Kapitel 11

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Bruce rannte, so schnell er konnte. Er hatte keine Zeit sich umzudrehen. Er wusste, die Dinger waren ihm dicht auf den Fersen und würden jedes Zögern erbarmungslos ausnutzen. Hinzu kam die Panik, in dem düsteren, kaum beleuchteten Gangsystem in eine Sackgasse zu geraten.

Endlich sah er ein weiteres Tor. Er riss an dem eiskalten Griff und öffnete es gerade weit genug, um sich hindurchzuquetschen. Auf der anderen Seite wandte er sich gleich wieder um, packte mit zwei Händen an das schwere Tor und schob es zu. Im Dunkel dahinter sah er noch für einen Moment die rot leuchtenden Augen seiner seltsamen Verfolger, ehe das Tor in der Wand einrastete.

Bruce befand sich in einem weiteren Gang. Düster und kalt wie all die anderen in dem Komplex. Doch dieser schien verlassen. Er hörte weder das plärrende Surren der Kreaturen, die ihn soeben durch die Korridore gejagt hatten, noch konnte er hier das Stöhnen von Infizierten vernehmen, von denen er viele hatte umherstreifen sehen. Sie waren genauso hautlos und ausgemergelt gewesen, wie die Körper im Kanalwasser. Ein paar von ihnen hatten sogar gebrannt und waren wie lebendige Fackeln durch die dunklen Gänge gewankt, ohne sich dabei annähernd die grauenvollen Schmerzen anmerken zu lassen, die ein Lebender beim Verbrennen des eigenen Körpers verspürt hätte.

Das Feuer rührte von Bränden, die in manchen Korridoren gelodert hatten. Wer oder was die Feuer verursacht hatte, wusste Bruce nicht. Auf jeden Fall hatte er einige der Infizierten – brennende wie nicht brennende – ausschalten müssen, da sie ihm zu nahegekommen waren.

Doch das Gefährlichste und Unheimlichste waren immer noch die seltsamen Kreaturen, auf die Bruce lediglich ein paar flüchtige Blicke hatte werfen können. Die Wesen hatten etwas von einem mutierten Frosch, waren ungefähr einen Meter groß und ihre Köpfe schienen mit unzähligen rot leuchtenden, augenähnlichen Auswüchsen bedeckt.

Ein Kampf war ihm viel zu riskant gewesen, zumal die Wesen in der Überzahl aufgetreten waren und sich im Dunkeln bewegt hatten. Doch er war ihnen und auch den Zombies entkommen. Wenn er darüber nachdachte, konnte er es kaum glauben, dass er es bis hierhin geschafft hatte. Er hatte das bisherige Gangsystem durchqueren können, ohne dabei verletzt, infiziert oder direkt getötet zu werden.

Bruce begann, durch das Halbdunkel des spärlich beleuchteten Gangs zu schreiten, und fand schließlich eine Tür, die in ein großes Tor eingelassen war. Laut einem Schild führte die mit schwarz-gelb gestreiftem Signalband umrahmte Tür in eine Lagerhalle.

Bruce fasste an den Griff, öffnete die Tür und betrat tatsächlich eine Lagerhalle. Leise trat er in die Mitte der hell beleuchteten Halle und ließ den Blick über große würfelförmige Stahlkisten schweifen, die sich in mehreren Stapeln über die ganze Fläche verteilten. Da auf den Kisten Umbrella stand, daneben das typische rot-weiße Regenschirm-Logo, war ihm klar, dass das, was sich in den Behältern befand, dem Konzern gehören musste.

Ein paar Meter über dem matten, schmucklosen Betonboden verliefen Metallstege. An der hintersten Seite war ein Gittertor, hinter dem sich vermutlich ein Aufzugschacht befand. Bruce ging los, schritt an den Kisten vorbei und näherte sich dem Gitter. Es war wirklich ein Aufzug, ein Lastenaufzug. Neben dem Tor war ein Knopf zum Rufen der Kabine.

Er drückte ihn und wartete.

Irgendwo hinter sich hörte er auf einmal etwas und wirbelte herum. Alles, was er dann noch sah, war eine gräuliche Masse, die mit einem rauen, dumpfen Schrei von der gegenüberliegenden Oberseite der Lagerhalle direkt auf ihn zusprang.

Bruce hechtete zur Seite ... und nur einen Augenblick später schlug die graue Masse mit einem lauten bebenden Knall genau dort auf, wo er gestanden hatte. Um ein Haar wäre er zerquetscht worden!

Als er sich wieder aufgerichtet und dabei reflexartig seine Waffe hervorgezogen hatte, sah er erst, dass es sich bei dem Klumpen um eine Gestalt handelte – eine fast unbeschreiblich aussehende Gestalt, die direkt einem Horrorfilm entsprungen zu sein schien.

RESIDENT EVIL - Side Stories (2) Dead Aim [ROMAN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt