Zwei

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Mein Fahrrad quietschte vor sich hin.

Über die Passanten, die ihre Aufmerksamkeit dann immer sofort auf mich richteten, wenn ich an ihnen vorbeifuhr, konnte ich nur lächeln.

Dieses Schrotteil, das meine Mom zwar wegschmeißen wollte, ich aber gerettet hatte, fuhr wenigstens noch. Im Grunde erfüllte es doch noch seinen Zweck. Vielleicht müsste ich die Kette mal einschmieren, die Lampe richten, die vorne schief hing, und den Lack erneuern, der an einigen Stellen sehr abgeschrammt war.

Allerdings waren das nur optische Details, nichts, was jetzt bitter dringend nötig war.

Für mich.

Ich brauchte nicht immer die neuesten Sachen, wie zum Beispiel ein teures Rennrad, das ich eh nur für den Schulweg brauchte. 

Oder ebenso nutzlos war dieser in der Sonne glänzende Geländewagen, der mich jetzt fast umgefahren hatte.

Gerade noch so war Platz zwischen mir und dem Auto gewesen. Ich schaute gar nicht erst auf das Kennzeichen. Die Farbe und der wilde Fahrstil, in dem der Wagen um die nächste Kurve und somit außer Sichtweite bretterte, verrieten konkret, wer hinter dem Steuer klemmte.

Höchstwahrscheinlich der werte Evan Price.

Mein liebenswerter Nachbar, an den ich vorhin leider noch gedacht hatte und beim aus dem Haus treten froh gewesen war, nicht seine Visage sehen zu müssen, weil der überaus nette Kerl bestimmt noch schlief.

Ich glaubte aber, dass es mir lieber gewesen wäre, sein idiotisches Grinsen heute Morgen zu ertragen, als fast platt gefahren zu werden.

Morgen werde ich defintiv wieder später losfahren.

Es stellte sich immer mehr als Fehler heraus mal pünktlich zur Schule zu kommen, als das Schulgebäude nach einigen weiteren Minuten in mein Blickfeld geriet und ich die vielen Menschen sah, die sich wie Ameisen darum aufhielten. Ob bei den Fahrradständern, auf dem Parkplatz oder schlicht und einfach auf dem Hof vor dem Haupteingang.

Eindeutig waren es zu  viele Menschen.

Und zu  viele fröhliche Gesichter, wie ich es beim Ankommen bemerkte, während ich mein Fahrrad durch das Gewusel schob.

Lieber Himmel, warum waren die denn alle so gut gelaunt? Wie geht das denn?

Kopfschüttelnd parkte ich mein Fahrrad schließlich an einen ziemlich weit hinten stehenden Ständer, schloss es an, wobei diese Sicherheitsmaßnahme bei dem Teil sehr überzogen war, und stellte mich wieder aufrecht hin, um erstmal nochmal tief durchzuatmen.

Die Luft um mich herum war ziemlich frisch und roch extrem nach nasser Erde.

Der Herbst hatte meiner Meinung nach schon extrem früh begonnen und man konnte es sich nur noch schwer vorstellen, dass es vor einigen Tagen drückend und extrem schwül gewesen ist.

Seufzend griff ich in die rechte vordere Tasche meiner dunkelblauen Stoffhose, die ich mit am meisten liebte, und zückte mein Handy. Generell liebte ich es Stoffhosen zu tragen und bevorzugte diesen Style, insbesondere kombiniert mit lockeren Shirts oder bequemen Pullovern, in der Schulzeit. Hier zeigte ich nicht immer viel von meiner Figur, außer in Sport, wenn ich etwas knappere Sachen tragen musste. Sonst waren mir diese weiten Stoffe mehr als angenehm.

Es war nicht so, dass ich mit meinem Körper nicht zufrieden war und deswegen so viel versteckte. Er war ganz normal, schlank, ausgestattet mit etwas angedeuteten Kurven hier und da.

Nein, ich legte einfach in dieser Schule nicht so viel Wert auf mein äußeres Erscheinungsbild. In meiner Freizeit und unterwegs mit meinen richtigen Freunden schon eher. Hier kam ich nur in bequemen Klamotten an, die Haare fielen gekämmt über meinen Rücken, mehr Aufwand wollte ich am Morgen nicht betreiben, und mit ein bisschen Mascara an den Wimpern und Concealer unter den Augen.

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