Mir ist es unangenehm und gleichzeitig bin ich stolz zuzugeben, das ich schön bin. ich würde nie von mir behaupten, dass ich hübsch bin. Dafür habe ich zu große Augen, ein zu muskelösen Körper, der zu gleich kurvig ist, allerdings spielt da die Oberweite eine andere Rolle. Ich habe eine schmale Zahnlücke und außerdem sind meine Zähne definitiv nicht so weiß, wie die auf den Zahnpasta Packungen. Vielleicht liegt es daran, dass ich Bio Zahnpasta benutze auf der kein Model mit strahlend weißen Zähnen abgebildet ist.
Seufzend lasse ich meinen Kopf nachhinten baumeln und überdenke nochmal den Gedanken, mich als eineschöne Person zu betitteln. Sicher ich war äußerlich nicht hässlich, doch hier ging es mir viel mehr um meine Ausstrahlung. ich habe das Gefühl, bis zu einem gewissen Punkt selbstbewusst zu seinoder zumindest so zu wirken und außerdem bin ich ein aufmerksamer Mensch. Ich glaube nämlich, dass ich meine Augen die meiste Zeit nicht verschließ, dass ich den Leuten zuhörte, ihre Ungerechtigkeiten bemerke und sie sah.
„Ruth, wollen wir nun?", fragt mich Tom. Er ist genervt, denn eigentlich wollte er gar nicht mitkommen, doch ich hatte ihn überredet. Ich hatte ihm versprochen anschließend noch ins Kino zu gehen um dort ein wenig unanständigzusein. Doch jetzt würde wahrscheinlich auch das ins Wasser fallen, denn wir sitzen schon knappe zwei Stunden im Flur vor der Eingangstürder Wohnung meines Bruders Edwin, beziehungsweise vor der Wohnungstürvon Jamie, dem besten Freund meines Bruders.
Mein Bruder und ich sind zerstritten, sprechen seit einem guten Monat nicht mehr miteinander. „Bitte lass mir noch fünf Minuten.", ich blicke Tom flehend an und nun lässt auch er seinen Kopf nach hinten baumeln, wobei er sich ihn an der Wand stößt. Zerknirscht reibt er sich die Stelle und wendet sich zu mir. „Sieh nur was du mit mir anrichstest." Ich schenke ihm ein mickriges Lächeln und lasse meinen Blick wieder an die uns gegenüberliegende Flurwand schweifen. Mitlerweile kannte ich dort jeden grauen Fleck, jede Macke. Doch das kann täuschen, ich dachte auch jede Macke meines Bruders zu kennen.
Edwin ist ein Schwein. Ich will nicht mit ihm reden, jedoch hat er anscheinend mein Nummer blockiert und deshalb muss ich ihm persönlich die freudige Nachricht verbreiten, dass unsere Cousine heiraten wird. Eigentlich freue ich mich wirklich für ihr Glück. Nur auf eine Familienzusammenkunft habe ich keine Lust.
Plötzlich geht die Wohnungstür auf. Jamie kommt heraus, er ist so damit beschäftigt seine wilde Haarmähne unter die Mütze zu stecken, dass er uns nicht zu bemerken scheint.Tom will aufstehen, doch ich halte ihn blitzartig fest und gebe ihn ohne Worte zu verstehen nicht Jamies Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Jamie soll einfach in Richtung Aufzüge verschwinden, dann kann ich alleine, beziehungsweise mit Tom mit Edwin reden. Ich habe keine Lust auf den ewig gut gelaunten besten Freund meines Bruders. Ich habe auf gar niemanden Lust, der mit Ed zutun hat.Doch da ist es schon zu spät, Jamie hat uns bereits bemerkt.
„Eva, was machst du denn auf dem Boden meines Flurs?", fragt er mich und geht mit einem breiten Lächeln auf uns zu. Stöhnend rappel ich mich auf bevor er uns erreicht hat. Ich hasse es, wenn andere auf mich runtergucken können. Tom tat es mir gleich und fragt mich während dessen leise „Warum nennt er dich Eva?". Ich gab ihm zu verstehen, dass ich es später erklären würde.
„Hey Jamie, wie geht's?". Er drückt mich in eine kurze Umarmung „Blendend und selbst?". Ich nicke bloß und erst als ich seinen fragenden Blick auf dem Tom bemerke fällt mir ein, dass ich ihn gar nicht vorgestellt habe.
„Ähm Jamie, das ist Tom, mein äh..ein Freund.", druckse ich herum. Tom und ich haben uns bereits mehrere Male getroffen und jedes Mal rumgemacht. Eigentlich war uns, glaube ich, beiden relativ klar, dass es auf eine rein sexuelle Beziehung hinauslaufen würde mit keinerlei Verpflichtungen. Das merkte man alleine daran, dass Tom sich wirklich gesträubt hat mich zu meinem Bruder zu begleiten, obwohl man doch gemerkt haben muss, wie schwer es für mich ist hier aufzutauchen. Andererseits hat er gerade ernsthaft zwei Stunden mit mir im Flur gehockt ohne jegliche sexuelle Gefälligkeiten einzufordern, die ich ihm schließlich versprochen hab. Er ist ein guter Kerl.
Tom streckt Jamie die Hand entgegen, der sie, Toms Gesicht zu folge, ein weing zu fest drückt. „Nun was ist, wollt ihr reinkommen? Du willst bestimmt zu Ed oder?",wendet Jamie sich an mich. Erneut nicke ich bloß und wirgingen zu dritt in die Wohnung.
Sofort er spähe ich meinen Bruder, der mit dem Rücken zu uns gerichtet auf der Couch sitzt. Wahrscheinlich hat er einen Controller in der Hand, denn auf dem Bildschirm vor ihm läuft ein Fifa Fußballspiel. "Hast du dein Portemonnaie vergessen?", ist das erste was ich von meinem Bruder seit über einem Monat höre.
"Nein Ed, deine Schwester ist hier". Jamies Stimme ist zu bedeutungsschwanger für Wörter, die eigentlich ganz harmlos seien sollten. Es wird auf einmal komisch still in dem geräumigen Wohnzimmer, obwohl sich vier Leute in dem Raum befinden und die Konsole noch immer an ist. Mir kommt es jedenfalls so vor als könnte man jeden meiner Atemzüge von fünf Meter Entfernung hören und ich bilde mir auch ein den stockenden Atem von Ed gehört zu haben
„Was willst du?". Er macht sich nicht die Mühe seine Blick vom Bildschirm zu wenden, selbst das Spiel hat er nicht auf Stop gedrückt.
„Edwin," ein verärgertes Zischen ist zu hören, Ed mag es nicht von Leuten die er kennt mit seinem vollen Namen angesprochen zu werden. „ich habe dich probiert zu erreichen, aber anscheinend hast du mich ja blockiert. Ich wollte wirklich nicht hier auftauchen.", fahr ich Seelen ruhigfort.
„Komm zum Punkt."
„Audrey hat geschrieben, Jackson und sie werden heiraten.". Ich höre nichts von ihm, allerdings weiß ich, dass er sich für sie freut. Audrey und er sind nur wenige Monate auseinander und haben ihre Kindheit gemeinsam verbracht. Als ich alt genug war um mit meiner vier Jahre älteren Cousine spielen zu können war meine Tante bereits mit ihrer Tochter zu ihrem neuen Mann nach Texas gezogen. Also hat Ed eine viel engere Bindung zu ihr.
„Wann?", fragt er schließlich.
„Sprich gefälligst in ganzen Sätzen mit mir."
„Du hast mir gar nichts zu sagen,Ruth-Eva."
Das war's. Es reicht. Er mag es vielleicht nicht Edwin genannt zu werden, aber ich, ich hasse es wenn mich jemand Ruth-Eva nennt. Die Kombination der Namen ist grausam, ich weiß noch immer nicht, was sich meine Eltern dabei gedacht haben.
"Komm Tom, lass uns gehen!", sage ich wutentbrannt. Erst da blickt sich mein Bruder zu uns um. Das erste Mal seit vier Wochen blicke ich in seine braunen Augen, denen meinen so ähneln. Er hat wahrscheinlich gedacht ich bin alleine gekommen, doch ich habe mir Unterstützung mitgenommen. Oder besser gesagt eine markante Schulter an die ich mich nachher im Bus würde anlehnen können.
Edwin nimmt den beinahe teilnahmsloswirkenden Mann neben mir in Augenschein und als er meinen Griff um Toms Unterarm bemerkt kann er sich nicht stoppen. „Wer zumTeufel ist das?"
„Das geht dich gar nichts an, Pisser."
Mit der einen Hand, die bereits an Toms Unterarm geruht hat, ergreife ich Toms Hand. Dann schreite ich schnellen Schrittes auf die Wohnungstür zu, Tom im Schlepptau und hebe mein freie Hand hoch über meinen Kopf. Ich zeige meinem Bruder und zwangsweise auch den verzweifelt dreinblickenden Jamie meinen Mittelfinger. Bevor die Tür hinter uns zuknallen kann sehe ich den Controller auf mich zu rasen, der bloß einen knappen Meter neben mir gegen die Wand scheppert.
Entsetzt blicke ich die nun geschlossen Wohnungstür an. "Arschloch!", schreie ich so laut ich kann.
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love ruth(less)
RomanceRuth studiert Psychologie an der Uni in Portland. Ihre Eltern, die sie am liebsten noch im eigen Haus wohnen hätten, haben nur unter einer Bedingung zugestimmt: Ruth soll mit ihrem Bruder Ed zusammen wohnen. Lange Zeit war das auch kein Problem, doc...