1

154 10 2
                                    

"Annaaaaa! Warte" schnaufe ich aus der Puste. Sie ist wieder völlig in ihrem
Element. Verlassene Häuser zu entdecken und auszukundschaften gehört zu unseren Hobbies. Und das nebenher auch noch zu filmen, schert uns ein paar extra Scheine ein, denn alle unsere Entdeckungen teilen wir im Internet. Und wir sind beliebt im Netz. Sehr beliebt.
Jetzt haben wir einen ganz neuen Ort gefunden, der seit fast 200 Jahren leer steht und unentdeckt geblieben ist. Zumindest hoffen wir das.
"Jetzt schau dir das mal an! Ist das nicht genial? Diese Villa steht einfach mitten im Nirgendwo! Kein Wunder dass es bis jetzt noch niemand entdeckt hat." meint Anna und kommt mit ihren Händen in die Hüfte gestemmt zum stehen.
Auch ich komme zum stehen, nur bin ich etwas mehr aus der Puste und muss mich erstmal hinsetzen. Langsam hebe ich meinen Blick und mustere das alte Haus, das sich vor uns in die Höhe empor hebt.
"Und das soll jemandem ganz allein gehört haben? Das glaube ich nicht.. Das ist doch total einsam hier." Ich schüttle in Gedanken meinen Kopf.
"Komm lass uns rein sehen, hast du die Kamera parat?" summt Anna voller Vorfreude und sucht nach einem passendem Einstieg.
Ich raffe mich auf, krame die Kamera aus dem Rucksack und gehe auf den Haupteingang zu. Überraschender Weise schwingt die Tür direkt auf, als ich versuche sie aufzustoßen. Normal sind verlassene Häuser immer sehr gut verriegelt.. hier wohl nicht so.
Auch anna wirft mir einen überraschenden Blick zu, als ob wir beide das selbe denken.
Ist das Haus doch nicht unbewohnt?
Landstreicher kommen immer wieder vor, aber selbst die marschieren nicht durch die Haupteingangstüre.
Schnell drücke ich auf Aufnahme an meiner Kamera, als wir das Gebäude betreten.
Anna knipst ihre Taschenlampe an und beginnt die Zuschauer zu informieren, wo wir sind.. oder wo wir meinen zu sind.
Erst fällt uns nichts ungewöhnliches auf, es gibt ein normales Wohnzimmer, Küche , Kaminzimmer. Wir gehen angespannt den großen Flur entlang, bis am Ende eine geschlossene Tür vor uns liegt.
Wir beide gucken uns fragend an, bis Anna seufzt und nach dem Türhenkel greift.
Ganz langsam dreht sie den Griff, bis ein Klack ertönt und die Tür sich ein bisschen öffnet. Ich höre nur wie Anna die Luft anhält und mein Herz einen Schlag aussetzt. Fest umkralle ich die Kamera und wage einen Blick hinein. Was ich dort sehe, weckt die Fluchtinstinkte in mir.
Zuerst stechen mir die Blutflecken ins Auge.
Überall. Blut. Am Boden, Wänden. Aber was mich noch nur noch mehr trifft ist der große OP Tisch in der Mitte, der sogar mit Schnallen  ausgestattet ist, um Lebewesen festzuschnallen. Sonst wirkt der Raum sehr steril. Es befindest sich noch eine Türe in dem Raum aber im Moment will wohl niemand wissen was sich dort drinnen befindet.
"LEUTE" kreischt Anna los und springt mehrmals im Kreis, sodass ihre blonden Locken hin und her springen.
"Das ist so abgefahren! Wer auch immer hier gelebt hat, hatte seinen eignen OP Saal!" schreit sie in die Kamera.
Meiner Meinung nach sieht das aber nicht wie ein gewöhnlicher Saal aus und mir stellen sich die Nackenhaare auf.
"Anna, pscht. Wir wissen immer noch nicht ob wir alleine hier sind." lache ich leise nervös.
"Komm Kim, stell dich mal neben die Liege und wir machen ein Bild. Wow ich bin begeistert. Das ist echt mal was anderes. Vielleicht lebte hier ein Psycho der täglich seine Elektroschocktherapie brauchte." scherzt Anna und betritt den Raum.
"Ich werde den Raum nicht betreten. Ich sehe mich mal im Keller um, schalte dein Walky Talky ein, falls was ist."
Ich mache auf den Absatz kehrt und sehe nur noch wie Anna mit den Schultern zuckt.
Ich werde noch ein paar spannende Aufnahmen tätigen und dann werde ich dieses Haus auch verlassen, denn mein Inneres drängt mich regelrecht danach zu fliehen. Ich habe das Gefühl, dass wir hier nicht alleine sind.
Schritt für Schritt gehe ich die Wendeltreppen in den Keller hinunter. Es ist stockfinster. Und da passiert es. Ich stolpere über einen Gegenstand, strauchle und plumpse die restlichen Stufen hinunter.
"Au!"
Unten lande ich zusammengekugelt im Staub und stöhne schwer. Das musste mir jetzt auch passieren.
Langsam richte ich mich auf, aber bleibe auf meinen Knien sitzen, denn was ich dort im Gang vor mir sehe raubt mir erneut den Atem.
Zellen. Zellen wie in einem Gefängnis. Nicht viele, aber bestimmt so 5 Stück.
Mein Atem wird auf die Sekunde schneller und ich Taste hektisch im Dunkeln nach meiner Kamera, doch ich finde sie nicht.
Ich versuche aufzustehen doch ein Stechen im Bein hindert mich. Die Steintreppen waren doch härter als gedacht.
Als ich meine Augen wieder auf den Gang richte, stockt mir endgültig der Atem. Dort steht jemand. Ganz am Ende. Ganz ruhig, du halluzinierst nach dem Sturz , da ist niemand.
Ich schnappe wieder nach Atem, denn vor Anspannung hatte ich immer noch die Luft angehalten. Ich kneife meine Augen zusammen und mache sie langsam wieder auf, in der Hoffnung die Gestalt ist weg. Doch im Gegenteil. Sie kommt auf mich zu. Ich wimmere vor Angst auf. Da höre ich plötzlich Annas Stimme durch unser Funkgerät, das sich in meinem Rucksack befindet.
"Kim, Kim, komm schnell! Das hier ist nicht der Ort den  wir ursprünglich entdecken wollten! Wir haben etwas entdeckt was nicht für unsere Augen bestimmt war! Hier wurde mit Menschen experimentiert und keine Menschen Seele hat es je herausgefunden und wir sind die ersten die dieses Haus entdecken! Nicht mal die Regierung weiß davon! Weißt du was das bedeutet..?" Annas Stimme wird in meinem Kopf immer leiser, denn der Mann aus dem Gang kommt 5 Meter vor mir zum stehen. Gerade so kann ich ihn gut vom Boden aus mustern. Er ist jung, hat kein bisschen Dreck an seinem Körper und wild gelocktes Haar. Er starrt zu mir herab und hebt langsam meine Kamera in die Höhe. Das rote Blinken zeigt an, dass sie immer noch filmt. Der Fremde filmt mich mit meiner Kamera.
Mein lautes Atmen, vor Angst wird immer leiser bis schließlich seine Stimme die Stille durchschneidet.
"Ist das deine, Darling?"
Das ist zu viel, ich heule auf und versuche mich aufzurichten, um irgendwie zu entkommen. Doch der Schmerz im Bein hindert mich. Trotzdem kehre ich dem Fremden meinen Rücken zu. Ich kneife fest meine Augen zu und hoffe, dass das alles nicht wahr ist und ich nach meinem Sturz einfach in eine Ohnmacht gefallen bin.
"Ihr seid in mein Zuhause eingedrungen, Darling." höre ich seine Stimme die nun nochmals näher erscheint.
So wie er darling ausspricht, möchte ich einfach nur kotzen. Es klingt widerlich aus seinem Mund, wie ein Psycho.

PatientWo Geschichten leben. Entdecke jetzt