"So, wie die tiefdunklen Abgründe des Flusses zwischen uns"~Jihan

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Eine federleichte Brise von Wind durchbrach die beinahe sommerliche Hitze- obgleich es gerade mal April und somit noch nichteinmal lang Frühling war- und reichte trotz ihrer geringen Kraft dazu aus, die Zweige der in Blüten stehenden Kirschbäume um Einiges zu erleichtern, wovon nicht gerade wenig sich zwischen meinen hellblonden Haarstränen verfing.

Es störte mich nicht, nicht im Geringsten; vielmehr löste es ein beruhigendes Gefühl der Geborgenheit in mir aus, als wollte er mir zeigen, dass er noch immer bei mir war.

Der strahlend blaue Himmel, benetzt von nur hauchdünnen Wolkenfetzen, die die meisten in ihrer Hektik des Alltags vermutlich nicht einmal wahrnahmen, geziert von der hoch stehenden Sonne, die ihre Strahlen zwar warm, aber außergewöhnlich friedlich zur Erde gleiten ließ und die aneinander gereihten, dennoch keiner wirklichen Ordnung oder einem unnatürlichen Zwang folgenden Kirschbäume, die ihre Blütenpracht in aller Schönheit präsentierten ließen diesen Ort so idyllisch, ja nahezu perfekt wirken.

Wäre da nur nicht dieser Fluss, der die paradiesische Landschaft so abrupt durchschnitt, bedrohlich lautlos dahinglitt, wie eine riesige, schwarze Schlange, die nur darauf wartete, endlich ihr nächstes Opfer zu verschlingen.

Wenn man all seinen Mut zusammen nahm und sich getraute, dem Ungestüm in die abgrundtiefen Wassermassen zu sehen, erblickte man lediglich sein eigenes Antlitz, so scharf widergespiegelt, dass ein jeder Spiegel es nicht besser tun konnte.

Es war eine Illusion, sollte die Abgründe vertuschen, die unter der tiefdunklen Oberfläche nur so darauf lauerten, Einen hinab zu ziehen.

Dieser Illusion war mein Vater vor genau fünf Jahren zum Opfer gefallen.

Seitdem kam ich jeden einzelnen Tag an diesen Ort, stand einfach nur an einem unbestimmten Punkt und musterte das schwarze Monster, das ihn für immer in seinen Tiefen gefangen hielt.

Ich wollte nicht trauern, keinen einzigen negativen Gedanken verschwenden.

Nicht etwa, weil mir sein Verschwinden nicht nahe ging, so wie es mir meine Mutter gelegentlich vorwarf, sondern weil ich ihn nicht damit strafen wollte, dass sein Sohn aufgrund von seiner Abwesenheit die Kontrolle verlor.

Natürlich war ich mir dessen bewusst, dass es nahezu unmöglich war, durch und durch positiv zu denken, doch ich gab mir zumindest große Mühe.

Vielleicht war der Besuch dieser außergewöhnlichen Art von Ruhestätte viel mehr dazu mutiert, dass ich die Zeit nutzte, um meinen Gedanken nachzugehen, als dass ich dem Toten Respekt erwies, doch in gewisser Hinsicht konnte ich so die vertrauten Gespräche nachempfinden, die ich sooft mit ihm geführt hatte.

Ohne, dass es in meiner Absicht lag, stahl sich eine einzelne Träne in meinen Augenwinkel und im Begriff, diese wegzuwischen hob ich meinen Blick, der kontinuierlich auf der beinahe unnatürlich glatten Wasseroberfläche geruht hatte, ein wenig; da fiel mir die Person am gegenüberliegenden Ufer auf.

In all den Jahren, in denen ich diesen Ort aufgesucht hatte, hatte sich nie auch nur ein winziger Anflug von Veränderung gezeigt; so ließ ich es nach einer Zeit bleiben, mir ständig Sorgen über unerwünschten Besuch zu machen.

Zu Unrecht, wie es sich nun herausstellen sollte.

Es handelte sich um einen Jungen zierlichen Körperbaus, wahrscheinlich nicht wirklich älter als ich, an dem Einem sofort seine feinen und sanftmütigen Gesichtszüge ins Auge sprangen, die ihn in perfekter Harmonie mit dem idyllischen Umfeld stehen ließen, vorallem, da seine Haarfarbe nahezu den selben Ton trug, wie die Kirschblüten zu unserer beider Köpfen.

Genauso, wie ich damals handelte, als ich diese momentan sattgrünen Wiesen betreten hatte, besah der Fremde den Fluss mit zusammengekniffenen Augen, folgte seinem Verlauf per Blick.

Erst, als er sich der so viel schöneren Landschaft widmete, schien er auf meine Anwesenheit aufmerksam zu werden, formte entgegen meiner Erwartungen die rosigen Lippen zu einem Lächeln.

"Mein Name ist Hong Jisoo.", flog seine leise Stimme mir ebenso sanft entgegen, wie die anfängliche Windbrise, nur, dass sie sich nicht in meinen Haaren, sondern in meinem Kopf festsetzte.

"Yoon Jeonghan.", nannte ich im Gegenzug auch meinen Namen; zu gern hätte ich mehr angebracht, doch aus mir unbekannten Gründen drohte meine Stimme zu versagen.

Für einen winzigen Moment lang weiteten sich die Augen des Anderen kaum merklich, trotz der Entfernung für mich sichtbar.

"Also, bist du ebenfalls wegen deines Vaters hier...Ich nehme an, du weißt im Gegensatz zu mir nicht erst seit heute von diesem Ort?"

Und da ging mir ein Licht auf.

Stets war davon die Rede gewesen, dass mein Vater in Begleitung eines guten Freundes aufgebrochen war- eine zeitlang hatte meine Mutte diesem sogar die Schuld gegeben- aber nie hatte ich in Erwägung gezogen, dass dessen Sohn mein Schicksal teilen könnte.

"Es ist kein schönes Gefühl, nicht?"

Es war, als bräuchten wir keine großen Worte.

Ein Jeder kannte die Geschichte, ging damit vermutlich ähnlich um und sah es nicht für nötig, diese Wunden wieder aufzureißen.

"So, wie die tiefen Abgründe des Flusses zwischen uns.", meinte der sich als Jisoo Vorgestellte nach einer kurzen Pause. "So fühlt es sich an."

"Weißt du, was auch tiefgründig ist?"

Ich lächelte nun, mehr unbewusst, als wirkich gewollt, aber es trug das zufriedene Gefühl nach außen, das mich erfüllte, seit ich begonnen hatte, mit Jisoo zu sprechen.

"Deine Ausdrucksweise."

Auch sein Gesicht wurde augenblicklich von einem Lächeln geziert; die dunkelbraunen Augen vereinten sich sinnbildlich mit den Meinen und das Gefühl der Zufriedenheit wuchs.

"Vielen Dank, du bist der Erste, der mir je soetwas sagt. Der Großteil meines Umfeldes erachtet meine Art, mich auszudrücken als unnötig kompliziert oder hochtrabend."

Unwillig schüttelte ich meinen Kopf, wobei einzelne Kirschblüten, die kontinuierlich in meinem Haar festhielten, zu Boden segelten; ich wollte einfach nicht glauben, dass Menschen dazu fähig waren, ihn nicht wertzuschätzen.

"Ich finde sie sehr angenehm.", beteuerte ich. "Du kannst es ruhig so beibehalten, wie es dir liegt."

Ein Funken Belustigung blitzte in seinen Augen auf, in welchen ich mich nach wie vor gefangen fühlte.

"Das klingt, als würden wir noch einige Zeit miteinander verbringen wollen."

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