auf eigene faust

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Die Sonne geht gerade unter. Ich stehe auf einer der verwilderten Ruinen und schaue über die übriggebliebenen Dächer. Die dunkelrote Sonne taucht die Szenerie in ein blutendes Licht, einem Farbton, der einen schaudern lässt. Trotz der ironischen Wärme, die von dem Rot ausgeht, lässt es mich kalt. Es ist wunderschön hier und es lässt mich kalt.

Zitternd, als würde die innere Kälte mein Herz vereisen, verschränke ich die Arme unter meiner provisorischen, von Löchern durchbohrten Jacke. Ich atme tief durch und lasse meinen Blick erneut über das Dorf schweifen. Am Horizont sieht man ein paar Bäume und Felder, soweit das Auge reicht. Plötzlich spüre ich ein Ziehen in der Magengegend. Habe ich Heimweh? Nach einem Ort, den ich niemals kennengelernt habe? Etwas wie Heimat kenne ich nicht mehr. Ich schüttele meinen Kopf, um all die deprimierenden Gedanken loszuwerden und gucke in die Sonne. Sie ist fast untergegangen, als ich beschließe, zum Treffpunkt zu gehen. Schwerfällig setze ich einen Fuß vor den anderen, meine Glieder fühlen sich taub an, dennoch versuche ich, mich an einer unvollständigen Wand herunterzuhangeln. Mein Magen rebelliert kurz und erneut frage ich mich, woher das kommen könnte. Kurz seufze ich und blicke auf, vor mir liegt der Treffpunkt, den Luke und ich ausgewählt haben. Ich warte einige lange Minuten und war gerade wieder in meinen Gedankengängen versunken, als er um die Ecke kommt.

"Du guckst so deprimiert und... introvertiert", bemerkt er augenblicklich.

 "Wirf nicht so mit Fachwörten um dich", erwidere ich und atme durch. Luke zuckt mit den Schultern und schaut mich misstrauisch an. Die Dämmerung hat eingesetzt, wir laufen parallel zur breiten Dorfstraße auf niedlichen Pfaden, die zwischen Häusern entlangführen. Ich hatte Luke aufgetragen, ein paar Waffen zu finden und einzupacken, damit ich mich nicht wieder auf meine Kampfkünste verlassen muss. Den schlechten Witz bemerkend, schmunzele ich und Luke wirft mir wieder diesen Blick zu.

 "Was ist?" schnaube ich, traurig, dass er meine gute Stimmung mit seinem Blick veprügelt hat.

 "Hey, ganz ruhig", sagt er und fügt hinzu: "Ich finde nur, du siehst blasser aus als sonst." Oh, jetzt auch noch frech werden. Mein Gesichtsausdruck reicht als Antwort.

 "So war das nicht gemeint." Schweigen meinerseits.

 "Du siehst aus, als würdest du gleich in Tränen ausbrechen und wie ein deprimierter Teenie über den Sinn der Welt und deiner Existenz trauern." So, das geht nun echt zu weit. Meine Kinnlade klappt herunter und ich starre Luke empört an.

 Bevor ich mich aufhalten kann, rutscht es mir heraus. "Du Arsch", murmele ich und hebe den Kopf. "Was weißt du schon von deprimierten Teenagern?"

Er schaut mich ernst an.

 "Nola", sagt er anschließend und ich fange an zu lachen.

 "Nola kann nichts für ihre Gefühle, also verurteile sie nicht so", bringe ich heraus. "Außerdem kannst du ein Teenager Mädchen nicht als Maßstab für alle missbrauchen."

 Luke schaut mich verlegen an. "Aber sie ist so...so offensichtlich und durchschaubar! Wie kommt das?" Ich schaue ernst zurück.

 "Ich hab echt keine Ahnung", sage ich und wir müssen wieder lachen.

"Okay, back to business", fahre ich fort und ziehe mir die Jacke fester um die Schultern. Der Herbst ist mit großen Schritten unterwegs, uns das Leben schwerer zu machen. Trotzdem liebe ich den Wechsel der Atmosphere, der Farben, der Stimmung. Luke und ich wechseln auf die Hauptstraße, die aus dem Dorf herausführt und folgen ihr so lange, bis wir die Silhouette des nächsten Dorfes wahrnemen können. Es ist ein weiter Weg und wir werden bei einer Begegnung mit Zombies im Nachteil sein. Seit fast einer Stunde sind wir nun schon unterwegs. Es wird langsam dunkel, also ziehe ich meine Taschenlampe aus dem Rucksack und reiche eine an Luke weiter. Er malmt mit seinem Kiefer.

 "Nervös?" frage ich neckend. Das lange Schweigen hat meine Kehle ausgetrocknet und lässt die Frage eher wie ein erbärmliches Krächzen klingen. Ich räuspere mich schwach. Luke grinst.

 "Ein bisschen schon", gibt er zu. "Ich meine, wir waren noch nie hier und Zombies können immerhin viel besser hören und riechen als wir und..." Der Satz bleibt in der feuchten Abendluft hängen. Ich weiß es. Niemand muss es aussprechen. Bei einem Angriff würden wir nicht lange überleben. Luke tritt auf etwas und ich zucke zusammen.

 "Selber nervös", sagt er leise und ich stoße ihm den Ellbogen spielerisch in die Seite. Wir lachen in uns hinein.

 "Na dann", sage ich, als wir endlich vor einem vielversprechend gut erhaltenem Gebäude stehen. "Lass uns hier beginnen."

Wir suchen in etlichen Schränken und Schubladen nach Essen und werden sogar fündig. Am Ende unserer Suche haben wir vier Konservendosen Erbseneintopf und zwei Dosen mit eingelegten Pfirsichen gefunden und verstaut. Ich will uns gerade laut loben, als mir auf einmal übel wird. Der verfaulte Geruch raubt mir alle Sinne und ich falle. Ich weiß, ich sollte aufstehen, wegrennen, kämpfen, doch ich kann mich nicht mehr bewegen. Irgendwo weit entfernt höre ich jemanden nach mir rufen. Verkrampft zwinge ich mich, die Augen zu öffnen und diesen Jemand zu identifizieren. Es ist Luke. Er starrt mich verwirrt und verängstigt an.

 "Sophie! Was soll das?! Los, steh auf, wir müssen hier dringend verschwinden!" zischt er. So habe ich ihn noch nie erlebt. Anscheinend sehe ich nicht aus, als hätte ich den Ernst der Lage erkannt, weshalb er mich kurzerhand vom Boden hochhebt und irgendwohin trägt. Ich weiß nicht wohin. Ich sehe alles verschwommen und auch mein Gehörsinn gibt zeitweise den Geist auf. Ein Durcheinander von verzweifelten Lukes, verzweifelten Schreien meinerseits und verzweifelten  Versuchen, der Benommenheit zu entkommen brechen auf mich herein und ich schließe die Augen wieder. Ich falle weg.

Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich alles scharf. Desorientiert blicke ich um mich und finde mich hinter einem großen Stapel alter Kisten wieder. Neben mir angelehnt sitzt Luke, die Augen im Schlaf verschlossen, seine Lider zucken aufgeregt hin und her. Ich setze mich ächzend auf und merke, dass der üble Geruch verschwunden ist. Es ist noch dunkel, allerdings scheint die Sonne bald aufzugehen, was ich durch eines der leeren Fenster sehe. Wir müssen zurück, sonst bemerken die anderen unser Verschwinden. Was war dieses Black Out von eben? Plötzlich überfallen mich die Magenkrämpfe erneut und zwingen mich, eine gekrümmte Haltung einzunehmen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 11, 2014 ⏰

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