Kapitel 2

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Yasmin

Nervös kaue ich auf meinem Stift herum und überlege krampfhaft, um das gestern Gelernte wieder in Erinnerung zu bringen und es auf die Prüfungsblätter niederzuschreiben. Ich gehöre leider zu den Personen, die erst einen Tag vorher anfangen zu lernen, da ich genau weiss, dass früher anfangen nichts bringen würde. Ich spreche aus Erfahrung. Trotzdem sind meine Noten je nach Thema ziemlich gut oder eben durchschnittlich.

Verzweifelt lese ich mir die zwei ungelösten Fragen immer wieder durch und ziehe leicht an meinen schulterlangen, schwarzen Haaren. Die Antworten werden mir nicht mehr einfallen, die Prüfungszeit ist sowieso bald zu Ende. Wenn die gelösten Aufgaben stimmen, würde ich locker eine 1,5 bekommen.

Ich starre die Uhr an der gegenüberliegenden Wand an. Noch sechs Minuten. Ich fahre mit meiner Hand über meine Stirn. Der leichte, kurze Schmerz dadurch lässt mich aufzucken.

Ich muss leicht schmunzeln. Meine Gedanken schweifen automatisch zu Brian.

Seufzend stelle ich mir sein makelloses Gesicht vor, welches sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Seine Augenfarbe besteht aus mehreren Brauntönen und leichten, goldenen Sprenkeln. Ausserdem haben seine Augen manchmal einen bernsteinfarbenen Schimmer. Einfach nur ein Traum. Und sein Lächeln...

"Stifte ablegen und sofort alle Prüfungsblätter nach vorne bringen!", ertönt die Stimme unserer Biolehrerin Frau Gratzl, gefolgt von der Klingel.

Schnell verlasse ich den Raum, nachdem ich meine Prüfung abgegeben habe und begebe mich in die Mensa.

"Na, wie hart hast du's verschissen?", fragt mich Vera, die man schon als Musterschülerin bezeichnen könnte. Natürlich war sie wie immer auch auf diese Prüfung gut vorbeitet gewesen.

"Hey! So scheisse war ich nun auch wieder nicht. Ich konnte nur zwei Aufgaben nicht lösen"

Vera und ich gehen mit unseren Sandwiches zu unserem sogenannten Stammtisch. Unser Tisch steht in der Ecke, aber trotzdem noch in der Nähe vom Tisch der Beliebten. Der perfekte Ort zum Stalken.

Nach und nach kommt auch der Rest der Clique an und wir essen nur zu fünft unser Essen, da Selin sich für heute krank gemeldet hatte.

"Leute, Brian ist wieder da! Aber es wird sich gerade herumgesprochen, dass er etwas mit Maggie aus der Elften am laufen hat ", quatscht Leyla direkt los und schaut mich danach entschuldigend an.

Ich verspüre ein leichtes Stechen in meiner Brust, was ich gekonnt ignoriere. Ist ja nicht das erste Mal. Wie ich es hasse, wenn ich wieder mal bemerke, dass er die vielen anderen Mädchen begehrt, mich dagegen aber überhaupt nicht beachtet.

"Ihr glaubt mir nicht, was gestern passiert ist", sage ich ganz cool auf einer Essiggurkenscheibe kauend. Meine Freundinnen schauen mich neugierig an.

"Erzähl", fordert mich die sonst immer sehr ruhige Sahana, auf.

Grinsend fange ich an. "Gestern bin ich wie gewöhnlich nachhause gelaufen, da...", ich merke wie die Blicke der Mädels nicht mehr mir gelten, sondern jemandem hinter mir.

Etwas verärgert drehe ich mich um und sehe wie immer die beliebten und gutaussehenden Jungs sitzen. Neben ihnen jeweils die Clique der Freundinnen von ihnen, die wie auch sonst immer gut aussehen, sogar ohne Schminke.

Ich schaue zum Eingang der Mensa und starre ihn regelrecht an. Er bewegt sich wie ein Gott. Seine Haare sind nicht wie gestern verwuschelt, sondern perfekt gestylt. Sein muskulöser Körperbau wird durch sein enganliegendes, schwarzes Shirt betont, was mich schwer schlucken lässt. Wie es wohl darunter aussieht?

Er setzt sich auf seinen Platz hin und widmet sich seinem Sandwich.

Fuck.

Wie kann ein Mensch bei einer so normalen Tätigkeit wie beim Essen, so attraktiv aussehen?

Ich sollte aufhören zu starren, sonst bekommt es noch jemand mit. Widerwillig richte ich meinen Blick wiedet auf mein halb aufgegessenes Sandwich. Ich schaue auf die Frischhaltefolie, in welcher mein Sandwich eingepackt war und greife nach ihr.

Ich stehe auf und laufe langsam auf den Tisch der Beliebten zu. Ich habe mir extra ein Crop Top angezogen und meine Hose betont meinen Arsch perfekt. Wenn ich schon eine gute Figur habe, wieso dann nicht etwas angeben? Und wer weiss, vielleicht wird mich Brian heute bemerken?

Mein Herz klopft schneller, als ich den Tisch erreiche und im gleichen Tempo an ihn vorbeilaufe.

Okay, vielleicht ist diese Aktion etwas oberflächlich, aber sind wir das nicht alle? Wenn ein Mädchen hässlich ist, würden die Jungs sie auch nicht ansprechen und niemals erfahren, dass ihr Charakter Gold wert ist.

Tut mir Leid, ich bin nur ein verzweifeltes, verknalltes Mädchen, das auch wie jedes andere alles tun würde, um von seinem Schwarm beachtet zu werden. Leider werde ich von meinen Gefühlen geleitet, da mein Gehirn besonders in der Nähe von Brian, unproduktiv ist.

Unauffällig schiele ich zu Brian herüber. Dabei fokussiere ich mich zu sehr auf ihn, sodass ich nicht bemerke, dass sich vor mir auf dem Boden ausgeschütteter Apfelsaft befindet. Ich rutsche aus und falle der Länge nach auf den Boden. 

Scheisse, mein Arsch.

Und mein Ruf.

Ich bemerke die plötzliche Stille in der Mensa und spüre die permanenten Blicke auf mir. Hätte ich eine helle Haut, wäre ich jetzt kreidebleich.

Geile Scheisse.

Ich räuspere mich leise, stehe schnell auf und versuche mein Gesicht vor Schmerzen nicht zu verziehen. So lässig wie möglich, naja die Anderen würden das eher versteift nennen, setze ich meinen Weg zum Mülleimer fort und schmeisse die Frischhaltefolie meines Sandwiches weg.

Allmählich fangen die anderen Schüler wieder an, ihre Gespräche weiterzuführen und schenken mir keine weitere Aufmerksamkeit mehr. Ich laufe wieder zurück und merke seinen Blick auf mir. Meine Augen treffen auf seine und in meinem Hals bildet sich ein Kloss, als ich seine belustigte Miene bemerke. Ich habe mich gerade total blamiert.

Ich unterbreche unseren Blickkontakt und setze mich wieder zurück auf meinen Platz. So habe ich mir das auf jeden Fall nicht vorgestellt. Ich habe die erwünschte Aufmerksamkeit von ihm bekommen, aber jetzt denkt er sicher, dass ich wie ein blinder Fisch in der Gegend herumlatsche.

Sam, die bisher nur still neben ihrer besten Freundin Vera gesessen ist, kann sich ein Grinsen nicht unterdrücken. Leyla dagegen sah mich mitleidig an und strich mir über den Rücken. ''Das wird schon.''

Natürlich weiss ich ganz genau, dass das nicht stimmt, denn so etwas gerät nicht sehr schnell in Vergessenheit. Die Schulklingel lässt mich aufschrecken und zügig in den Lateinkursraum laufen. Diese Doppelstunde wird sowas von schmerzhaft sein.

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Ich liebe Essiggurken, insbesondere in Sandwiches.

Mein Haare sind blaack.✌

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