Kapitel 22

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 „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Was zum Teufel ist denn los?"

Erics Worte rissen Riley aus seiner Erstarrung. Aber anstatt seinem Kollegen zu antworten, wendete der junge Mann Flame und trieb sie aus dem Stand in einen scharfen Galopp, trieb sie energisch auf die Umzäunung des Reitplatzes zu, welche sie mit einem gewagten Sprung überwanden. Ohne das Tempo zu verringern jagte Rye die Stute weiter vorwärts. Hinaus durch das hintere Tor des Hofes, weg von dem Ankömmling.

Dieser sowie auch Eric starrten dem Reiter hinterher, bevor der Blonde sich aus seiner überraschten Haltung über das seltsame Verhalten Rileys riss und sich dem anderen zuwandte. „Sie müssen das unhöfliche Benehmen meines Kollegen entschuldigen. Kann ich Ihnen helfen?"

Der Angesprochene musterte Eric kurz und wie diesem schien abschätzend. „Ich denke schon. Ich suche Ms Svensson. Wären Sie so freundlich, sie zu informieren, dass ich da bin?"
Eric nickte. „Aber natürlich. Ich bringe Sie am besten zu ihr."
Er schritt an dem dunkelblonden Mann vorbei in Richtung des Wohnhauses, sich immer noch fragend, was dieses untypische Verhalten Rileys zu bedeuten gehabt hatte

Dieser war derweil an dem kleinen See ganz in der Nähe des Hofes angekommen und zügelte die Stute. Er glitt von ihrem Rücken und streichelte beruhigend ihren Hals, obwohl eigentlich er derjenige war, der runterkommen musste. Sein Herz hämmerte wie verrückt gegen seine Rippen und seine Knie waren weich wie Butter. Mit zittrigen Händen zog er die Zügel über den Kopf der Stute und lehnte sich gegen das Geländer des schmalen Stegs, der zu dem zugefrorenen Gewässer führte. Schwer seufzte er und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Warum war ER hier? Warum war ausgerechnet der Visby Stall sein Ziel? Sicher, Johanna und Hermann hatten einen sehr guten Ruf, was Pferdeunterbringung und Training anging. Es war schließlich nicht leicht, etwas Vernünftiges in der Hinsicht zu finden und gute Nachrichten diesbezüglich verbreiteten sich schnell auf einer kleinen Insel wie Gotland. Aber trotzdem!

Riley stöhnte gequält. ER hatte doch seinen eigenen Stall, seine Angestellten, die sich um die Pferde kümmerten. Also warum brachte er seine Tiere hierher, wenn er in Urlaub fuhr, wie Johanna ja angedeutet hatte. Dem jungen Mann war das Ganze ein Rätsel. Jahrelang hatte er Ruhe gehabt vor diesem Menschen und plötzlich stand er wieder vor ihm. In seinem, Rileys, Zuhause. Ohne Vorwarnung. Aber ja, wer hätte ihn auch warnen sollen? Niemand! Denn niemand wusste, was dieser Mann ihm angetan hatte ...

Riley seufzte erneut, bevor er sich von dem Holzgeländer löste.

„Nutzt ja alles nichts. Da muss ich wohl durch", murmelte er zu sich selbst, legte die Zügel wieder über den Hals der Stute und schwang sich zurück in den Sattel. Sich dieses Mal zusammenreißend, trieb er sein Pferd den Weg hinunter.

Immer wieder atmete der junge Mann tief durch und versuchte, das leichte Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bringen, was ihm auch schließlich auch halbwegs gelang. Als er das hintere Tor des Stalles wieder durchritt, hatte er sich und seine Gefühle im Griff. Glaubte er zumindest. Im Schritt näherte er sich dem dunklen Pferdetransporter, auf dessen Seite in rötlichen Buchstaben "Reitstall T. Andersson, Gothem" geschrieben stand.

Auch Eric war die Aufschrift auf dem Anhänger hinter dem Mercedes natürlich aufgefallen und hatte sein Hirn zum Rotieren gebracht. Der Name war nicht so selten hier in Schweden, dass man sich darüber wundern musste, aber war es wirklich ein Zufall? So richtig daran glauben konnte der Blonde nicht. Froh, dass Johanna den Gast entdeckt hatte und zu ihnen herüber geeilt kam, fragte Eric: „Soll ich die Pferde schon mal ausladen, Mister ...?"

„Andersson, Tim Andersson. Und ja, das könntest du tun, Junge. Ich habe nämlich nicht ewig Zeit."
Eric nickte und wandte sich um, jedoch hielt er in der Bewegung inne.
Eine Sache brannte ihm plötzlich auf der Seele und so sagte er: „Ich möchte ja nicht unverschämt erscheinen, Mr. Andersson, aber wenn Sie selbst einen Reitstall haben, dann haben Sie doch bestimmt Personal. Oder sehe ich das falsch?"
Der Angesprochene hob erstaunt eine Augenbraue und musterte den Jüngeren abschätzend. „Ja, das habe ich. Wieso interessiert dich das?"
Sich langsam wieder umdrehend, erwiderte Eric: „Was ich mich frage ist, warum Sie dann Ihre Tiere hier unterbringen. Ob das wohl an unserem neuen Bereiter liegt? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Stall um so viel besser sein sollte als Ihr eigener. Sie sehen wie ein Mann aus, der sich nicht mit halben und schon gar nicht schlechten Sachen zufrieden gibt, denn man hat ja einen Ruf zu verlieren, nicht wahr? Also ist Ihr eigenes Anwesen bestimmt perfekt und eigentlich bestünde keine Veranlassung für Sie, die Pferde quer über die ganze Insel zu karren ... für ein paar Tage."

Fade into DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt