Hauchfeine, in sanfter und für Nichtlebewesen ungewöhnlich anmutiger Weise durch die eiskalte Winterluft tanzende Schneeflocken, welche sich letztendlich am Boden der ländlichen Umgebung vereinten, um jene mit einer strahlendweißen Decke aus winzigsten, funkelnden Eiskristallen zu bedecken; im Kontrast zu dieser atemberaubenden Naturerscheinung stehend, das Bild aus dem Inneren des großzügig mit Lichterketten und diversen weiteren Dekorationen, die ihre farbenfrohen Strahlen bis in das naheliegende, kleine Tannenwäldchen warfen, aufgehübschten Häuschens, dessen Dach aus Fichtenholz mit einer beachtlichen Schicht der in weißem Glanz erstrahlenden Masse belastet war.
Der sich durch die gesamten, von unzähligen Lichtquellen erhellten Räumlichkeiten schlängelnde Duft von mit einer Prise Zimt besetztem Kakao fand seinen Ursprung auf einem Tablett mit dem Motiv in dunklem Grün glänzender Tannenzweige, ebenso wie die jährlich hausgemachten Gebäcke der Mutter des Hauses, welche offensichtlich erst kürzlich dem Ofen entnommen worden waren und somit noch kleine Wölkchen heißen Dampfes in den Raum setzten; platziert inmitten des engen, um das wärmende Feuer des Kamines versammelten Familienkreises, aus dessen Reihen in unregelmäßigen Abständen funkelnde Kinderaugen in Richtung der mit einem, vier brennende Kerzen enthaltenden, Adventkranz geschmückten Tür blitzten, in deren Rahmen jeden Moment der sehnlichst erwartete, letzte Gast der kleinen Runde zu erscheinen vermochte.
Dieses in jedem schnulzigen Weihnachstfilm und jeder von Klischees besetzten Vorstellungskraft wiederzufindende Szenario des vierundzwanzigsten Abends im zwölften Monat des Jahres stellte so ziemlich das exakte Gegenteil meiner tatsächlichen Situation an jenem besonderen Feiertag dar.
In der Realität musste die traumhaft schöne, verschneite Winterlandschaft dem regnerischen Großstadtalltag von abgestandenem, bräunlichen Wasser gezeichneter Straßen und wild hupender Automobile, deren Fahrer verzweifelt versuchten, sich schnell genug durch den Verkehr zu kämpfen, um ihre Familien noch rechtzeitig zu erreichen, weichen und statt des gemütlichen, kleinen Blockhäuschens befand ich mich in einem der zahl-, sowie geschmacklosen Betonklötzer, welche man großzügigerweise als ‚Wohnhäuser' verkaufte.
„Willst du nicht wenigstens deine Geschenke auspacken?", drang die Stimme meines Bruders, dessen Gestalt ein wenig verloren schien, neben dem hastig aufgestellten, lieblos wirkenden und obendrauf unechten Tannenbäumchen, das zur Hälfte beinahe ausschließlich aus Lametta bestand und den ursprünglich in einer Ecke aufgestapelten Kartons, welche sich unsere Eltern nicht einmal die Mühe bereitet hatten, wenigstens in ein paar Fetzen Geschenkpapier zu kleiden und somit die deutlich auf der rauen Oberfläche prangenden Markenlogos diverser Onlineversandte zu überdecken, zu mir herüber, der sich längst nicht mehr dem Beschriebenen zuwenden musste, um zu wissen, welches Bild sich mir bot: Dasselbe, wie ein jedes Jahr.
Anstelle von einer Antwort, die mit Sicherheit ohnehin alles Andere als feinfühlig ausgefallen wäre, verfolgte ich stillschweigend die kurzlebige Reise der sich an der lichterlosen Fensterscheibe festklammernden Regentropfen, die letztendlich einer nach dem anderen haltlos in der Tiefe verschwanden, um schließlich Teil jener graubraunen Flüssigkeit zu werden, die wie ein stoffloser Teppich großflächig den Straßenboden bedeckte.
In einer verdrehten Art und Weise der Tatsachen, vermochte ich mich selbst mit diesen Wassertröpfchen zu identifizieren, wie ich mich doch durch ungewollte Flüsse jedes verdammte Jahr aufs Neue an meinen glasgleich zerbrechlichen und durchschaubaren Hoffnungen festzuklammern wagte, nur damit ich bei diesem kläglichen Versuch ein wiederholtes Mal in der Tiefen des Grolls in meinem Herzen versank und selbigen um eine erneute Enttäuschung erweiterte- Ein stetig wiederkehrender Kreislauf, dessen Struktur und Auslöser mir nur allzu gut bekannt waren und der mich dennoch regulär in seine Fänge zog.
Den Blick nicht von dem tristen Schaubild verregneter Großstadt, welches sich zwar außerhalb unserer vier Wände abspielte, meine Gefühlswelt jedoch in umschriebenem Moment nahezu perfekt widerspiegelte, losreißend, nahm ich indessen anhand des markanten Geräusches von schleifendem Holz auf dem teuren Küchenboden Notiz von der Gestalt meines Bruders, welcher sich spürbar befangen zu meiner Rechten platzierte.
„Hör zu", setzte Jeonghyun seinen jährlichen Versuch an, mir zu verhelfen, mich auf die unseren Eltern vermeintlich so wichtige Botschaft des Weihnachtsfestes zu besinnen-Meine Vermutung in Hinsicht seiner Beweggründe lag darauf, dass er jene als letzten, haltgebenden Anker ansah, um nicht in denselben festtäglichen Depressionen zu versinken, wie ich es tat, „Mutter und Vater mögen vielleicht nicht anwesend sein können, aber das heißt noch lange nicht, dass wir ihnen nichts bedeuten. Sie haben sich immerhin die Mühe gemacht, Geschenke zu besorgen und den Baum aufzustellen. Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe! Und sie zeigen uns ihre Liebe eben auf die Weise, auf die es ihnen möglich ist."
„Leere Worte.", fasste ich meine Einstellung gegenüber seiner ‚bewegenden' Reden grob zusammen, wofür mein Bruder lediglich ein resigniertes Seufzen aufzubringen wusste, mutmaßlich belastet mit all der Erschöpfung seiner erzwungen dauerhaft positiven Lebenseinstellung, welches allerdings in den nervtötenden Schallwellen der Türklingel unterging, auf deren Signal der Ältere den Wohnungseingang aufzusuchen verschwand.
Ohne, dass selbige Handlung tatsächlich meinem Willen entsprach, ließ ich mich von der fortwährend in mir schlummernden und leider schier ungebrochenen Hoffnung dazu verleiten, mich ebenfalls auf den Weg Richtung unerwarteter Gäste zu machen; bereits das trügerische Bild einer vereinten Familie vor dem inneren Auge, welches für die Realität jedoch in nur allzu ungreifbarer Ferne lag.
Entlang des länglichen und ebenso schmalen Flures, den man lieblos mit ein paar Bildern bestückt hatte, um ihm seine drastisch kahle Erscheinung zu nehmen, stieg mir in ungewohnter Weise der süßliche Duft frischen Gebäcks in die Nase, an dessen Genuss ich sonst allerhöchstens gelangte, wenn ich den Fußweg nahe einer Backstube passierte und dessen Note mit einer solchen Intensität zu vernehmen war, dass er das Gefühl vermittelte, all meine Sinne zu vernebeln.
„Verzeihung, falls ich störe", ertönte eine mir offensichtlich fremde Stimme außerhalb des beheizten Apartments, „Ich bin der neue Nachbar... nun gut, ganz so neu dann wohl auch nicht mehr. Mein Mitbewohner und ich sind vor drei Wochen in die Stadt gekommen, aber darum geht es auch gar nicht. Er feiert Weihnachten bei seiner Familie und hat vergessen, einen Großteil der Kekse mitzunehmen. Da ich das ganze Zeug unmöglich allein vernichten könnte, wollte ich sie verschenken. Keine Sorge, vergiftet ist nichts davon- Ich habe sie schließlich nicht gebacken."
Indessen verspürte ich zuwider altbekannter Monotonie keinerlei Enttäuschung in Hinsicht auf das Vernichten meiner unbegründeten, leisen Erwartungen; vielmehr baute sich beim Anblick des unbekannten, blonden, jungen Mannes, wie selbiger so scheu im Türrahmen wippte, noch immer das reichlich bestückte Blech mit beiden Händen vor der Brust haltend, eine mir fremde Euphorie auf, von deren Wogen ergriffen ich sogleich bedenkenlos in einen Redefluss verfiel:
„Ach, wissen Sie was, kommen Sie ruhig rein. Wollen Sie was trinken? Wir haben bestimmt noch irgendwo Kakao oder so. Und soll ich die Kekse vielleicht auf einem Teller hinrichten?"
Während mein Bruder mich zutiefst fassungslos anstarrte und vermutlich gedanklich bereits meinen Verstand für tot erklärte, wirkte unser ‚nicht mehr ganz so neuer' Nachbar hingegen eher ein wenig überrumpelt, nickte aber vorsichtig und händigte mir sein duftendes Präsent aus.
„Ein Wasser wäre auch genug, ich möchte keine Umstände machen. Außerdem könnt ihr mich duzen, mein Name ist Jimin."
Aus dieser einzelnen, schier so unbedeutenden Begegnung resultierte, dass ich folglich nicht nur meine Weihnachten nicht mehr allein verbringen musste.
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Frohe Weihnachten, euch allen!
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Oneshots~Kpop
FanfictionWenn mich mal wieder eine Welle an Ideen überkommt, ich es aber als zu aufwendig erachte, eine komplett neue Fan-Fiction zu beginnen, werden meine Gedanken hier in Kurzform landen. Falls ich sehr inspiriert bin, nehme ich auch mal Anfragen an, aller...