Geschichte Nr. 1

37 1 3
                                    


Ich habe schon oft versucht meinem Leben ein Ende zu bereiten, aber bin (leider?) immer wieder gescheitert. Auf verschiedene Arten versuchte ich mir das Leben zu nehmen. Zugegeben,manche Ideen waren wirklich von Anfang an dämlich.

Aus dem Affekt zu handeln ist halt nicht besonders klug, da setzen wohl jegliche Gehirnzellen aus und man kommt auf die richtig blöden Ideen. Dies kann man aber auf alle Situationen schließen.


Ich erinnere mich noch gut an einen meiner ersten Suizidversuche, dieser war in den Herbstferien. An dem Tag zuvor übernachtete ich bei meiner Oma und sollte nun nach dem Frühstück abgeholt werden. Es war schön ein paar Tage mit meiner Oma zu verbringen, etwas anderes um die Ohren zu haben und weg von zuhause zu sein. Weit weg wohnt meine Oma nicht, aber der Abstand reichte schon um einfach mal abzuschalten. Gegen zehn Uhr kamen dann meine Eltern, um mich abzuholen. Meine Sachen waren bereits gepackt, ich verabschiedete mich von meiner Oma, wir stiegen ins Auto und fuhren los. Ich witzelte anfangs während der Fahrt mit meinen Eltern, bis ich merkte, dass es sie langsam nervte. Meine Eltern waren immer schnell genervt, ich hatte oft das Gefühl ich wäre nur eine Last für sie.Meine Brüder sind beide älter, ausgezogen und ziehen ihr Ding durch und ich bekomme nicht mal die Schule auf die Reihe.

Sie haben es echt nicht leicht mit mir, ein psychisch labiles Kind ist kein Zuckerschlecken. Und diese Gedanken kamen auf der Fahrt wieder.Je weiter wir uns dem Zuhause näherten, desto schlimmer wurde es.Tränen stießen mir in die Augen, mein Herz schlug schneller, Panik trat in mir auf und ich hätte am liebsten los geschrien. Ich wollte zurück, einfach aus dem Auto springen und so weit wie möglich von diesem grässlichen Gebäude, welches sich zuhause nennt weg. Doch ich konnte nur wie gelähmt dasitzen und zusehen wie wir die Auffahrt hinauffuhren.

Wir stiegen aus, dies muss unser Schäferhund wohl gehört haben, denn sie schoss wie eine Rakete auf uns zu. Wie ich diesen Hund liebte.Immer wenn es mir schlecht ging, war sie für mich da, in allen Situationen, wo jeder mich verließ, stand sie neben mir und spendete Trost. Genauso wie in diesem Moment, sie merkte, dass es mir nicht gut ging und wich mir nicht von der Seite als wir das Haus betraten.Mein Vater musste auch kurze Zeit später zur Arbeit, sodass Mama und ich alleine waren. Sie wollte nun mit dem Essen kochen anfangen, also nutzte ich die Gelegenheit, um mich zurückzuziehen und meine Sachen auszupacken. Ich ging die Treppe hoch in mein Zimmer und fühlte mich fremd, auch wenn ich die Geheimnisse und Verstecke hier kannte, aber es war als wäre dies das Leben einer anderen Person.

Plötzlich fühlte ich mich leer, wusste nicht mehr wer ich wirklich bin und verzweifelte an den Gedanken die mir in den Kopf stiegen. Meine Beine gaben nach, ich setzte mich aufs Bett und fing direkt an zu weinen.Meine Gedanken wurden so laut und finster, dass ich es nicht mehr aushielt, also holte ich mein Handy raus, schloss es an die Boxen an und machte meine Musik an. Kurzzeitig fühlte ich mich besser, räumte meine Tasche aus und ging nach unten.

Es roch schon durchs ganze Haus nach Erbsensuppe, also ging ich in die Küche zu meiner Mutter und deckte den Tisch. Wir sprachen nicht viel beim Essen, worüber ich sogar recht dankbar war, mir war nicht nachreden zumute, da meine Depression zurückkehrte. Nach dem Essen erklärte ich meiner Mutter, dass ich mich gerne eine Stunde hinlegen möchte, also ging ich wieder in mein Zimmer, wo auch die Musik noch lief. Es ist fast so, als wäre in diesem Zimmer eine Wolke aus Schmerz, Hass und Trauer, denn sobald ich es betrat fing meine Psyche wieder an Amok zu laufen. In dem Moment hatte ich endgültig die Schnauze voll. Meine ganzen Sicherungen brannten durch und ich konnte nicht mehr klar denken, ich fühlte nur noch diesen unaufhörlichen Schmerz ganz tief in mir. Dieser Schmerz der so oft kam, mich immer wieder in die Knie zwang und mich immer weiter zerbrach. Doch nun lief das Fass über, es reichte, ich hielt es nicht mehr aus und dachte nur noch daran alles auf der Stellen zu beenden. Also nutzte ich das was mir als Erstes ins Auge fiel: die Leine meines Verdunkelungsrollos (diese Teile zum ziehen, mit den kleinen Kügelchen).

Ich hatte zwei Stück nebeneinander hängen, also nahm ich beide Leinen und schlang sie mir 2-3 mal stramm um den Hals. Als ich mich langsam nach Hinten lehnte, hörte ich die Musik, bis mir schwarz vor Augen wurde und ich langsam ohnmächtig wurde, durch die immer weiter abgedrückte Luft.

Ungefähr fünfzehn Minuten später auf dem Boden liegend wieder auf. Meine Nase schmerzte und ich bemerkte, dass Blut aus ihr kam. Ich war noch total benommen und musste erstmal realisieren was gerade passierte.Die ganze Halterung war aus der Wand gerissen, das Rollo lag auf mir und die Leinen noch leicht um mich geschlungen. Langsam tropfte immer mehr Blut auf mein T-Shirt, also beschloss ich, noch halb benommen und ohne Nachzudenken, zu meiner Mutter zu gehen. Was ich aber vergaß, waren die Striemen am Hals. Als ich unten ankam war meine Mutter wegen der Nase ziemlich schockiert und wollte wissen was passierte und sprach die Abdrücke an. Ich erklärte meiner Mutter,dass mir oben schwindelig wurde und ich mit dem Hals in die Leine gefallen wäre, was sie tatsächlich auch glaubte.

Wir fuhren dann zum Hausarzt, um abzuklären, ob meine Nase auch nicht gebrochen wäre. Ungefähr eine halbe Stunde warteten wir, bis wir ins Ärztezimmer konnten. Unaufhörlich liefen mir die Tränen übers Gesicht, ich war wie gelähmt.

Kurze Zeit später kam der Arzt ein und schaute sich meine Nase an, die zum Glück vom Sturz nichts abbekam, außer einer kleinen Prellung. Auch er sprach mich auf die Striemen an und ich tischte ihm die gleiche Geschichte auf. Er fragte mich immer und immer wieder, ob da nicht noch mehr hinter steckte, aber ich weinte nur heftiger und schüttelte den Kopf. Natürlich wusste er Bescheid, aber wollte mich da nun auch nicht reinreiten, also empfahl er meiner Mutter ausdrücklich mit mir einen Therapeuten aufzusuchen. Leider war meine Mutter so blind und naiv, dass sie es nicht tat. Es war ganz normal, dass bei uns alles unter den Tisch kehrt und vergessen wurde.

Mein Vater kam gegen siebzehn Uhr wieder nach Hause, gegen achtzehn Uhr aßen wir zu Abend, wo meine Mutter meinem Vater erzählte was passiert war. Natürlich machte er nur Späße,ich wäre ja ein Tollpatsch und damit war das Thema auch vom Tisch. Nachdem wir fertig waren, räumten wir den Tisch ab und schauten noch gemeinsam fernsehen. Eigentlich ist es lächerlich nach so einem Tag einen aufheile Familie zu machen, aber so war es halt bei uns. Am Ende ging ich noch duschen, legte mich ins Bett und dachte über den Verlauf dieses Tages nach.

Der Tag, der eigentlich mein Letzter sein sollte.



So,hier beende ich die erste Geschichte. Ich war da 14 Jahre alt, in der 7. Klasse und schon vollkommen verkorkst. Es gab viele Auslöser warum ich da schon so dachte, einige davon werde ich euch auch noch erzählen.

Manchmal wundere ich mich selbst, was man alles so abspeichert. Wichtige Informationen kann man sich nicht merken, aber solche Sachen bis zum Ende. Tatsächlich erinnere ich mich noch an den Song der bei der„Durchführung" lief. Es war „Euch zum Geleit" von Schandmaul.

Wenn ich nun mit dem Verstand von heute auf den Tag zurück blicke, muss ich tatsächlich schmunzeln. Einerseits, weil ich mittlerweile weiß,dass mich so eine Leine niemals halten könnte, andererseits weil meine Mutter so unfassbar naiv war. Lange Zeit verschloss meine Mutter die Augen, bis es dann ihr irgendwann auch zu heikel wurde.Aber da kommen wir ein anderes Mal zu.

🎉 Du hast Suizidversuch (kurze persönliche Geschichte, harmlos) fertig gelesen 🎉
Suizidversuch (kurze persönliche Geschichte, harmlos)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt