MuF

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Es war dunkel, laut und unfassbar verraucht in dem kleinen Club und Laura wusste nicht mal mehr, warum sie ihrer Freundin Caro vor ein paar Stunden zugesagt hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass besagte Caro gefährlich die Augenbraue hochgezogen hatte und sich dann beschwert hatte, dass sie und ihre Mitbewohnerin, in dem Falle Laura, so gut wie nie feiern gingen. Und als sich Caro dann bockig mit einer Flasche Wein auf die Couch geschmissen hatte, schlich sich Lauras schlechtes Gewissen an. Also hatte sie ein angepisstes „Ja gut, dann gehen wir eben ins Musik & Frieden" in den Raum gemurmelt und war dann in ihr Zimmer entschwunden um sich fertig zu machen. Ein kurzes Quieken war noch aus der Küche zu hören (und ja, sie hatten eine Couch in der Küche) und dann flitzte auch Caro in ihr Zimmer.

Und jetzt, drei Stunden später, waren sie hier und Laura hatte jetzt schon keinen Bock mehr. Von ihren Rückenschmerzen ganz zu schweigen. Während ihre blonde beste Freundin also auf der Tanzfläche fast ihr Bier beim Tanzen verschüttete, saß sie in einer der Sitzecken und beobachtete die Leute. Kurz überlegte sie, ob Caro es merken würden, wenn sie jetzt aus dem Club abhauen und zur Oberbaumbrücke laufen würden um sich dort den nahenden Sonnenaufgang anzugucken, aber schnell verwarf sie den Gedanken wieder. Sie war eben eine loyale Seele.

Während der DJ der #GönnDir Party von 90s auf HipHop wechselte und somit sofort „Collard Greens" von Kendrick Lamar und SchoolBoy Q auflegte nahm Laura einen Schluck ihres mittelmäßig gemischten Gin Tonics und freute sich über den Song. Caro hatte das natürlich auch bemerkt und winkte ihre Freundin zu sich rüber. ‚Na gut', dachte sich Laura und begab sich auf die Tanzfläche. Alles für Kendrick. Als nach dem Lied dann allerdings wieder etwas ihr unbekanntes lief ging sie wieder zu ihrem Platz. Ab und an funkelte sie einen Typen böse an, wenn er auch nur versuchte sich ihr zu nähern. Sie hatte einfach keinen Bock auf diese langweiligen Partybekanntschaften, die einen nach einer heißen Nacht wieder vergessen hatten.

Genervt lehnte sie ihren Kopf an die Ledercouch und schloss die Augen. Plötzlich ging das Sofa neben ihr ein Stückchen runter, allerdings hatte Laura keinen Bock die Augen zu öffnen.

„Du siehst aus, wie ich mich fühle!" rülpste der Fremde sie beinahe an und im nächsten Moment hörte man das typische Klacken eines Feuerzeugs. „Was willst du?" fragte Laura den Unbekannten. „Das gleiche wie du: meine Ruhe! Keine Sorge ich bin nicht hier um dich anzumachen..." antwortete er eben so kühl und rauchte in Ruhe weiter. Beinahe überrascht öffnete Laura die Augen. Still beobachtete sie den Typen neben sich. Dünn, blass, stoppelige blonde Haare und blaue Augen, welche von tiefen Augenringen verziert wurden. Definitiv nicht ihr Typ, aber da er ja auch kein Interesse hatte, spielte das Ganze eh keine Rolle. Durch seinen ausgeblasenen Rauch musste Laura kurz husten. Eigentlich war sie selber Raucherin, aber hier drin vermischten sich Kippen mit Gras und komischem Nebelmaschinenrauch. Der junge Mann neben ihr, den sie übrigens auf Mitte 30 schätzte, bemerkte ihre geschwächte Lunge und drehte sich zu ihr. „Ich hab den Schlüssel zum Dach, brauchste frische Luft?" fragte er so, als würde er dieses Angebot jedem hier machen. Da Laura eh alles zu nervig war hier unten nickte sie bloß und erhob sich dann mit ihrem Gin Tonic von der Couch. Schnell nickte sie Caro zu, die ihr einen überraschten Blick zuwarf. Caro wusste genau, auf was für einen Typ Laura stand und selbst, wenn sie den jungen Mann nur von hinten sah: das war er nicht!

„Soll ich mitkommen?" brüllte sie ihrer Freundin also über die Musik zu und Laura schüttelte nur beruhigend den Kopf. Der Fremde wirkte nicht wie jemand, der junge Frauen auf das Dach entführte und ihnen dort zu nahe kam. Außerdem war er kaum größer als Laura selbst. Lauras Verdacht bestätigte sich, als die Beiden nach einer kurzen Fahrstuhlfahrt auf dem Dach des hohen Hauses ankamen und er sich einfach erneut eine Kippe anzündete.

„Ich bin übrigens Nico." sagte er und guckte Laura abwartend an. „Laura und danke für die frische Luft." lächelte sie höflich zurück. „Keine Ursache, hab das auch mal kurz gebraucht. Die Scheiße da unten war mir zu nervig und meine Ex ist auch da. Hab ich ja gar keinen Bock drauf!" Laura nickte nur, weil sie nicht wusste was sie darauf jetzt antworten sollte.

„Also Laura, was treibt dich hier her? Ne warte, ich will raten. Blondie da unten hat dich gegen deinen Willen mitgeschleift und das wahrscheinlich nicht zum ersten Mal?" grinste er jetzt frech und zog erneut an seiner Kippe. Nun musste Laura auch schmunzeln. „Ganz recht. Und Blondie ist auch gleichzeitig meine beste Freundin und Mitbewohnerin." „Bist wohl auch nicht so der Hip Hop Fan oder wie?" fragte Nico und guckte dann Richtung Oberbaumbrücke. „Doch schon. Kendrick, Kanye... alles schon mein Ding, aber hatte heute einfach keine Lust." Nico nickte zwar, aber seine Stirn legte sich merklich in Falten. „Aber Deutschrap scheinste nicht zu hören oder?" Langsam kam sich Laura vor wie in einem Verhör. „Ne nicht wirklich." Nico nickte beinahe beruhigt und nahm dann einen Schluck von Lauras Gin Tonic. „Und was machst du so beruflich?" fragte er und drehte sich wieder zu ihr. „Ich bin Krankenschwester. Sogar hier in Kreuzberg! Und du?" Nico räusperte sich kurz. „Ich darf Leuten meine Meinung aufdrücken und bekomme dafür Geld." „Also Politiker?" hakte Laura lachend nach, weil sie sich diesen schmächtigen Typen nicht in irgendeiner Partei vorstellen konnte. „Ja so ähnlich." wich Nico geschickt aus. Gerade als Laura nochmal nachhaken wollte, klingelte Nicos Handy. Er zuckte entschuldigend mit den Schultern und nahm ab.

„Ja Tarek?" ... „Morgen?" ... „Kann ich jemanden mitbringen?" ... „Okay bis dann!"

„Das war mein Bruder Tarek. Der schmeißt morgen eine gemütliche Runde auf seiner Dachterrasse. Willst du mitkommen? Blondie darf auch dabei sein!" fragte Nico und drückte seine Kippe am Geländer aus um sie dann vom Dach zu schnipsen.

Etwas überrumpelt nickte Laura. „Ich weiß ich hab gesagt ich mach dich nicht an, aber dafür bräuchte ich deine Nummer, damit ich dir die Adresse schicken kann!" Erneut nickte Laura und sagte ihm dann ihre Nummer an.

„Gut dann sehen wir uns morgen. Bis dann, Laura!" Sie konnte nicht mal richtig reagieren, da war Nico schon vom Dach verschwunden. Laura warf einen Blick auf ihre Uhr. 4:45 Uhr. Wenn sie morgen auch nur ansatzweise wach auf dieser Party auftauchen wollte, müsste sie Caro jetzt zum Gehen überreden. Als Laura runter in den Club kam saß Caro an der Bar und exte gerade eine Gisela.

„Ein Glück bist du wieder da. Ein Typ hat mich gerade mit ‚Bis morgen, Blondie' verabschiedet. War das deiner?"


Schampus und KoksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt