Drei

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FROHE WEIHNACHTEN ALLE!

So, letztes Kapitel. Steinigen könnt ihr mich am Ende.

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„Schon wieder Matt", sagte Loki und kippte Emorias König um. Zum dritten Mal innerhalb einer Stunde hatte er sie geschlagen. „Du bist nicht richtig bei der Sache."
„Wieso?" fragte Emoria. „Sonst verliere ich doch auch immer."
„Aber nicht so schnell" sagte Loki. „Und nicht durch so dumme Fehler."
Er deutete auf das völlig ungeordnete Wirrwarr ihrer Figuren, von denen keine auch nur in der Nähe ihres geschlagenen Königs stand.
Sie seufzte. „Kann sein, dass ich ein bisschen unkonzentriert bin."
„Warum?" fragte er.
Sie zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, ist nur so ein Gefühl. Die Ruhe vor dem Sturm."
Loki sah sie scharf an. „Als du das letzte Mal dieses Gefühl hattest kam jemand um mich zu töten", bemerkte er.
Sie nickte. „Ja, schon. Allerdings glaube ich dass du hier vor Attentätern relativ sicher bist." Sie machte eine ausholende Geste. „Es ist eher... ich bin seit sechs Tagen hier und alles ist ruhig. Vielleicht bin ich das einfach nicht gewöhnt, aber ich habe das Gefühl, es stimmt etwas nicht. Ist es hier immer so?"
„Ruhig?" fragte er und sie nickte.
„Schwer zu sagen, ich weiß ja nicht wirklich was draußen so vor sich geht.", meinte er. „Aber wenn du mir keine wichtigen Informationen vorenthalten hast befinden wir uns derzeit nicht im Krieg. Also vermute ich, es ist alles in Ordnung."
„Hm", sagte Emoria nicht sonderlich überzeugt.
Loki stellte die Figuren neu auf. „Genieße einfach die Ruhe. Und jetzt Konzentration", befahl er.
Sie grinste. „Ja, mein König."
Er nahm den Scherz gelassen hin und sie spielten eine weitere Runde, diesmal war Emoria besser. Es war tatsächlich herausfordernd gegen sie zu spielen. Sie bewegte ihre Figuren scheinbar willkürlich hin und her, was es unmöglich machte irgendeinen Zug vorauszusehen. Natürlich wandte diese Technik im Verlauf des Spieles gegen sie, es war schwer den Überblick zu behalten. Nichtsdestotrotz konnte sie hin und wieder eine seiner Figuren schlagen und selbst das gelang nur wenigen.
Auch diesmal verlor sie, allerdings waren seine Verluste größer, und das Spiel hatte länger gedauert.
„Gut so", sagte Loki zufrieden.
„Freu mich dass ich helfen konnte", sagte sie lachend.
Er stand auf um das Brett zur Seite zu räumen und kam mit einem Krug Wein und zwei Gläsern zurück. Emoria hatte den süßen Geschmack des Asischen Mets zu schätzen gelernt. Loki schenkte aus und setzte sich wieder zu ihr. Sie stießen ihre Gläser aneinander und tranken.
„Darf ich dich mal was fragen?" sagte sie dann.
Er nickte ihr zu.
„Also das beschäftigt mich schon seit meinem ersten Tag. Ylva sagte, sie ist über siebzig, und sie sieht aus wie zwanzig."
Sie brach ab und er sah sie abwartend an. „Das ist keine Frage", meinte er schließlich.
„Ich weiß", sagte sie. „Ich bin mir grade nicht sicher ob das unhöflich ist."
„Das wird dich kaum aufhalten", bemerkte er.
Sie nickte. „Das stimmt. Also was ich wissen wollte: wie alt bist du eigentlich?" Sie sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an.
Er lachte auf. „Das ist in der Tat keine unhöfliche Frage, zumindest nicht hier." Immer noch grinsend nahm er einen Schluck Wein. „Ich bin eintausendsiebenundvierzig Menschenjahre alt", sagte er dann.
Emoria nickte anerkennend. „Wow. Du hast dich gut gehalten."
„Das Leben eines Eisriesen vergeht langsamer als das eines Menschen", erklärte Loki.
„Das mag sein, und das ist auch ganz schön offensichtlich", sagte Emoria. „Aber du bist trotzdem ein alter Mann."
An seinen Augen konnte sie sehen dass er wütend wurde.
„War nur ein Scherz", winkte sie ab. „Es hat mich nur ernsthaft interessiert. 1047. Das ist schon abgefahren."
„Nur im Vergleich zu deiner unbedeutenden Lebensspanne", sagte er.
„Ja vielen Dank auch", sagte Emoria aber sie war nicht beleidigt. Inzwischen hatte sie sich an seine Überheblichkeit gewöhnt. Sie war sogar sicher, dass er es nicht böse meinte, sondern einfach in dem Glauben aufgewachsen war, etwas Besseres zu sein als nur ein Mensch, und sie hielt es für unangebracht ihm dafür die Schuld zu geben. Stattdessen lud sie diese auf Odin, der sich als Sündenbock irgendwie anbot. Es sah ihr nicht ähnlich jemanden zu verurteilen bevor sie sich selbst ein Bild machen konnte, aber ihr schien als hätte der König allein was Loki betraf so viele Fehler gemacht dass sie sich ernsthaft fragte, wie er es überhaupt schaffte über neun Welten zu herrschen.
Diese Frage ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, also beschloss sie, eine Antwort zu suchen.
Nachdem sie wieder zurück in ihrem Zimmer war bat sie Ylva, sie zur Bibliothek zu begleiten.
Die Bibliothek Asgards war beeindruckend, im Laufe der Jahrtausende hatten sich unzählige Bücher angesammelt, und nachdem Emoria davon erfahren hatte sie sofort alles erkunden wollen. Die Zeit hatte nicht gereicht um sich mehr als ein Regal anzuschauen, doch jetzt hatte sie ein Ziel. Ylva kannte sich bestens aus und führte sie ohne Umschweife in eine Abteilung voller Bücher über die Geschichte und Mythologie Asgard. Die meisten waren in Runenschrift, aber inzwischen konnte Emoria sie fließend lesen. Mit Ylvas tatkräftiger Unterstützung suchte sie ein paar Bücher heraus die interessant und hilfreich klangen und trug sie in ihr Zimmer um sie auf dem wachsenden Stapel neben ihrem Bett zu deponieren. Wenn sie sich den Stapel so ansah stellte sie fest, dass sie sich eigentlich ganz wohl hier fühlte. Also ich bleibe gerne länger, dachte sie.
Sie las bis spät in die Nacht, deshalb war sie am nächsten Morgen nicht grade glücklich als Ylva hereinkam. Der besorgte Gesichtsausdruck der Magd vertrieb die Müdigkeit allerdings sehr schnell.
Frigga betrat den Raum.
„Guten Morgen, mein Kind", sagte sie, und sofort fühlte Emoria sich sicherer.
Sie nickte der Königin zu. „Was ist los?" fragte sie dann.
„Er weiß es", sagte Frigga.
„Odin?" fragte Emoria obwohl sie die Antwort kannte.
Frigga nickte langsam. „Es tut mir Leid", sagte sie.
Emoria zuckte die Schultern. „Ist ja nicht Eure Schuld. Was sagt er denn?"
„Er will dich sehen", sagte Frigga.
„Jetzt" setzte Ylva hinzu.
„Ohne Frühstück?" hakte Emoria nach.
Ylva drückte ihr wortlos einen kleinen Bund rote Trauben in die Hand. Emoria sah sie skeptisch an dann zuckte sie die Schultern. „Ja gut. Auf ins Gefecht."
Auf dem Weg in den Thronsaal aß Emoria die Trauben auf. So gestärkt fühlte sie sich befähigt dem König gegenüberzutreten. Und als Frigga ihr über die Wange strich und ermutigend Lächelte war sie sich sicher, dass nichts schiefgehen konnte.
„Ich kann dich nicht hineinbegleiten", sagte Frigga am Tor zum Saal.
Emoria sah sich nach Ylva um, die ihr aufmunternd zunickte.
Dann öffneten sich die beiden Flügel der Tür und Emoria folgte Ylva in den Thronsaal.
Am Ende der Halle saß Odin auf seinem Thron. Der Weg kam ihr lang vor, deshalb zählte sie die Säulen. Diese verdammten goldenen Säulen. Und all dieser Prunk, langsam hing er Emoria zum Hals raus. Auch die Wachen die dazwischen standen fand sie irgendwie überflüssig. Wenn Odin sie damit einschüchtern wollte funktionierte das jedenfalls nicht, viele der Männer kannte sie inzwischen persönlich. Genauso wenig fand sie die imposante Gestalt des Königs auf dem Thron einschüchternd. Sie fand das eher albern. Er hätte sie zu einem Gespräch unter vier Augen bitten können, irgendwo anders, aber er hatte sich entschieden das ganze wie ein Tribunal aussehen zu lassen.
Bitte, dachte Emoria. Wenn du Zeugen willst sollst du sie haben.
Drei Stufen führten zum Thron, etwa fünf Meter davor blieb Emoria stehen. Sie hob das Kinn und sah Odin in die Augen. „Du wolltest mich sehen?"

"Schachmatt"Where stories live. Discover now