Kapitel 5: Seculum

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Da, wo ich eigentlich einen weiteren Raum erwartet hatte, war gar keiner. Wir schienen uns auf einmal in einem Wald zu befinden, denn um uns herum war nichts zu sehen außer vielen, großen Bäumen. Ihrem Durchmesser nach zu urteilen, mussten sie mehrere tausend Jahre alt sein. Wir traten durch die Türe hindurch und ein Geruch schlug uns entgegen, modrig aber nicht unangenehm. Ich hörte, wie sich die Türe hinter uns schloss und als ich nachsehen wollte, woher wir gekommen waren, sah ich nur einen alten Baum. Verwirrt sah ich mich um, um herauszufinden, wer uns die Türe geöffnet hatte. Ich konnte aber niemanden entdecken, also fragte ich Jo: „Wo sind wir hier und wie sind wir hier her gekommen?“ „Wir sind hier in Seculum. Dies hier ist ein magischer Ort, eine zweite Welt sozusagen. Sie steht in direkter Verbindung mit der Welt, die du kennst. Verbunden sind sie durch Portale. In früheren Zeiten gab es noch viele dieser Portale, doch als der Schatten immer mächtiger wurde, zerstörten die Kleriker diese Portale, um deine Welt vor dem Schatten zu beschützen. Einige Portale jedoch blieben bestehen und die Kleriker legten einige Schutz- und Bannzauber darauf, um den Wechsel der Bösen Kräfte zwischen den Welten zu verhindern. Allerdings sind diese Zauber schon sehr alt und haben mit der Zeit an Macht verloren. Dies hier ist eines der letzten aktiven Portale. Der Legende nach soll es noch weitere geben, die auf ihre Aktivierung warten, jedoch haben wir noch nie eines zu Gesicht bekommen.“, antwortete Jo und sah sich auch im Wald um. Allerdings schien sie nicht überrascht zu sein, sondern viel mehr etwas zu suchen. „Und wer hat dieses Portal für uns geöffnet?“, fragte ich. „Jedes Portal hat einen Wächter, der für einen reibungslosen Wechsel zwischen den Welten zuständig ist. Außerdem achten sie darauf, dass keine Unbefugten oder Anhänger des Schattens zwischen den Welten wechseln und zur Not verteidigen sie dies auch mit ihrem Leben. Allerdings verstecken sie sich meist und man sieht sie nur sehr selten. Der Wächter dieses Portals heißt Custos.“, antwortete sie wieder und sah Jeff an. Dieser nickte ihr zu. „Die Luft ist rein. Lasst uns gehen.“ Jeff ging wieder voran und ich folgte ihm. Hinter mir ging Jo, die sich immer wieder umdrehte um sicherzugehen, dass uns keiner verfolgte. Wir gingen etwa 3 Stunden durch den Wald, bis wir am Rande des Waldes angekommen waren. Es schien Mittag zu sein, denn die Sonne stand hoch am Himmel. Vor uns stand eine kleine Hütte. Sie schien schon lange nicht mehr bewohnt zu sein, denn der Garten war verwildert und das Dach wies einige, schadhafte Stellen auf. Jeff steuerte auf das Haus zu und blieb vor der Türe stehen. Er klopfte, zuerst ganz leise, dann immer lauter. Doch in dem Haus tat sich nichts. Er trat einen Schritt zurück und mit einem plötzlichen Schrei fuhr er nach vorne und durchschlug das Holz mit seiner Faust.  Er griff durch das soeben geschlagene Loch und drückte die Türklinke von innen nach unten. Die Türe öffnete sich mit einem schrillen Quietschen und die abgestandene Luft schlug uns entgegen. „Wartet hier.“, sagte Jeff und verschwand im Haus. Nach kurzer Zeit kam er mit einer Truhe wieder aus dem Haus. „ Selly ist verschwunden, aber es gibt keine Zeichen eines Kampfes. Wahrscheinlich wurde ihr dieses ewige Alleinsein zu langweilig.“, sagte er und stellte die Kiste vor uns auf dem Boden. „Das denkst du doch wohl nicht im Ernst?“, unterbrach Jo ihn. Er lachte und schüttelte den Kopf. „Aber unsere Truhe hat sie hier gelassen, anscheinend in der Hoffnung, dass wir wieder zurück kommen.“ Er bückte sich hinab und begutachtete das Schloss. „Hast du den Schlüssel noch?“, fragte er Jo doch sie verneinte. „Auch kein Problem.“, murmelte er und drückte das Schloss zwischen seinen Fingern zusammen. Das Metallschloss zerbarst zwischen seinen Fingern und die Einzelteile fielen zu Boden. Ich war erstaunt über seine übermenschlichen Kräfte, redete mir jedoch ein, dass er das nur konnte, weil das Schloss bereits alt war. Er öffnete die Truhe und gab den Blick auf verschiedenste Waffen frei. An der Unterseite des Deckels war ein Brief befestigt. Während Jeff begann, die Waffen auszuräumen und gründlich zu begutachten, nahm Jo den Brief, öffnete ihn und las laut vor:

Hallo Jeff.

Wie du sicher schon bemerkt hast, wohne ich nicht mehr in diesem Haus. Ich bin in die Berge von Montis gezogen, um einige neue Kräuter kennen zu lernen und meine Rezepturen zu verbessern. Außerdem erhoffe ich mir, dort eine stärkere Bindung zu der Natur aufbauen zu können und so neue Zaubersprüche zu erlernen. Deine Kiste habe ich in dem Haus gelassen und mit einem Fluch belegt, dass jeder Unbefugte der sie berührt vergisst, was er eigentlich hier wollte, schnell das Weite sucht und nie wieder hier her zurück kehrt. Neben euren Waffen, die ich mit einem Schutzzauber belegt habe, liegen noch einige Ampullen in der Truhe, die euch auf eurer Reise sicher nützlich sein könnten. Solltest du etwas brauchen, weißt du ja, wo du mich findest.

Der Schatten (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt