Mel freut sich dass sie Weihnachten nun noch einmal feiert. Es scheinen Lichtjahre zwischen dem Heiligen Abend und diesem zweiten Weihnachtstag zu liegen. Verträumt lächelnd betrachtet sie wie Drogo und Lorie begeistert mit der kleinen Eisenbahn spielen die Mel mitgebracht hat. Aus einem Impuls heraus hat sie die kleine Lok die ihrer Schwester so viel Freude bereitet hat eingesteckt. Sie wusste ja dass sie zu einem Kind aufbricht. Dass sie so viel Spass damit bereitet hätte sie nicht vermutet aber es ist angenehm die beiden strahlenden Gesichter zu beobachten. Die leuchtenden Augen erinnern sie an Jolies Augen als sie die kleine Lock beobachtet hat die leise ratternd ihre Runden fuhr. Die Bücher die Mel für ihre Mutter gekauft hatte haben Nicolae und Drogo bekommen. Die vier Wahrheiten von Buddha hat sie Nicolae geschenkt und Drogo hat ein Buch von Rosenberg über gewaltfreie Kommunikation bekommen. Es sind Geschenke die die Jungen Männer bekommen haben weil Mel möchte dass sie etwas aus ihrem früheren Leben erfahren. Nicolae hat ihre Philosophie geschenkt bekommen. Mel hatte gehofft dass es der Mutter helfen könnte wenn sie wüsste dass sie nicht alleine in ihrem Leid ist. Dass nun ein mindestens 250 Jahre alter Vampir ihr Geschenk in den Händen hält war nicht beabsichtigt ist aber nicht schlimm. Vielleicht hilft es Nicolae ja auch wenn er die Weisheiten von Buddha liest. Mel wundert sich dass sie ausgerechnet Drogo an ihrem eigenen Leid teilhaben lässt. Die Mutter konnte mit einem einzigen Wort, einem hässlichen Blick Mel in den Grundfesten ihres Daseins erschüttern. Ihre Worte waren härter als Schläge. Und Mel hatte häufig ihre verbalen Attacken abbekommen. Nur weil sie nachvollziehen kann dass ihre Mutter nur so gemein war weil sie versucht hat ihren Schmerz an Mel abzugeben heißt das nicht dass Mel nicht unter ihr gelitten hat. Dass nun der impulsive Drogo das Buch in den Händen hält ist interessant. Mel hat inzwischen mitbekommen dass Drogo ziemliche Komplexe hat und sie mit aggressivem Auftreten zu kompensieren versucht. Er ist Mitglied einer Gang die den Campus ganz schön in Atem hält. Sie ist gespannt ob er Rosenbergs Art der Kommunikation annehmen kann und ob er überhaupt versteht was gemeint ist. Für Peter hätte sie eigentlich kein Geschenk mehr übrig. Also hat er ihre Notensammlung bekommen. Ihre allerliebsten Lieblingspartituren zum Teil selbst geschrieben. Peter ist völlig begeistert und spielt die Stücke am großen Flügel in der Eingangshalle. Er spielt sie mit einer solchen Intensität und Einfühlungsvermögen dass Mel fast weinen muss. Es ist als habe sie ihm ihre Seele geöffnet und er schaut sich darin um.
Mel sitzt etwas abseits des Geschehens und betrachtet die Familie. Peter sitzt in seinen nachtschwarzen Klamotten am Flügel. Seine Hände tanzen über die Tasten und offenbaren Mels Gefühle die sie in Lieder gebannt hat. Gerade spielt er wie ihr Vater verschwunden ist und nie wieder aufgetaucht ist. Peter interpretiert ihren Schmerz um das Verlassen worden sein richtig gut. Mel zwingt sich ihre Augen von Peter zu nehmen. Sie schaut zu Nicolae. Der sitzt im Schneidersitz unter dem riesigen Weihnachtsbaum und ist in sein Buch vertieft. Seine langen Haare hat er hinter die Ohren geklemmt. Mit einer Strähne spielt er gedankenverloren und dreht sie um seine Finger. Er ist tief in das Buch eingetaucht und Mel fragt sich wovon er wohl gerade liest. Er sieht entspannt und gleichzeitig hoch konzentriert aus. Mel wendet dennoch ihre Augen von ihm um den beiden Kindern weiter zuzusehen. Drogo und Lorie erweitern immer weiter die Strecke. Sie haben Spaß daran die Bahn durch die ganze Halle und unter dem Baum her fahren zu lassen. Gerade liegt Drogo platt auf dem Bauch und steckt die Schienen unter Peters Flügel zusammen. Lorie kniet neben ihm und gibt Anweisung wo die Bahn ihrer Meinung nach lang fahren soll. Mel nimmt ihr eigenes Weihnachtsgeschenk, ein neues Smartphone und macht Bilder von den innigen Szenen. Ein gedankenverlorener Nicolae, ein fröhlich musizierender Peter (nun spielt er das Stück das Mel im Sommercamp geschrieben hat) und ein ausgelassen mit Lorie spielender Drogo sind also ihre neue Familie. Als Mel versonnen die Bilder betrachtet ertönt plötzlich Lories Schrei: „Es schneit!" aufgeregt rennt sie zum Fenster dicht gefolgt von ihren Brüdern. Mel gefällt der Schnee genauso gut wie dem Rest der Familie. Rasch ziehen sie ihre Jacken und Mäntel an und gehen nach draußen. Sie sind nicht die einzigen die dieses tolle Wetter ins freie lockt. Halb Mystery Spell tummelt sich auf den Straßen die rasch mit einer dicken Schneeschicht überzogen sind. In dicken Flocken tanzt der Schnee nieder. Mel schaut sich mit staunenden Augen um. Überall sind bunte Lichter aufgebaut. Es sieht aus als wäre ganz Mystery Spell ein Weihnachtsdorf. Überall riecht es köstlich. Gebrannte Mandeln, Glühwein und frittiertes duften ganz herrlich um die Wette. „Hast du Hunger?" Fragt Nicolae Mel. Sie schüttelt beim traurigen Anblick ihrer Vampire tapfer den Kopf. Sie kann verstehen dass die Vampire geknickt sind. Nichts mehr essen zu können muss fürchterlich sein. „Ich will dass du eine Zuckerstange für mich isst!" bettelt Lorie. Mel muss Lächeln. „Wie kann ich dazu nein sagen?" sagt Mel und Lorie sucht mit glänzenden Augen die schönste Zuckerstange aus. Weiß und rot. Ganz klassisch. Für Lorie gehören sie einfach zum Fest dazu und ohne sie ist kein Weihnachten. Dass sie nun Mel damit füttern kann ist fast so gut wie selber essen. „Kannst du nen Glühwein mit Schuss für mich trinken?" Fragt Drogo begeistert als er die Intention hinter Lories Bitte begreift. „Glühwein ja, Schuss nein." sagt Mel. „Sonst fange ich an schmutzige Lieder zu singen und auf den Tischen zu tanzen. Ich bin Alkohol nicht gewöhnt." Drogo lacht laut mit Mel über die Vorstellung dass Mel betrunken peinliche Dinge tun könnte. Noch während Drogo ansteht um eins der Heissgetränke zu erstehen hält Nicolae Mel eine Tüte gebrannte Mandeln unter die Nase. Er lächelt sie dankbar an als sie sich ein paar der Mandeln nimmt und knabbert. Nachdem Mel den Glühwein getrunken, Zuckerstange und Mandeln gegessen hat ist ihr schlecht. Dennoch fragt sie tapfer Peter was er bräuchte damit für ihn Weihnachten wunderbar wird. Peter schaut ihr lange in die Augen. Für mich hat Weihnachten immer dann angefangen wenn Oma mich in den Arm genommen hat und mir einen Kuss gegeben hat damit ich still auf meinem Stuhl sitzen bleibe und sie bei ihren Vorbereitungen nicht störe. Gucken war erlaubt, reden oder herumlaufen nicht. Mel nimmt Peter in den Arm und gibt ihm seinen Kuss. Peter schaut sie dankbar an. „Und wann ist für dich Weihnachten?" fragt er. Mel weiß es nicht auf Anhieb. Diese Frage hat sie sich noch nie gestellt. Sie denkt kurz nach. „Wenn ich anderen eine Freude machen kann." sagt sie schließlich. Peter lächelt sie an. „Das hast du heute den ganzen Tag gemacht." stellt er schlicht fest. Mel hakt sich bei ihm ein und lächelt.