Endlich war es so weit.
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Auf dem Schulhof herrschte reges Treiben. Viele kleine Kinder rannten umher und lachten. Teenager in meinem Alter standen in einer Ecke und rauchten. Angewidert verzog ich die Nase. Wie konnte man an so etwas gefallen haben?
„Sei froh, dass wir nur im untersten Stock haben, Mongo“, pöbelte mich ein Junge an. Kurz schloss ich die Augen und dann setzte ich ein Lächeln auf. „Dankeschön. Sagst du mir jetzt noch den Saal, Normalo?“ Mein Grinsen wurde immer breiter. Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an. „Achso, diese Redewendung verstehen nur Mongos. So ein... Normalo wie du, kann sowas ja gar nicht verstehen“, lachte ich und fuhr in Richtung des Gebäudes. Als ich an ihm vorbei fuhr, wich er zurück. Innerlich klopfte ich mir auf die Schulter. So müsste ich es schaffen, den Mobbern aus dem Weg zu gehen.
„Warum sitzt du im Rollstuhl?“, fragte plötzlich ein Junge. Er lief, in meinem Fahrtempo, neben mir her. Verdutzt sah ich ihn an und stoppte den Rollstuhl. Nicht der schon wieder. „Ich wollte mich für gestern entschuldigen, ich war nicht ganz bei Sache und war verwirrt, dass du im Rollstuhl warst, weil das wünscht man nämlich niemanden“, meinte Sandro plötzlich. Überrascht sah ich ihn an. Er redete mit mir. „Kein Problem, schön das du dich entschuldigst. Zu deiner Frage: Meine Beine sind gelähmt und ich kann nicht laufen. Wurde mir vereerbt“, meinte ich. Erstaunt schaute ich auf meine Hände. Ich habe es einfach so gesagt. „Mach Platz du Vollmongo!“, rief jemand und rannte auf mich zu. Es war der Junge von vorhin, der mich schonmal Mongo genannt hatte. Sandro trat vor mich und blieb wie eine Mauer stehen. „Nenn ihn nicht mehr so!“, zischte er. Also, den Sandro, den ich gestern kennen lernen musste, hatte nichts mehr mit diesem hier zu tun.
„Oh, jetzt verbünden sich die zwei Neuen mit einander. Haha, geh mir aus dem Weg“, knurrte er und visierte mich an. Er hatte ein kleines Messer in der Hand. „Benjamin! Du gehst sofort zum Direktor!“, brüllte eine starke Stimme über den Schulhof. Der Junge vor uns zuckte heftig zusammen.
„Das wirst du noch hart bereuen“, fluchte er und steckte das Messer ein. Ich mochte diese Lehrerin jetzt schon. Apropos mögen, Sandro grinste mich dumm an. „Was ein Arsch“, sagten wir gleichzeitig und lachten dann. Immerhin waren wir derselben Meinung. Im inneren war ich Sandro sehr dankbar, denn es fühlte sich so an, als hätte ich in ihm einen Freund gefunden. „Ihr müsst Lukas und Sandro sein! Herzlich Willkommen im Victoria-Blaine-Gymnasium“, begrüßte uns die Lehrerin, die uns eben geholfen hatte, nun. Wenn ich diesen Namen nochmal höre, dann geh ich wieder nach Hause. Überall hört man diesen Namen.
Zusammen folgten wir der Lehrerin, die sich als Frau Wonnegau vorgestellt hatte. Ich mochte sie sehr, denn zum einen war sie Nett und zum anderen hatte sie Sandro und mir geholfen. „Also, ihr zwei werdet in die 11a gehen und Frau Stern wird eure Klassenlehrer- Sybille! Warte kurz!“ Dadurch, dass sie jemanden gerufen hatte, brach sie mitten im Satz ab. Sowas hasste ich ja zu tiefst. Frau Wonnegau stackselte mit ihren Stöckelschuhen zu besagter Sybille. Eine etwas ältere Dame blieb in der Menge stehen und drehte sich um. Nun kam sie uns, oder eher Frau Wonnegau, entgegen. „Hallo ihr zwei! Ich bin Frau Stern“, begrüßte sie uns. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Sandro zuerst die Augen verdrehte, doch dann lächelte. „Sandro“, stellte er sich vor. Es klang genervt. Auch die Lehrerin schienen es bemerkt zu haben, da sie ihn mit hochgezogener Augenbraue musterte. Sagen tat sie aber nichts. „Ähm, Entschuldigung: Wo sind die Toiletten?“, fragte Sandro Augenklimpernd. „Flur runter, dann zweimal rechts“, meinte Frau Wonnegau und lächelte dann, als Sandro im schnellen Schritte vorbei lief. „Ich heiße Lukas“, murmelte ich, da es mir etwas unangenehm war, so angestarrt zu werden. „Darf ich fragen, wieso du im - ähm, wieso du im Rollstuhl sitzt?“, fragte Frau Stern nett. Seufzend nickte ich. „Durch eine Muskelerkrankung, die ich von meinem Großvater geerbt habe, sind beide meiner Beine gelähmt. Seine Muskelerkrankung kam durch-“ Ich stockte kurz, bevor ich schluckte und weitersprach: „Die Muskelerkrankung kam durch einen Krebs, der sich in einen Tumor verwandelt hatte und sich im Gehirn verankerte.“ Die letzten Worte flüsterte ich nur. Ich habe momentan den selben Krebs, den er vor dem Tumor hatte. „Ich sitze eigentlich seit ich geboren bin, im Rollstuhl“, presste ich noch hinter her. Sprachlos sahen mich Frau Stern und Frau Wonnegau an.
„Das ist ja... mein Beileid Lukas“, flüsterte Frau Stern, den Tränen nahe. Ich nickte nur. Zu sehr war ich in der Vergangenheit gehalten. „Willst du mit uns kommen, zu deinem Saal?“ Auch Frau Wonnegaus Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Mutig hob ich meinen Kopf und blickte zu den unzähligen Türen. Aus einem Korridor der Rechten Seite kam Sandro zurück. Er wirkte sichtlich angespannt und genervt.
„Das ist euer Klassensaal“ , sagte Frau Stern und deutete auf die Zartrote Tür. Ich hatte sofort einen Kloß im Hals, den ich tapfer versuchte runter zu schlucken. Als unsere Klassenlehrerin die Tür aufmachte, rannten alle auf die Plätze, dass konnte ich sehen. Als Sandro und ich folgten wurden wir angestarrt. Besser gesagt, ich wurde angestarrt. Von allen Seiten.
Sofort setzte Getuschel ein, doch ich hatte mir ein Ziel gesetzt, mit dem Wunsch, normal zu werden. Und das war ich nun auch ein stückweit.
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Wenn aus Mobbing Respekt wird... || Londro
FanfictionLukas bekam schon immer Privatunterricht. Manchmal wünscht er sich aber einfach nur, auf eine echte Schule zu gehen, an der Menschen in seinem Alter unterrichtet werden. Doch, es gab ein großes Problem. Lukas hatte von seinem Großvater eine Muskeler...