Die Woche verging wie im Fluge und am Donnerstag sagte Burmeister ab. Ich wußte nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Nein, ich war furchtbar enttäuscht und hörte dem depressiven Klienten, der nun vor mir saß, kaum zu. Doch so konnte es nicht weitergehen! Ich zwang mich, konzentriert zu bleiben. Immer wieder musste ich an Frank Burmeister denken und daran, wie heftig ich gekommen war, als ich mir vorgestellt hatte, ich sei das süße Mädchen gewesen, dem er Gewalt angetan hatte. Doch er war in meiner Vorstellung so alt gewesen, wie er jetzt war, es gab mir nichts, von einem Fünfzehnjährigen zu träumen!
„Können sie mich vielleicht morgen früh sehen?", schrieb er plötzlich.
Mein Herz klopfte schneller. Und mein Plan war voll! Ich wartete, bis die Stunde mit dem anderen Klienten um war und antwortete:
„Leider habe ich morgen nur bis um 13 Uhr Sprechstunde und bin komplett ausgebucht. Wir sehen uns Montag."
FB: „Würden sie gegen Aufpreis Überstunden machen?"
Ich seufzte. Geld regiert die Welt!
„In Ordnung. Aber ohne Aufpreis. Sondern weil ich das Gefühl habe, sie benötigen Hilfe und mögen es nicht zugeben."
Hm, nun kam erst einmal nichts, nur der nächste Klient. Ein Junge, der einen Selbstmordversuch hinter sich hatte. Bei ihm blieb ich sehr konzentriert, hatte mein iPhone weg gelegt. Kaum war er aus dem Büro, schaute ich jedoch darauf.
„Morgen, siebzehn Uhr", hatte er geschrieben.
„Sorry, da ist mein Büro schon abgeschlossen und das Gebäude darf am Freitag nach sechzehn Uhr nicht mehr betreten werden."
FB:„Idiotisch. Dann kommen sie zu mir. Ich werde sie als Geschäftstermin eintragen lassen."
„Gut. Bis morgen."
Ziemlich gefährlich, aber das Kribbeln im Bauch war unbezahlbar! Am nächsten Tag zog ich ein kurzes Kleidchen an und stylte mich extra-mädchenhaft. Den Vormittag über war ich total hibbelig und ignorierte meine Emanzenstimme, die meinte, ich sollte den Termin absagen. Um ihm zu zeigen, dass ich nicht nach seiner Nase tanzen würde. Außerdem sollte ich diesen Chauvi ein für alle Mal vergessen! Am Nachmittag kaufte ich ein und telefonierte mit meiner besten Freundin in der Heimat. Ich vermisste sie total. Hatte ihr nie erzählt, dass ich immer noch an diesen Kerl dachte und warum ich ausgerechnet nach Hannover gezogen war. Natürlich hatte ich nun ein schlechtes Gewissen, doch sie würde nur versuchen, meiner Emanzenstimme beizustehen. Beinahe hätte ich die Zeit vergessen, zum Glück schrieb Burmeister mir kurz vor Fünf, ob ich auch um halb sechs könnte. Ich atmete erleichtert auf und bejahte dies. Dann fuhr ich in meinem Smart zu dem riesigen, todschicken Firmengebäude und meldete mich an. Ja, hier wurde noch gearbeitet.
„Herr Burmeister hat sein Büro im vierten Stock, gegenüber der Geschäftsleitung", erklärte der Typ am Empfang.
Er musterte mich und fragte sich wohl, was der Burmeister mit mir für Geschäfte machen würde. Ich lächelte ihn freundlich an und stiefelte los. Ab in den gläsernen Fahrstuhl und dachte daran, dass der perfekt für meine Angstpatienten wäre. Mein Herz klopfte schnell, als ich im Vierten ausstieg und den Schildern folgte. Auch hier war alles topmodern und verglast, sodass ich Frank Burmeister's Vorzimmerdame vom Flur aus beobachten konnte. Sein Büro war mit einem Sichtschutz ausgestattet. Ich klopfte trotzdem und die Blondine hob missmutig den Kopf. Sie sah müde aus.
„Hallo, ich bin Anne Evers", begrüßte ich sie lächelnd.
„Ich weiß", brummte sie. „Nehmen sie Platz, er ist noch nicht soweit."
Ich nickte. Nun, für eine Sekretärin war sie ziemlich unfreundlich! Ich holte mein iPhone raus und beantwortete ein paar Mails. Dann las ich noch ein wenig für meine nächste Prüfung. War so konzentriert, dass ich erschrak, als ich laute Stimmen hörte. Burmeister verabschiedete einen dicken, rotwangigen Kerl, der ihm auf die Schulter klopfte.
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Lieber Frank,
أدب نسائيich habe keine Ahnung, was damals passiert war und vor allen Dingen, warum es jetzt meinen Geist dermaßen besetzt, dass ich alles nach Zeugnissen dieser Zeit absuche. Vergebens. Alles, was ich habe, ist ein kurzer Eintrag in meinem Tagebuch, in dem...