Stanley Harper

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„Der Mörder der Bestseller-Autorin Michelle Lerolan ist immer noch auf freiem Fuß. Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe." Seit vier Monaten sorgte diese Schlagzeile für Aufsehen. Wie jeden Morgen saß John Cleaveland am Tisch und hörte sich die Nachricht mit einem fetten Grinsen im Gesicht an. Er genoss es, dass die Polizei keinen Plan hatte und nicht wusste, dass er Lerolan umgebracht hatte. Sie war einfach zu Rot gewesen. Sie war eine Gefahr für die Gesellschaft gewesen, aber niemand würde John zu hören. Die meisten Menschen waren gelb oder grün, klare, helle Farben, und mistrauten denjenigen, die blau waren, eine kalte, traurige, aber vor allem eine einsame Farbe. John kannte nämlich nur einen Blauen und zwar sich selbst. Rote kannte er viele, zwar nicht persönlich, aber es waren hauptsächlich Politiker. Doch das Rot der Politiker war eher ein Orangerot, weshalb John sie in Ruhe ließ. Doch die Farbe der Autorin war ein dunkles Blutrot gewesen. Das konnte er nicht einfach ignorieren. Heute sollte neben ihm ein neuer Nachbar einziehen.

Eigentlich hatte John absolut keine Lust auf einen Nachbarn, aber Abwechslung vom Allein-Sein war ihm auch recht. Er war gespannt auf die Farbe seines Nachbarn, doch erstmal machte er sich an die Arbeit.

Schon nach einem kurzen Fußmarsch war er da. Er setzte sich unauffällig auf eine Bank und schnürte sich die Schuhe enger. In wenigen Minuten sollte auch sein Ziel hier aufkreuzen. Als John mit seinen Schuhen fertig war, stand er wieder auf und griff in die Tasche seines Pullovers. Er tastete nach seiner Ausrüstung. Sie bestand aus einem Klappmesser, Handschuhen und einem Tuch. Danach griff er nach seinem Mp3-Player und den Kopfhörern. Er schaltete den Mp3-Player an, steckte die Kopfhörer an, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und lief los. Nach außen hin wirkte alles so, als würde John einfach nur eine Runde joggen gehen. John lief extra eine etwas größere Runde, um dicht hinter seinem Ziel auf seiner Route anzukommen. Die Strecke, die John lief, führte durch den immer gut besuchten Teil des Parks, in dem der Weg gepflastert war. Aber schon nach kurzer Zeit endete die gepflasterte Strecke und John lief auf einem Schotterweg weiter. Diese Etappe war die Längste der Strecke. Kurz vor dem nächsten Abschnitt kreuzten sich zwei Wege. John war nur noch wenige Meter von der Kreuzung entfernt, als sein Ziel die Bildfläche betrat. Automatisch bildete sich ein Grinsen in Johns Gesicht. Sein Zeitgefühl hatte ihn mal wieder nicht im Stich gelassen.

»Mausgrau wie immer", dachte sich John. Trotz des Drangs Stanley auf der Stelle umzubringen, blieb er ruhig und joggte ihm hinterher. Der 28-jährige ahnte nichts. Er joggte einfach weiter mit seiner eigenen Musik im Ohr. John tat es ihm gleich. Der Schotterweg wandelte sich immer weiter in einen einfachen Trampelpfad. Immer weniger Leute saßen auf den Wiesen, die man durch die Bäume sah. Die Bäume standen, je weiter sie liefen, immer enger aneinander bis man die Wiesen nur noch erahnen konnte und sie schließlich ganz verschwanden. Der Park wandelte sich sanft in einen Wald. Nun waren John und sein Ziel, Stanley Harper, allein.
Nur der Wald umgab sie. John joggte etwas schneller. Dieser Teil des Waldes war nur kurz bevor man wieder durch das Dickicht des Waldes blicken konnte. John musste sich beeilen. Er griff nach den Handschuhen. Leise streifte er sich den einen Handschuh aus Latex über die linke Hand. Eigentlich musste er nicht so vorsichtig sein, denn sein Ziel hörte schließlich Musik über seine Kopfhörer. Doch er wollte diesmal keinen Fehler machen. Vor allem nicht den Fehler, den er bei einem Soldaten vor sechs Monaten gemacht hatte. Der Soldat hatte ihn bemerkt und beinahe John umgebracht und nicht andersrum.

Das sollte nicht nochmal vorkommen. Deshalb wartete er kurz, bevor er sich den anderen Handschuh über die rechte Hand zog. Anschließend holte er sein Messer raus und klappte es auf. John war bereits auf zwei Armlängen an Stanley rangekommen. John machte seine Musik aus und steckte den Mp3-Player mitsamt den Kopfhörern zurück in die Tasche seines Pullovers und holte im Gegenzug das Tuch heraus.

Eine Armlänge. Das Messer, dass er in der linken Hand hielt, nahm er in die rechte und das Tuch in die linke Hand. Direkt hinter Stanley. John hielt seine Hände vor seinen Körper, versteckte damit das Messer und das Tuch und überholte den Mann, der zehn Zentimeter größer war als John. Stanley schaute nur kurz zu John rüber, bemerkte nichts und lief weiter. Abrupt blieb John stehen, drehte sich um, packte sein Ziel an den Schultern und trat ihm die Kniescheiben kaputt. Mit einem lauten Knirschen ging Stanley mit wit aufgerissenen Augen zu Boden. John ging wieder hinter sein Ziel und genoss das das schmerzvoll Ächzen. Er beugte sich zu ihm herunter, legte ihm die Arme von hinten um die Schultern. Das Tuch hielt er unter Stanleys Kinn und mit dem Messerrücken zog er ihm die Kopfhörer aus den Ohren.

Colour of the SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt