Babylon

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Mit schwingenden Hüften betrat ich die Bühne - und erntete sofort Applaus. Selbstbewusst lächelnd
begann ich meine Hüften zu kreisen und schaltete für einen Moment mein Schamgefühl aus.
„...und das war unsere Angel! Einen Applaus für diese Schönheit!" . Immernoch verklärt lächelnd sammelte ich meinen
BH und die Scheine ein und verließ, nach einem letzten, lasziven, Schulterblick die Bühne. Kaum umfing
mich das Halbdunkel im kleinen Raum hinter der Bühne, verschwand das Lächeln aus meinem Gesicht.
Meine Kollegin und Freundin Lucy, bürgerlich Lucille Baker, hielt mir ein Glas Champagner hin welches ich seufzend annahm.
„Das war gut!" lobte sie mich und ich rang mir doch nochmal, für sie, ein lächeln ab. „Danke, aber ich
gehe jetzt nach Hause. Hab morgen Uni." murmelte ich entschuldigend woraufhin sie verständnisvoll
nickte. Mit einem Blick auf die Uhr an der Wand, verabschiedetet sich Lucy von mir und verschwand auf
die Bühne. Ich hörte Applaus aufbranden und musste kurz schmunzeln. Jetzt hatte sie wohl gerade ihren
BH ausgezogen.
Ja, wir verkauften uns. Setzten unsere Körper den Blicken ganz Gothams aus. Also genaugenommen nur
denen, die bereit waren genug zu bezahlen. Das war nämlich auch das Thema: Geld. Meine Wohnung,
das Studium und Lebensmittel bezahlten sich schließlich nicht von alleine. Nun stand ich hinter der
Bühne, wo es deutlich weniger glamourös aussah als im Teil des Clubs, der für die Gäste gedacht war und
zählte meine Einnahmen. Erleichtert stellte ich fest dass es mehr als genug war um Christian
zufriedenzustellen. Christian, durch den ich erst zum Strippen gekommen bin. Denn als ich vor 3 Jahren
nach Gotham gezogen war um endlich mein Psychologietudium zu beginnen, hatte ich keine Ahnung dass
ich mal unter dem Synonym „Angel" im angesagtesten Stripclub als Star des Abends auftreten würde.
Damals hatte ich gekellnert, bis ich Chris eines Nachts beim feiern traf und er mir eine Angebot machte,
dass damals mein ganzes Leben veränderte. „Du bist hübsch. Hast einen guten Körper. Bei mir könntest
du viel verdienen, Angel.". Das waren seine Worte, die er mir, nachdem wir miteinander geschlafen
hatten, ins Ohr flüsterte. Für kurze Zeit waren wir dann sowas wie ein Paar, bis ich anfing regelmäßig für
ihn zu arbeiten. Lies sich nicht gut vereinbaren. Seit dem war ich also Angel, eine der besten
Stripperinnen im Babylon, einem angesagten Club in dem die Gäste gut zahlten. Hier kannte niemand außer Christian und Lucy meinen echten Namen, Cathryn River, was, wie ich fand, auch gut so war. Es war mir insofern wichtig,
dass ich wohl mein Studium an den Nagel hängen könnte, würde einer meiner Professoren das hier
herausfinden. Daher der Deckname. Und dass mich jemand erkennen würde, hielt ich für
unwahrscheinlich, denn auch ein hochgeschätzter Psychologieprofessor konnte sich das Babylon wohl
nicht leisten.
Inzwischen war ich beim Aufenthaltsraum angekommen, als Christian mir auch schon entgegen kam.
Wortlos reichte ich ihm das Geld. 50/50. Darauf hatten wir uns nach langer Diskussion geeinigt und mir
klar, dass der Großteil meiner Kolleginnen ihm viel mehr geben mussten. Aber er wollte mich
hierbehalten. Ich war gut.
Ich wollte gerade in die Umkleide gehen, als er mich am Arm festhielt und zu sich zog. „Du warst heute gut. Sehr gut sogar." murmelte er während er meinen Körper gierig musterte.
„Danke." antwortete ich kühl und machte mich von ihm los. „Aber ich gehe jetzt nach Hause, muss
morgen früh raus." fügte ich erklärend hinzu und wünschte mir, dass er endlich aufhören würde, auf
meine, jetzt wieder von Spitze bedeckten, Brüste zu starren. „Einige Gäste haben nach dir gefragt:"
antwortete Christian jetzt, ohne auf meinen Einwand einzugehen. Zumindest sah er mir endlich ins
Gesicht. Genervt stöhnte ich auf und warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach halb 1. „Chris,
Morgen gerne, aber ich muss jetzt wirklich ins Bett." sagte ich mit deutlich zickigerem Tonfall. Ich war
hundemüde. Christians Augen blitzten auf. Er hasste es wenn ich ihm Widersprach, was recht häufig
vorkam. Andere hätte er schon längst auf die Straße gesetzt. Trotzig starrte ich zurück. Er nahm mein
Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte mein Gesicht von der einen zur anderen Seite, als würde er seinen Besitz begutachten. Ich schlug die Augen nieder. „Bitte, Chris.." murmelte ich so sexy wie möglich und sah ihn wieder an. Er
knurrte und sein Griff verfestigte sich. „Ist in Ordnung Kleines, aber du schuldest mir etwas!" erwiderte
er heftig und drückte kurz seine Finger zusammen. Ein Warnschuss. Dann lies er mich los. Ich bedankte
mich und zog schnell etwas bequemes und möglichst unauffälliges an, in Gotham sollte man Nachts
möglichst nicht auffallen. Anschließend verließ ich den Club fluchtartig. Auf dem Weg zur U-Bahn
zündete ich mir eine Zigarette an und dachte über das Geschehene nach. Es gab schon immer Machtspiele
zwischen Chris und mir, aber in letzter Zeit war er immer respektloser geworden. Klar, er war sowas wie
mein Chef, wenn nicht eher mein Zuhälter. Trotzdem war ich nicht seine Puppe die tanzte wenn er wollte.
Obwohl, war ich nicht ziemlich genau das?
Vollkommen fertig stieg ich in die Bahn und fuhr die zwei Stationen nach Hause. Dort, in meiner kleinen
Wohnung in Downtown angekommen stellte ich mich unter die Dusche und schminkte mich ab. Das
weiße Spitzendessous, was ich auf der Bühne getragen hatte, warf ich in die Wäsche. In ein großes
Handtuch gehüllt stand ich nun, es war inzwischen halb 2, vor dem großen Spiegel in meinem
Schlafzimmer. Ein blasses Mädchen mit langen, braunen Haaren blickte mir müde entgegen. Ohne das
Make Up fielen auch die dunklen Ringe unter meinen grauen Augen auf. Ja, es war hart Angel zu sein.
Vor allem wenn man bis in die Nacht arbeitete und am nächsten Morgen um 8 im Hörsaal sitzen musste.
Wieder mal seufzte ich auf. Das konnte nicht ewig so weiter gehen. Auf diesen Gedanken hin lachte die
Stimme in meinem Kopf hämisch auf. „Wie kommst du darauf, dass du etwas ändern könntest? Du
brauchst das Geld und Chris wird dich wohl kaum gehen lassen!". Frustriert lies ich mich aufs Bett fallen.
Ich hasste die Stimme dafür, dass sie so schonungslos Ehrlich war.


















you're an angelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt