Ebene? So wie Gerade?

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Der nächste Morgen begann für Laura mit einer ausgiebigen Dusche und dem Vorbereiten des Frühstücks, für welches sie extra frische Brötchen gekauft und Orangensaft gepresst hatte. Mit Caro war noch nicht zu rechnen. Laura gab sich extra Mühe, da sie wusste, dass es ein Stück Arbeit sein würde die Blondine wach und zu dieser Party überredet zu bekommen. Nicht, weil diese Partys nicht mochte, sondern weil sie vermutlich mit einem fettem Kater und nach Rauch stinkend in ihrem Bett lag und gleich der übliche schmerzhafte Schrei durch die Wohnung ziehen würde. Und Tatsache: gerade als Laura den zweiten Eiskaffee auf dem Tisch abstellte stöhnte es laut und leidend aus dem hinteren Zimmer der mittelmäßig großen WG. Schnell eilte Laura ins Bad, band sich fix ihre braunen Haare zu einem wilden Dutt und schnappte sich dann zwei Aspirin aus einem der Fächer. Als sie wieder in der Küche ankam, saß dort schon eine stinkende, verstrubbelte Caro mit Augenringen bis zu den Knien.

„Fuck!" murmelte die bloß und massierte ihre Schläfen. „Ich sag jetzt nix dazu! Hier..." antwortete Laura und legte ihr die zwei Aspirin hin. Caro wusste genau, dass mit Mitleid nicht zu rechnen war, aber sie hatte sich das ja auch selbst zuzuschreiben. Also akzeptierte sie ihr Schicksal und exte zwei Gläser Wasser mit Aspirin.

„Ich würd sagen: ruhiger Tag mit Netflix und Lieferando?" fragte sie dann schob sich noch den Eiskaffee mit einem Zug in den Rachen. Laura hob eine Augenbraue und trauerte dem Eiskaffee hinterher nur um sich dann kurz zu räuspern und ruhig weiterzusprechen – bei Verkaterten muss man eben vorsichtig sein.

„Naja was das angeht... Erinnerst du dich noch an den dünnen Typen mit dem ich kurz weg war?"

„Ja das war ja eh so eine Aktion, seit wann stehst du denn auf solche blassen Lauchs?" fragte Caro verwundert und fing an wählerisch ihr Brötchen zu belegen. Da Laura gerade mal kurz die vollkommene Aufmerksamkeit ihrer besten Freundin brauchte, riss sie ihr das halbgeschmierte Ding aus der Hand und guckte Caro tief in die Augen.

„Ich steh schon mal gar nicht auf den. Er heißt Nico, ist krass nett und hat uns beide heute, um genau zu sein in 5 Stunden, zu einer Dachterrassen-Party bei seinem Kumpel eingeladen! Also kannste dich nach dem Frühstück sofort mal um deine Augenringe kümmern!"

„Du hast so Glück, dass es Konterbier gibt und ich immer bereit für eine gute Rooftop-Party bin. Wissen wir denn wie seine Kumpels aussehen?" frech grinsend schnappte sich Caro ihr Brötchen wieder und ließ Laura etwas überrascht zurück. So schnell hatte sie nicht mit einer Zusage gerechnet.

„Naja also er ist sowas wie ein Politiker, hat er gesagt. Also hab ich keine Ahnung." Ahnungslos zuckte sie mit den Schultern und nahm einen Schluck aus ihrem Eiskaffee, der im Vergleich zu Caros noch fast voll war.

„Politiker? Na dann ist Gysi besser auch eingeladen!" lachte Caro und ging ins Bad um zu duschen.

Drei Stunden später standen die Mädels frisch rasiert und top gekleidet auf dem Balkon und rauchten noch eine zur Beruhigung. Warum sie so nervös waren wussten sie selbst nicht, aber sie hatten ja auch keine Ahnung was auf sie zukam. Nach einer weiteren Stunde die mit dem letzten Schliff und einem Gläschen Sekt gefüllt war, machten sich die Damen auf den Weg zu der Adresse, welche Nico Laura ohne weitere Kommentare per SMS geschickt hatte. Das Haus war nicht weit entfernt von der WG , allerdings war ein Stop am Späti noch vorgesehen. Man wollte ja nicht mit leeren Händen ankommen, wenn man schon einmal eingeladen wurde. Als die Beiden an der Kasse standen und gerade für zwei Saure Kirschen, zwei Flaschen Wein, eine Flasche Jägermeister, eine Flasche Vodka und eine Packung Klopfer bezahlen wollte, wurden sie vom Späti-Verkäufer kritisch beäugt. „Keine Sorge, das schaffen wir schon!" zischte Caro und riss dem verwirrten Mann die Tüte aus der Hand. Laura knallte einen 50 Euro Schein auf den Tresen und folgte ihrer etwas kleineren Freundin. Man könnte jetzt meinen, dass die Anzahl an Getränken etwas übertrieben schien, aber im Nachhinein haben die Mädels alles richtig gemacht.

Kurz vor 18 Uhr erreichten die Beiden das Wohnhaus in einer der schöneren Straßen Kreuzbergs. Wenn man ganz genau hinhörte erreichte einen vom Dach aus schon lautes Gelächter.

„Hat dieser Nico vielleicht auch einen Nachnamen mitgeschickt oder müssen wir uns durchklingeln?" fragte Caro ungeduldig und las das Klingelschild durch als würde sie dadurch wissen wer es war.

„Ebéné." Las Laura die Nachricht von Nico laut vor. „Ebene? So wie Gerade? Ah Tatsache hier ist er..." Eh Laura überhaupt nochmal durchatmen konnte, drückte Caro schon den Knopf. Und das auch gleich mal für geschlagene 20 Sekunden durchweg. Ungefähr eine halbe Minute später knisterte es in der Sprechanlage. „Wer?" Aufgrund der etwas unfreundlichen Begrüßung konnte Laura ihre Zunge nicht zügeln und rief ein simples „Wir!" zurück. „Witzig! Mal im Ernst wer ist da?" man konnte hören, dass der Mann an der Gegensprechanlage schon ein bisschen angetrunken und sehr amüsiert über die freche Antwort war. „Caro und Laura! Nico hat uns eing-..." Laura konnte nicht mal aussprechen, da surrte die Tür auch schon. Zum Glück der Frauen befand sich am Ende des Ganges hinter der Tür ein Fahrstuhl. In der fünften Etage angekommen stand eine der zwei Haustüren offen und dahinter war laute Musik zu hören. Vorsichtig schob Laura die Tür auf und wollte sich gerade zu Caro umdrehen, um ihr ein paar Flaschen abzunehmen, da sprang plötzlich etwas an ihrem Bein hoch. Überrascht quietschte sie auf und streichelte dann kichernd über das weiche Köpfchen des Continental Bulldog, welcher sich anscheinend sehr über den Besuch freute  um sich direkt danach zu ihm herunter zu bücken. Caro presste sich derweil an den Beiden vorbei und schaute sich neugierig in der großen hellen Wohnung um.

„Na Kleiner, wie heißt du denn?" fragte Laura entzückt den aufgeregten Hund, der jetzt auf dem Rücken lag und sich zufrieden auf dem Teppich rollte.

„Dino!" warf eine tiefe Stimme ein und in dem Moment trat ein großer breitgebauter Mann aus der angrenzenden Küche. In seiner einen Hand eine Flasche Bier, die andere Hand in seiner Hosentasche. Schnell stand Laura auf und mustere ihn genauer. War Nico definitiv nicht ihr Typ gewesen: er hier war es eindeutig!

„Er heißt Dino, ich heiße Tarek. Willkommen in unserer Männer-WG!" stellte er sich grinsend vor und streckte ihr seine große Hand entgegen. Laura schluckte und bekam plötzlich kaum noch ein Wort heraus. Ein Glück war Caro ja noch anwesend. „Das ist Laura und ich bin Caro. Sie hat Nico gestern im Musik und Frieden kennengelernt und jetzt sind wir hier. Wohin mit dem Alkohol?" laberte die auch gleich los. Mittlerweile hatte Laura es auch mal geschafft seine Hand zu schütteln. Tarek antwortete Caro zwar, jedoch wich sein Blick und das dazugehörige freundliche Lächeln nicht von Laura.

„Das kannst du gleich so mit aufs Dach nehmen. Einfach hier raus auf den Vorbau und dann die Leiter links hoch auf die richtige Terrasse!" Caro nickte und ließ die Beiden dann alleine, wofür Laura sie innerlich verfluchte. Jetzt stand sie hier in dieser Wohnung ganz alleine mit einem der wahrscheinlich schönsten Männer Berlins. Gerade als sie wieder etwas sagen wollte zog es plötzlich ganz komisch an ihrer Wade und eh sie realisieren konnte was passierte hatte ihr Tareks Hund auch schon eine fette Laufmasche in die Strumpfhose gebissen und rannte gerade mit seinem Stück Stoff davon.

„Oh man, Dino! Ich dachte wir hatten gesagt, dass wir einen guten Eindruck hinterlassen?" motzte Tarek den Hund an und guckte dann wieder entschuldigend zu Laura. Die winkte nur ab.

„Wo genau ist denn dein Bad? Ich fürchte ich muss sie jetzt ganz ausziehen."

„Ja natürlich ähm hier lang bitte." Tarek kratzte sich nervös am Nacken während er Laura durch die große Wohnung führte. Als sie dann nach drei Minuten wieder aus dem Bad kam und sich reichlich nackt fühlte ohne ihre Strumpfhose, stellte sie überrascht fest, dass Tarek im Wohnzimmer auf sie gewartet hatte.

„Dann lass uns mal hoch gehen!" meinte er nur und erhob sich von der Couch um Laura Vortritt zu gewähren. „Vielleicht solltest du lieber vorgehen...das Kleid und die Leiter..." in legasthenischen Gesten deutete Laura zwischen ihrem Kleidungsstück und der Leiter hin und her und Tarek verstand sofort. Oben angekommen reichte er ihr ganz Gentleman die Hand und Laura konnte zum ersten Mal einen wunderschönen Blick auf Berlin erhaschen.

„Hey Tarek, stell uns deine neue Schnecke doch gleich mal vor!" grölte es von der anderen Seite der Dachterrasse und als Laura die chaotische Gruppe sah, wusste sie dass das hier alles kein legales Ende nehmen würde.


Schampus und KoksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt