Erstes Kapitel

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Wie erklärt man seinen Eltern, dass man sitzen geblieben ist? Ich hab nicht die geringste Ahnung. Eigentlich hatte ich gedacht, ich komme mit Lügen und gefälschten Unterschriften durch, aber Pustekuchen.  Alles nur wegen Mathe. Und wie sie mich angrinst, diese dämlich Fünf! Schaut aus dem Zeugnis, als hätte sie Macht über mich.  Nur leider hat sie das auch.  Sonst hätte ich die Klasse noch geschafft, glaube ich zumindest. Klar, bei Physik, Englisch und Bio sehen meine Noten auch nicht besser aus, aber das wusste ich schon das ganze Schuljahr über! Bei Mathe hätte es mich eigentlich auch nicht schockieren dürfen - Zahlen waren noch nie mein Ding - aber wenigstens eine Vier hätte es geben können! Über meine Einser in Kunst und Musik freue ich mich natürlich.  Aber das sind eben keine Hauptfächer. Auch meine Zwei in Deutsch holt bei vier Fünfen nicht mehr viel raus. Klasse neun: Ich komme. Schon wieder.

Meinen Eltern die Wahrheit zu sagen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.  Es zu verschweigen leider auch.  Meine Mum ist wie ein Spürhund, sie riecht Zeugnisse zehn Meter gegen den Wind.  Letztes Jahr hatte  ich mein Zeugnis unter die Matratze gelegt.  Keine zwei Tage später hatte ich es auf den Küchentisch vorgefunden. Vorwurfsvolle Blicke meiner Eltern inklusive. Dieses Jahr würden mir neben den Blicken vermutlich auch Messer und Kettensägen über den Tisch zugeworfen werden. Es aah wirklich nicht gut aus.  Zumal ich das ganze Schuljahr in meinen  Problemfächern Emmas Arbeiten kopiert , meinen Eltern zum unterschreiben gegeben und anschließend auf der richtigen Arbeit die Unterschrift gefälscht hatte. Deshalb erwarteten meine Eltern jetzt auch ein Einser und zweier Zeugnis.  Tja, blöd gelaufen, was?

Apropos Laufen: Das sollte ich schon mal üben. Für den Fall, dass meine Eltern überreagieren.  Nur zur Sicherheit. Aber irgendwie muss ich da durch.  Früher wäre einfach Emma zu mir gekommen und hätte mich unterstützt.  Aber die sitzt mittlerweile im Flieger nach Alaska. Sozusagen als Sahne auf meinem riesigen Problem-Kuchen. Denn sie zieht gerade dort hin, warum auch nicht? Ist ja nicht so, als würde ich sie hier brauchen, nein. Ach was. Oh man! Ich hasse ihre Mutter dafür.  Emma leidet so sehr darunter. Und den Freund ihrer Mutter, für den sie umziehen? Den kann sie nicht ausstehen. Deshalb versuche ich auch, ihr das alles so einfach wie möglich zu machen, indem ich ihr nicht auch noch mit meinen Problemen in den Ohren liege. Ihr versteht das doch? Klar tut ihr das.

Ich klappe die Zeugnismappe zu. Die Mappe ist blau. Blau ist eigentlich eine schöne Farbe, die Farbe des Himmels, des Meeres. Auch die Farbe des Kartons, in das ich sie lege. Obendrauf noch ein paar alte Bücher von mir... fertig. Hier wird es fürs erste sicher sein. Ich schiebe den Karton unter mein Bett. Erschöpft werfe ich mich auf meinen Sitzsack. Ich krame mein Handy aus der Hosentasche. Die Kopfhörer liegen bereits neben mir.  Meine einzige Playlist beinhaltet nur zwölf Lieder. Klar habe ich mehr auf dem Handy, aber ich höre meistens nur diese zwölf. Zufallswiedergabe.

Ich schließe die Augen und lehne mich zurück.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 10, 2014 ⏰

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