Auf dem Flug hatte ich mit niemandem ein Wort geredet und nur aus dem Fenster gestarrt und darüber nachgedacht, was Skye wohl darüber dachte, dass ich wieder in Irland war. Da ich nie auf ihre Anrufe oder Nachrichten reagiert hatte, musste sie mich wahrscheinlich hassen.
Wir landeten nach einer guten Stunde auf einem kleinen Flugplatz. Draußen fuhren vier SUVs auf uns zu und hielten am Rande der Landebahn. Amanda sah sich aufgeregt um und sah nach oben. Graue Wolken zierten den Himmel und ließen es so aussehen, als ob es schon dämmern würde.
»Das nenne ich eine nette Begrüßung«, murmelte Adrian neben mir, als es anfing zu regnen. »Zu schade, dass du kein Wasser kontrollieren kannst.«
Die Wächter sammelten unser Gepäck ein. Als wir alle in den Autos saßen, fuhren wir auch sofort los. Diesmal saß ich alleine auf der Rückbank. Nur die Fahrerin und ein sehr kräftiger Wächter saßen in dem Auto.
»Der Amethyst verlässt den Flugplatz«, sprach die Fahrerin plötzlich und lenkte damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie hielt eine Hand an ihr Ohr und ließ es dann wieder los. Erst dann bemerkte ich, dass sie etwas längliches im Ohr hatte, dass auch etwas über ihre Wange ging. Sie warf mir einen kurzen Blick durch den Innenspiegel zu, bevor sie wieder nach vorne schaute.
Amethyst? War damit etwa ich gemeint? Gehörte das zu den neuen Sicherheitsvorkehrungen oder hatte ich es davor einfach nicht mitbekommen?
Meine Fragen blieb unbeantwortet.
Während wir zum Quartier fuhren, war ich ziemlich froh darüber, dass Amanda nicht neben mir saß. Wenn sie anfangen würde über ihren toten Bruder Josh zu reden, wüsste ich nicht, was ich machen sollte.
Aber wenn sie wüsste, dass die Wächter Josh umgebracht hatten, dann wäre sie mit Sicherheit nicht jetzt hier. Vielleicht hätte sie schon längst die Seiten gewechselt, wer weiß das schon.
Ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe und sah mir Landschaft an. Durch den Regen wirkte zwar alles etwas düsterer, aber immer noch wunderschön. Wir fuhren über mehrere Landstraßen an etlichen Dörfern vorbei. Ich hatte keine Ahnung, wo wir uns in Irland befinden, aber trotzdem wusste ich, dass das hier nicht Dublin war.
Mit Max war ich schließlich schon mal nach Irland geflogen, um Ryan zu retten. Es war eine Ewigkeit her...
Ryan.
Allein der Gedanke an ihn genügte, um den Schmerz wieder zu spüren. Ich hatte so lange wie möglich versucht nicht an ihn zu denken, aber irgendwie tauchte er trotzdem in meinem Kopf auf. Dr. Mason hatte damals zu mir gesagt, dass ich es langsam angehen musste, was meine Heilung anging.
Die ersten Wochen nach Ägypten waren so grauenhaft gewesen, dass ich sie so schnell es ging verdrängte, um sie zu vergessen. Einen Teil der Seele zu verlieren ist mehr, als ein Mensch verkraften kann. Und ihm zu sagen, dass ich ihn liebte, hatte ich viel zu spät gesagt... viel zu spät.
Mein Körper begann zu zucken, als ich an unsere letzten Momente in Ägypten dachte. Die Hitze breitete sich erst langsam und dann immer schneller in meinem Körper aus. Ich verzog schmerzhaft das Gesicht und versuchte mit aller Kraft das Feuer in Schach zu halten.
»Zoey, was ist los?«, fragte die Fahrerin mich sofort, als sie mein Zucken bemerkte. »Dringen sie in deinen Kopf ein?«
Der Schrank von Mann, der neben ihr saß, sah hilflos zu, wie ich mich krümmte und er konnte nichts dagegen tun. Gegen psychische Schmerzen konnte er nichts tun.
Stöhnend legte ich mir die Hände an den Kopf und versuchte bei Verstand zu bleiben. »Nein...«, war das einzige, was ich hervorbrachte.
Meine Hände verkrampften sich, die Narben fühlten sich so heiß an, als ich versuchte sie zum glühen zu bringen. In mir brannte es schon, aber ich wollte, dass eine andere, vertrautere Wärme in meine Hände floss.
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Lost Whisper
Fantasy~~~ Dritter Teil der Whisper-Reihe ~~~ Nach dem Tod ihres Wächters und der Aufdeckung des Verräters versucht Zoey sich mit Aufträgen abzulenken. Gerade, als sie das Gefühl hat, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, wird England von einer Reihe...