Kapitel 4

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Yasmin

Aus Nervosität reibe ich mit meinen erwas schwitzigen Händen über meine Hose. Ruhig sitzen kann ich definitiv nicht. Einerseits, weil mein Arsch von gestern noch weh tut und andererseits, weil ich gleich auf die Bühne muss. Unser Musiklehrer besteht darauf, dass jeder Schüler eine Live-Performance auf der Bühne bei Scheinwerferlicht macht. Er lässt die Karaoke-Version, die wir uns ausgewählt hatten, laufen und wir müssen ins Mikrofon singen. Zum Glück aber nur vor dem Musikkurs.

Zu meinem Vorteil nehme ich schon seit ca. 7 Jahren Gesangsunterricht, sonst würde das auch noch eine Blamage werden, welche ich garantiert nicht überleben würde.

Eigentlich habe ich keine Probleme, auf der Bühne vor Anderen zu singen. Wäre da nur nicht ein gewisser Brian Smith auch mit mir im Kurs. Bisher hatte ich ihn noch nie singen gehört. Ich freue mich schon auf seine Performance nächste Woche.

''Miss Bree, Sie können jetzt auf die Bühne!'', informiert mich Herr Krüger.

''Du schaffst das!'', ermutigt mich Sahana, die ihren Auftritt schon letzte Woche hatte. Als Antwort nicke ich nur und steige die Treppen nach oben. Wieder einmal bin ich froh, eine dunkle Hautfarbe zu haben, sonst wäre ich jetzt so rot, wie eine Tomate. Ich höre das schnelle Pochen meines Herzes. Wieso bitteschön bin ich jetzt so nervös?

Ich räuspere mich leise, bevor die ersten Töne der Karaoke starten. Die ersten Linien singe ich fehlerfrei, aber mit leicht zittriger Stimme. Bemüht, nicht zu ihm hinunter zu schauen, lenke ich den Blick auf Sahana, die mich warm anlächelt. Etwas überzeugter und mutiger als zuvor, singe ich die nächsten Strophen.

Leider kann ich es mir aber nicht verkneifen, Brian einen Blick zuzuwerfen. Mit einem neutralen Gesichtsausdruck schaut er zu mir und wippt mit seinem rechten Bein zum Takt des Liedes. Er lehnt sich mach hinten an die Stuhllehne und verschränkt seine Arme hinter seinen Kopf, was einfach nur unglaublich gut aussieht. Seine schönen, braunen Augen verfolgen jede Bewegung, die ich mache. Das hilft mir nicht wirklich, runterzukommen. Mein Herz droht mir aus meiner Brust zu springen, so schnell schlägt es.

Verstohlen sehe ich zu seinen trainierten Armmuskeln, aber wende meinen Blick schnell wieder von ihnen ab. Ablenkung und falsche Gedanken kann ich momentan gar nicht gebrauchen, weshalb ich mich, so gut wie möglich nur noch auf das Singen konzentriere.

Ich lächle erleichtert und mir entflieht ein leiser Seufzer, nachdem ich das Lied ohne irgendwelche Fehler zu Ende gesungen hatte. Leicht schiele ich zu Brian, welcher mich beeindruckt ansieht. Hocherfreut über diese Erkenntnis laufe ich zurück an meinen Platz und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Seinen Blick spüre ich jetzt nicht mehr auf mir. Brians Aufmerksamkeit gilt nun der schüchternen Marie, die gerade die Treppe zur Bühne hinaufsteigt.

Er hatte mich gerade freiwillig angesehen. Naja, ich war zu dem Moment noch im Mittelpunkt, aber trotzdem ist es doch mal was Anderes, als durch einen Zusammenprall oder durch einer peinlichen Aktion seinen Blick auf mir zu spüren.

Zum Glück haben wir diesen Kurs nicht mit den nervigen, kleinen Elftklässlerinnen, denn sie singen alle zugegeben wunderschön. Vor allem ist Maggie für ihre schöne, samtweiche Stimme bekannt. Gibt es überhaupt etwas, was sie nicht kann? Ihr Aussehen gleicht das eines Models, sie ist sportlich, beliebt und klug. Verständlich, dass Brian etwas für ein so talentiertes und hübsches Mädchen übrig hat.

Die Stimme von Herrn Krüger unterbricht meine Überlegungen: ''Ihr dürft nun alle zusammenpacken. Ich entlasse euch heute etwas früher.''

Besser so, dann haben wir halt länger Pause.

Sahana zieht mich an meinem Arm zu sich.

''Hast du seinen Blick vorher gesehen? Also du auf der Bühne warst.''

Stolz grinsend nicke ich. ''Klar, meine Stimme muss man einfach lieben. Kein Wunder, dass er beeindruckt von mir war'', antworte ich ihr gespielt angebend, worauf sie nur kopfschüttelnd lacht.

''Geh du schonmal vor, ich will noch schnell auf die Toilette'', rufe ich ihr beim Weglaufen noch zu.

Ich war in diesem Gebäude noch nie auf der Toilette. Nach etwas längerem Suchen, finde ich endlich die Türen und steuere auf sie zu. Ich lege meine Hand auf die Türklinke und öffne sie. Schnell schliesse ich sie wieder, als ich mehrere Jungs und Pissoirs darin sehen konnte.

Ups.

''Das ist die falsche Tür, Kleine'', ertönt eine raue Stimme von hinten.

Meine Augen weiten sich automatisch und seine schöne, tiefe Stimme verpasst mir eine Gänsehaut. Hoffentlich sieht er es nicht.

''Das ist das Männer-WC''

Boah, hätte ich jetzt nicht gedacht. ''Ich weiss'', antworte ich ihm und drehe mich um.

Seine Augen treffen auf meine. Noch nie konnte ich ihm von so Nahem in die Augen sehen. Wie schön sie sind. Ich könnte sie mir stundenlang ansehen.

''Du bist ganz schön tollpatschig. Streng dein Hirn nächstes Mal etwas mehr an'', unterbricht er mich aus meinen Träumereien. Ich würde Brian am liebsten sein schö... hässliches Grinsen aus seinem Gesicht schlagen. Aber dazu habe ich leider nicht den nötigen Mut.

Bevor ich etwas erwidern kann, kommt er mir zuvor: ''Damit meine ich nicht nur Situationen, wie diese. Anscheinend vertippst du dich am Handy auch das ein oder andere Mal'' Wissend grinst er mich an.

Oh man. Wie peinlich.

Schnell laufe ich an ihm vorbei zur Mädchentoilette und verschwinde hinter der Tür. Tolle Leistung, Yasmin. Das hast du super gemacht.

Du bist so dumm.

Ich verlasse das Gebäude und schaue mich auf dem Pausenhof um. Wo stecken nur die Anderen? Sie müssten schon längst draussen sein, seit ca. 3min ist Schulschluss.

''Da ist sie!'', höre ich jemanden von der Seite flüstern.

Erst jetzt bemerke ich, dass alle Blicke auf mich gerichtet sind. Was ist denn jetzt schon wieder los?

Das nervige Getuschel ignorierend, blicke ich suchend umher.

Ich sehe Selin mir zuwinken und laufe zu ihr. ''Tschüss, bis morgen!'', verabschiedet sie sich und umarmt mich. Da ihr Englischlehrer heute krank ist und der Unterricht ausfällt, kann sie jetzt schon nach Hause. Was für ein Opfer.

''Auf dem Schulhof rummachen ist untersagt!'', kommentiert, wie ich später feststelle, ein Freund von Brian.

''Wir machen nicht rum. Noch nie ein Mädchen, eine Freundin rein freundschaftlich umarmen sehen?!'', motze ich zurück. 

''Hä, ich dachte, ihr seid ein Paar? Seid ihr also doch nicht lesbisch?''

Bitte was?!

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Ich nehme Gesangsunterricht.

Hab letztens im Mc Donald's die Tür der Männertoilette aufgemacht, ups.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 25, 2018 ⏰

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