom umleiten! Ich will alles auf hundert Meter Entfernung tot sehen. Erwarte Rückmeldung. Leutnant Braslik trommelte unruhig mit den Fingerspitzen auf einem der geschwungenen Bildschirme in der Führerkabine des „Triumph des Omnissias“ herum und drückte sich den Voxstecker geradezu schmerzhaft ins Ohr. Erwarte Rückmeldung, sofort! Wieder antwortete ihm nur ein beunruhigendes Rauschen. Wütend riss er sich den Voxstecker aus dem Ohr und warf ihn gegen einen der grün flackernden Bildschirme. Das Alles gefiel ihm ganz und gar nicht. Seine Mannschaft war eigentlich immer zuverlässig und die Funkanlagen haben ihm noch nie ihren Dienst versagt. Entnervt fuhr er sich über den feuchten Hinterkopf, zog seine Hand jedoch rasch wieder zurück, als der Schädel ihm etwas zu weit nachgab. Nach all dem, was er bereits durchgemacht hatte, wollte er nicht mit dem eigenen Fingern im Hirn sterben. Durch die Explosion war er unglücklicherweise auf die Seite seines Hinterkopfes gefallen, die noch nicht durch eine Metallplatte ersetzt worden war. Im Vergleich zu dem Fahrer, der tot auf seinen Stuhl hing, hatte er noch Glück gehabt mit einer kurzen Ohnmacht und einer Platzwunde davongekommen zu sein. Woran der äußerlich unversehrte Pechvogel gestorben war, würde er später untersuchen. Einen hatte sein Glück aber wieder einmal nicht verlassen und diese Tatsache ließ ihn regelrecht schäumen. Sein Nemesis saß auf dem Funkerstuhl und versuchte den binären Code aus Einsen und Nullen, der auf einem noch funktionstüchtigen Bildschirme vor ihn ablief zu deuten. Von dessen angestrengten Gemurmel genervt machte sich der Leutnant auf den Weg zu ihm, um sich den schon lange überfälligen Lagebericht abzuholen. Das Knirschen der Glassplitter unter seinen Stiefeln beunruhigte ihn zusätzlich. Normalerweise würde selbst das Notstromaggregat genug Lärm verursachen, um solche Geräusche zu übertönen. Am Funkerplatz angekommen verpasste er dem Jungen einen Schlag auf den Hinterkopf, wohl wissend, dass das seinen Arbeitserfolg nicht beschleunigen würde. Wo bleibt der Lagebericht Prinzesschen? Oder soll ich dir noch eine Einladung in Hochgothisch schreiben? Der Junge öffnete leicht den Mund, nur um ihn gleich wieder zu schließen, unfähig ein Wort während des Übersetzungsprozesses hervor zu bekommen. Thron auf Erden... Wenn Leutnant Leo Braslik etwas abgrundtief hasste, dann war es Inkompetenz. Alles in seinen Leben hatte er sich teuer mit Teilen seiner Psyche und Physis erkaufen müssen. An jedem seiner vielen Orden hing ein Finger, Gliedmaße, Traumata. Dass er die Ehre hatte, diesen ehrwürdigen Dreihundertsechzehn-Tonner zu befehligen, hatte ihn einen ganzen Lungenflügel gekostet. Sich mit Feinstaub Atemzug für Atemzug sein eigenes Innenleben zu zersetzen und dann fast am eigenen Blut zu ersticken war keine angenehme Angelegenheit. Und jetzt stand sein Name an der mit Grünspan überdeckten Tafel im „Triumph des Omnissias“, unter denen aller seiner ehrenhaften Vorgänger, auch wenn man nur noch die Hälfte dieser lesen konnte. Das ganze Gegenteil von ihm war „er“. Loderik von Sonstirgendwas, die größte Verschwendung von Fleisch und Knochen, die in den letzten fünfhundert Jahren geboren wurde. Sein Vater, irgendein Adliger mit Beziehungen zum Astra Militarum, wusste scheinbar, was für eine Enttäuschung er da auf die Welt gesetzt hatte. Er schickte den Jungen zum Militarum und dieses ihn dann an den bestgepanzerten Ort, den man auftreiben konnte. Und jetzt saß der Junge als Funker in einem der besten Panzer des Imperiums. Eine Schande, ja gar eine Blasphemie gegen dieses Wunderwerk der Technik, das ein Galaxis-umspannendes Imperium gerade noch auf zwei Planeten produzieren konnte. Resignierend ließ Braslik den Kopf sinken, hielt aber ruckartig in der Bewegung inne. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Ihm wurde gleichzeitig heiß und kalt. Die Übelkeit einer bösen Vorahnung nahm ihm beinahe den Atem. „Ave Omnissias“. Er war nicht sonderlich gut in Binär und auch nicht sattelfest in den Lehren des Maschinenkultes, aber wenn er Eines von dem alten Techpriester, der vor einigen Jahren noch im Triumph mit ihm diente gelernt hatte, dann war es „Ave Omnissias“. Es war der Herzschlag des uralten Panzers. Ein Stoßgebet in seinem Binärcode festgesetzt, wie Satzzeichen in einem Buch. Er fehlte. Der „Trumpf des Omnissias“ war tot.
Alles was da stand, waren leere Notfallprotokolle. Geistesgegenwärtig schlug er Loderiks Kopf in den Bildschirm vor ihm. Blutige Glassplitter verteilten sich klirrend überall in der Kabine. Taumelnd schürzte er auf den Feuerlöscher zu, um mit ihm wie wild auf die leicht verbeulte Tür zum Hauptgeschützraum einzuschlagen. Das darf nicht sein. Das kann nicht sein, unmöglich, unmöglich. Nach einigen Hieben gab die Tür gab klirrend nach. Entkräftet hielt sich der Leutnant an der scharfen Kante, wo das Metall abgerissen war, fest um nicht nach vorne umzustürzen. Dass sich das Metall tief in seine noch verbliebenen Finger fraß störte ihn nicht. Das Adrenalin ließ ihn völlig taub werden, denn vor ihm lag nicht der Geschützraum. Da war... Nichts. Nichts... zweieinhalb Meter Tiefe und Straßenbeton. Die Hälfte dieses vor zweitausend Jahren in den Schmieden des Mars gefertigten Panzers... sie fehlte. Hundert-achtundfünfzig Tonnen Plaststahl und Adamantium, einfach weg. Der sicherste Ort in seinem ganzen Regiment, ja dem ganzen Planeten wahrscheinlich, einfach weg. Langsam gaben seine Finger nach. Das Metall war bis auf die Knochen vorgedrungen, rutschte jetzt jedoch ab. Er stürzte in die Tiefe. Der Aufprall brachte ihm wenigstens ein bisschen Klarheit zurück. Unbeholfen drehte er sich auf den Rücken. Über ihm begannen die Wolkenkratzer der Makropole zu schmelzen. Der Himmel färbte sich Purpur und kreischende Lichter stützten von den Fratzen schneidenden Wolken herab. Die Schwerkraft nahm ab und zu. Alle physikalischen Gesetze schienen verrückt zu spielen. Er war noch nie ein frommer Mann gewesen, aber in dieser Apokalypse glaubte er. Er glaubte, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Wenn die Meere kochten, die Erde brannte und die Sterne vom Himmel stürzten lag es doch auf der Hand. Der Imperator existierte und er hasste uns.


Vier Tage später:

...Achtet Seine Weisheit, denn Er wird euch vor dem Bösen bewahren. Sprecht Seine Gebete voller Andacht, denn Er wird eure Seelen retten...Ein armseliger Keuchanfall überkam den Leutnant. Mit seiner trockenen Zunge fuhr er sich über die aufgesprungenen Lippen und begann seine Aquilla zu küssen. Der süßlich metallische Geschmack des zweiköpfigen Wappentieres des Imperiums war das Einzige, was ihm noch Kraft gab. Erzittert vor Seiner Majestät, denn wir alle wandeln in Seinen unermesslichen Schatten. Angestrengt versuchte er seine ausgetrockneten weit aufgesessenen Augen für ein „Amen“ zu schließen. Doch kaum überkam ihn die Dunkelheit, riss er sie panisch wieder auf. Nein! Nicht die Schwärze. Augen so schwarz wie die Tiefen des Nichts. Mit Hörnern und Krallen, kreischend, springend, singend, tanzend. Dort in meinen Kopf. Raus aus meinen Kopf! Nein! Nein! Die silbernen...silberne Ritter aus den lang vergessenen Tagen des Gottimperators. Söhne des Gottimperators aus den Türmen des antiken Terras. Sie werden mich retten. Ritter in silber. Werden mich retten. Vergessen, vergessen, vergessen… Sein wahnsinniger Redefluss nahm abrupt ab, als eine knochige Hand spürte, die sich fest um seinen Kopf krallte. Er vermochte sich vor Angst keinen Millimeter zu rühren. Langsam schwanden Stück für Stück seine Sinne. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Es war als ob Würmer sich durch sein Gehirn schlängelten und es langsam ausschalteten. Behutsam, vorsichtig, präzise wie ein Skalpell. Doch befreit vom Schmerz und reduziert im Geste fühlte er sich so sicher, wie seit Beginn seines Martyriums nicht mehr. Dann erklang eine milde Stimme in seinem Kopf. Ihr seid ein tapferer Mann. Der Imperator belohnt jene, die ihm treu bis zum Schluss dienen, Leo. Ich möchte, dass ihr ihm einen letzten Dienst erweist, mein Freund. Erzählt mir doch von diesen… „silbernen Rittern“. Langsam bekam er die Kontrolle über seine Gesichtsmuskulatur zurück um ein halb ersticktes „Ja“ hervor zu krächzen. Dann klickte es zweimal. Das Eine kam von einen Dicktiergerät, das andere von der Entsicherung einer Pistole.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 11, 2018 ⏰

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