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„Menschen interessieren mich nicht",  murmelte er und zog an seiner Zigarette.

Ich hustete demonstrativ.

„Wirklich? Ich habe eher das Gefühl, sie wollen mich provozieren!", erwiderte ich und blickte ihn an.

Er blies den Rauch aus und schaute aus dem Fenster.

„Warum sind sie zu mir gekommen?", hakte ich weiter nach.

„Ich bin in einem Alter, wo es gut wäre, langsam mal Buße zu tun. Ich bin aber nicht gläubig, also blieben nur sie", murmelte er in Richtung der abendlichen Skyline von Hannover.

„Wenn sie nicht glauben, dann glauben sie auch nicht an das Paradies. Wozu dann beichten?", wunderte ich mich laut.

Nun schaute er mich doch an und zog die Augenbrauen hoch.

„Das ist aber keine gute Kundenpolitik. Wollen sie mein Geld, oder nicht?"

Ich seufzte und hielt seinem eisblauen Blick stand.

„So nötig habe ich es nicht, dass ich mir freiwillig mein Büro vollqualmen lassen und mir Geschichten eines Misanthropen anhören muss!", entgegnete ich barsch.

„Ich bin kein Misanthrop." Er lächelte mild. „Ich empfinde nur einfach nichts. Außer, wenn...ich jemandem Gewalt antue."

Mein Herz begann, schneller zu schlagen und ich dachte daran, auf den Hilfeknopf zu drücken. Doch er drückte seine Zigarette aus und fuhr fort: „Okay, ich werde ihnen versprechen, dass ich hier nicht mehr rauche. Aber ich kann sie in keiner Weise vor dem schonen, was in mir vorgeht, dafür bezahle ich sie ja."

Ich verzog das Gesicht.

„Herr Burmeister, wenn sie irgendetwas getan haben, was gegen das Gesetz verstößt...", begann ich und versuchte, ihn dabei ernst anzublicken.

Es fiel mir schwer. Wegen dieser verdammten Neigung, die mich dazu verleitete, sich Männern wie ihm über die Knie werfen zu wollen! Ich sah mich darauf liegend, mit geflochtenen Zöpfchen und Faltenrock, entblößtem Gesäß und den Abdrücken seiner Hand darauf. Und das war nicht gerade hilfreich für diese Beziehung! Er grinste und erwiderte: „Was würden sie tun, wenn es so wäre? Mich verpfeifen?"

„Ich muss es tun. Tut mir leid, da hilft auch die Schweigepflicht nicht, wenn ich drohende Gefahr für sich selbst oder andere erkenne", antwortete ich wahrheitsgemäß.

Er lachte leise und holte die Packung Zigaretten aus der Brusttasche seines Jacketts. Doch dann besann er sich und steckte sie wieder zurück.

„Sie wissen, wer ich bin?", fragte er.

„Ich habe von ihnen gehört." 

„Dann wissen sie, dass sie mir nichts anhaben können. Ich habe einflußreiche Leute hinter mir, die sie mit Vergnügen zurück in die Gosse schicken, wenn sie mir quer kommen."

„Was?", japste ich und starrte ihn ungläubig an.

Burmeister fuhr eiskalt fort: „Glauben sie, ich informiere mich nicht über die Person, der ich mein Leben anvertrauen werde? Ich weiß, dass sie auf dem zweiten Bildungsweg zu ihrer Psychologendiplom gekommen sind. Sie waren eine popelige Krankenschwester, deshalb sind sie auch schon älter. Was ich bevorzuge, da sie mir so nicht gefährlich werden können."

„Da fühle ich mich ja wirklich erleichtert!", gab ich spitz zurück. „Und was heißt popelige Krankenschwester, wissen sie eigentlich, was wir tun?"

Mein Magen brannte und ich war stinkwütend! Natürlich tat ich nach außen hin cool, er sah es hoffentlich genauso wenig, wie mein heimliches Anhimmeln. Der grauhaarige, schlanke Mann antwortete: „Vielleicht weiß ich das. Aber wie gesagt- es ist mir völlig egal. Ich will hier meinen Ballast loswerden, mehr nicht."

Lieber Frank,Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt