Prolog: Unerwartetes Wiedersehen mit der Dunkelheit

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Prolog: Unerwartetes Wiedersehen mit der Dunkelheit

Während andere, egal wie alt oder jung sie sein mochten, verzweifelt jede Intrige willkommen hießen, nur, um die lang erwartete Aufmerksamkeit und -das ihrer Meinung nach- verdiente Ansehen zu bekommen, war der junge Brite, um den sich folgende Tragödie drehen wird, vollkommen zufrieden mit seinem Dasein als Schatten. In einer Großstadt wie London, in der niemand Zeit hatte und jeder hektisch versuchte irgendwohin zu gelangen, sodass die eigene Familie weiterhin wohlhabend war, wie der gutaussehende Mann im schwarzen Anzug, der gerade an Dan vorbei rannte, viel zu eilig unterwegs, um die warmen Sonnenstrahlen, die seit Monaten von den Engländern vermisst worden waren, zu bemerken und ihren Tanz auf seiner blassen Haut zu genießen, oder einfach nur um der Langeweile, die schnell auftauchte, wenn man sich im Bewusstsein, man hätte keine einzige Aufgabe zu erledigen, befand, zu entkommen, war es unmöglich von der bunten, nie stoppenden Menge, die trotzdem ein eintöniges Bild ergab, wenn man sie genauer betrachtete, herauszustechen; denn keiner war einzigartig und es gab jeden in jeder erdenklichen Variation und, wenn jemand Talent, Reichtum und Kreativität besaß, existierten bereits zwölf andere Menschen, die talentierter, reicher und kreativer als derjenige waren; bedauerlicher Weise verhalf auch das beeindruckende Vermögen des 17-jährigen Daniels ihm nicht ins Rampenlicht. 

Die Aussagen: „Das richtige Aussehen, welches du nun mal besitzt, Dan, kann dir so einige Türen öffnen, unter anderem auch die, hinter der teurer Champagne getrunken wird;  von  wichtigen, seit Jahren erfolgreichen Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und gewisse Kontakte zu einflussreichen Menschen pflegen, die offensichtlich in der Lage sind jeden über Nacht bekannt zu machen"  und „Für die Dauer des Ruhmes sind lediglich die eigenen Fähigkeiten ausschlaggebend.", die übrigens von Daniels altem Schauspiellehrer Mr. Kendall stammten, entpuppten sich als absoluter Schwachsinn; nichts als Wunschdenken, als der Angesprochene die schrecklichen Charts heute Morgen beim Busfahren (während er neben einem hübschen, blonden Mädchen gesessen hatte) zu hören bekam. Selbst, wenn diese Faktoren eine Rolle spielen würden, könnte Dan keinen Nutzen daraus ziehen, denn bedauerlicher Weise konnte er seine Schönheit, seine einmalige Ästhetik, nicht wahrnehmen und auch seiner schriftliche Gewandtheit, seine Eloquenz, und mit dem damit verbundenen extraordinären Ideen, die es ihm ermöglichen würden, -wenn er es denn wolle- die grässliche Literatur des 21.Jahrhunderts zu revolutionieren, schenkte er nicht die geringste Beachtung. Für ihn war all dies sinnlos. Seine Mühe war schon immer von Außenstehenden als selbstverständlich gesehen worden; von Anerkennung oder Würdigung keine Rede. Abgesehen davon ging Dan seiner Berufung als Geist mit großer Freude nach und wehrte sich stark gegen die aus Spott statt Bewunderung bestehende Aufmerksamkeit, die man ihm entgegen bringen könnte, stünden seine Werke den anderen zum Lesen zur Verfügung.

Die Leute vergaßen gerne, dass man, wenn man unsichtbar war, mühelos und so dreist, wie nur möglich, andere Menschen beobachten konnte; wie zum Beispiel den beliebtesten Jungen der ganzen Schule, der gerade mit einem breiten Grinsen, -der wahrscheinlich von dem großen Kerl mit den dunklen Wuschelhaaren, der neben ihm herging, verursacht worden war-, auf seinen schmalen Lippen, deren Rosa-Ton ihnen die nötige Zärte verlieh, um bei jedem Mädchen (und sicherlich auch bei allen anderen Lebewesen) das Bedürfnis ihn küssen zu wollen zu erwecken, den Schulhof betreten hatte und nach ein paar Begrüßungen ins Schulgebäude geflüchtet war, um nicht zu spät zu kommen. Dan sollte eigentlich ebenfalls seinem Vorbild folgen und pünktlich zum Englischunterricht erscheinen, aber die gewaltige Menschenmenge vor dem Eingang verursachte ein mulmiges Gefühl in seinem Magen; das erklärte wohl, weshalb er die Lehranstalt umkreiste und durch den Hintereingang den Schulflur, auf dem sich nur ein paar wenige Schüler seines Jahrganges aufhielten, betrat. 

Wenn er es vor dem Klingeln nicht ins Klassenzimmer, welches viel zu nobel aussah und auch zu teure Möbel für eine Schule drin stehen hatte, schaffte, konnte er gleich die ganze Stunde schwänzen. Jede Sekunde Verspätung bedeutete Aufmerksamkeit und seine Abwesenheit konfrontierte ihn mit gar keinem Aufsehen. Die Logik dahinter war einfach und nachvollziehbar: Die Lehrer neigten dazu Dans Namen nicht vorzulesen, da dieser aufgrund seiner Aufnahme nach einem Monat Schulbeginn an letzter Stelle stand und die Pädagogen schon beim Ankommen von der  Gestalt, mit den dunkeln Klamotten und den dunklen Haaren, im hinteren Bereich des Raums Notiz nahmen, sodass ein lautes Nachfragen sich erübrigte; und da keiner „Howell" in dem Mund nahm, drehte sich auch niemand zu ihm um. Ein Ankommen, nachdem die Tür geschlossen war, wäre zu auffällig und außerdem könnten die anderen sich daran ergötzen, wie ihr Lehrer ihn ob seines Zuspätkommens rügte.  

The Tragedy Of The Pretty Boys [Phan]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt