Kapitel 2

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Katie

In der Mittagspause traf ich mich wie immer mit Mary an unserem Tisch in der Cafeteria. Heute gab es Hamburger mit Curly Fries und zum Nachtisch Schokoladenpudding. Mir lief das Wasser schon jetzt im Mund zusammen. Mary bedankte sich bei mir dafür, dass ich Ashley von Andrew ferngehalten hatte. «Danke, dass du vorhin eingeschritten bist.» «Ach, keine große Sache, ich hoffe sehr, dass das mit euch beiden klappt. Hast du vor ihn zu fragen ob er mal mit dir ausgeht?» Mary schien diesen Gedanken mehrfach in ihrem Kopf hin und her zuwenden, während sie in ihrem Caesars Salat herumstocherte. «Hmm, ich weiß nicht...», fing sie an. «Was ist wenn er garnicht an mir interessiert ist?» «Dann hast du wenigstens Gewissheit und musst dich nicht länger mit dem Gedanken daran herumquälen.», antwortete ich ihr. «Hmm, vielleicht hast du Recht. Bis zum Abschlussball frage ich ihn damit ich rechtzeitig weiß, dass ich mich nach einem anderen Date umsehen muss.» Sie schenkte mir ein verschmitztes Lächeln, auch wenn ich wusste, dass sie sich ernsthafte Sorgen über seine Reaktion machte. 

Nachdem wir gegessen hatten gingen wir zur Bibliothek, um ein paar Hausaufgaben zu erledigen. «Katie, ich schwöre dir, irgendwann bringe ich Mr. Jones noch um, sollte er uns weiterhin so viele Hausaufgaben aufgeben.» Frustriert schaute sie auf ihre Arbeitsblätter, die sie vor sich ausgebreitet hatte. «Da wäre ich dir wirklich sehr verbunden. Ich meine jeder Kunstlehrer lässt seine Schüler etwas Künstlerisches machen, aber nein, Mr. Jones muss uns einen ellenlangen Text über die Veränderung des Kunstverständnisses in der Renaissance zum zusammenfassen und anschließenden bewerten aufgeben.» Genervt senkten wir beiden den Kopf auf unsere Arbeitsblätter und verweilten so eine halbe Ewigkeit. Schließlich rafften wir uns dann dazu auf Absatz für Absatz zusammenzufassen. Plötzlich holte Mary tief Luft. Verwirrt sah ich sie an und drehte mich in die Richtung in die sie starrte. Gerade betrat Andrew die Bibliothek und lief auf unseren Tisch zu. 

Ich drehte mich zu Mary um und flüsterte ihr ein unauffälliges «Bleib entspannt.» zu. Andrew kam an unserem Tisch an und begrüßte uns mit einem «Hey Mädels!», allerdings sah er dabei nur Mary in die Augen. Sie versteifte sich auf ihrem Stuhl und ich hoffte inständig, dass sie nicht bewusstlos herunterfallen würde. Ihr Gesicht hatte bereits die Farbe der kalkweißen Wand gegenüber angenommen. «Seid ihr gerade dabei die Hausaufgabe für Mr. Jones' Unterricht zu bearbeiten?», fragte Andrew. Da Mary keinen Ton herausbrachte bestätigte ich seine Vermutung und fragte ihn, ob er die Aufgabe mit uns bewältigen möchte. Dafür kassierte ich prompt einen schockierten Seitenblick meiner besten Freundin, dabei war das DIE Chance mit ihm weiter ins Gespräch zu kommen. «Wisst ihr schon das Thema des Abschlussballs?» Neugierig schauten Mary und ich ihn an. «Das Thema ist Phantom of the Opera. Die Halle wird in Kerzenschein gehüllt und jeder trägt eine Maske.» «Wow, zugleich elegant und mysteriös. Definitiv cool.", meinte ich. Andrew blickte zu Mary, die dazu noch gar nichts gesagt hatte und für einen Augenblick glaubte ich, dass er sie fragen möchte, ob sie mit ihm zum Abschlussball geht. Allerdings war das wohl doch nicht der beste Zeitpunkt, während jemand anderes dabei saß. Da ich Mary aber ansah, dass sie mich auf der Stelle töten würde, sollte ich verschwinden, entschied ich mich sitzen zu bleiben und das Thema vom Abschlussball wegzulenken, mit der Hoffnung, dass sich Marys Gesichtsfarbe wieder normalisieren würde. 

Das meiste der Aufgaben haben wir noch erledigt bekommen, ehe wir zu Mr. Jones' Unterricht gelaufen sind. Dort angekommen setzten wir uns auf unsere Plätze. «Geht es dir gut?», erkundigte ich mich bei Mary. «Ja, jetzt geht's wieder. Ich war einfach nur überrascht Andrew anzutreffen. Du weißt, dass ich quasi kein Gehirn mehr besitze, wenn er in der Nähe ist. Wirklich. Totales Blackout. Außerdem glaube ich, dass ich meine komplette Schuluniform durchgeschwitzt habe. Ich rieche bestimmt, als hätte ich zwei Wochen lang nicht geduscht.» Unauffällig prüfte ich das und versicherte Mary, dass sie sich darum keine Sorgen machen musste.

 An der Westminster School musste jeder Schüler eine schwarz-dunkelblaue Uniform tragen. Die Jungs trugen eine schwarze Hose, was den Mädchen nur im Winter erlaubt war, ansonsten mussten wir, ebenfalls schwarz, Röcke tragen. Dass es aber vor dem offiziellen Winterbeginn und nach dem offiziellen Ende auch kalte Tage gab interessierte niemanden. Die Blusen, beziehungsweise Hemden, waren bei Mädchen und Jungen sehr ähnlich. Beides war dunkelblau und wurde mit einem schwarzen Blazer, beziehungsweise Jacket, das schwarz und mit dunkelblauen Nähten durchzogen war, kombiniert. 

Schließlich betrat Mr. Jones den Raum und begrüßte uns. «Da ich davon ausgehe, dass Sie alle die Arbeitsblätter bearbeitet haben und sich nun bestens mit dem Kunstverständnis in der Renaissance auskennen, dürfte Ihnen dieser Test leicht fallen. Bitte legen Sie alles vom Tisch, außer einen Stift.» Schockiert starrten Mary und ich uns an. Man hörte allgemeines Stöhnen, was bedeutete, dass der Rest genauso begeistert war wie wir. Mr. Jones teilte uns den Test aus und nachdem alle die Blätter erhalten hatten durften wir sie umdrehen. Erstaunlicherweise wusste ich ein paar Antworten, allerdings hatte ich bei über der Hälfte absolut keine Ahnung. Ich schielte zu Mary, um zu sehen wie sie zurecht kam. «Augen auf ihr eigenes Blatt, Ms. Richards!» Ich zuckte zusammen, senkte meinen Blick auf mein Blatt und hoffte, dass die Haare meine Röte im Gesicht einigermaßen gut verbargen. Ich hatte mir bereits jede Frage mindestens zehnmal durchgelesen und musste nun wohl oder übel etwa 60 Prozent der Fragen unbeantwortet lassen, da ich einfach nicht weiterwusste, weil ich nicht alle Arbeitsblätter gelesen habe. Ich hatte keine Lust mehr an den Test zu denken und da ich noch eine halbe Ewigkeit in dem Raum ausharren musste, weil ich keineswegs so früh abgeben würde, begann ich vor mich hinzuträumen. Ich hielt meinen Kopf gesenkt, schloss die Augen und dachte daran wie meine Familie und ich letztes Jahr durch Rom gelaufen waren und wir an einer Eisdiele halt machten. Es war furchtbar heiß an diesem Tag und wir schwitzten so sehr, dass wir es nicht länger aushielten und unser Programm kurz unterbrachen. Die Eisdiele war gut gekühlt und das Eis war eine leckere Abkühlung, die ich brauchte.

Plötzlich stieg mit der Geruch von Erdbeereis in die Nase und ich hörte die Gespräche der Menschen aus der Eisdiele. Moment, was? Ich riss die Augen auf und alles war vorbei. Diese dämlichen Tagträume hatte ich schon öfter. Ich hatte für ein paar Sekunden vergessen, dass ich in einem Klassenraum saß, weshalb ich mich zunächst etwas irritiert umsah. Meine Augen trafen die von Mr. Jones, der mich mit zusammengekniffenen Augen ansah. Schnell sah ich weg und fokussierte mich auf das Blatt vor mir.

Schließlich verkündete unser Kunstlehrer, dass die Zeit nun abgelaufen sei. Niedergeschlagen packte ich mein Zeug zusammen und ging zum Pult. Als Mr. Jones meinen Test entgegennahm musterte er mich eingehend, woraufhin ich schnell meinen Blick senkte. Dabei fiel mir zum ersten Mal auf, dass er einen ziemlich protzigen Ring trug. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Erbstück, denn er sah ziemlich alt und wertvoll aus. Einen genaueren Blick konnte ich nicht darauf erhaschen, da Mr. Jones seine Hand, mitsamt meinem Test, hastig zurückzog, als er sah wie ich seinen Ring begutachtete. 

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