2. Kapitel

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Da es eine kleine Verzögerung gab, komme ich drei Stunden später in Malaga an. Es fühlt sich komisch an wieder festen Boden zu betreten und ich bin ein bisschen wacklig auf den Beinen. Ansonsten hab ich den Flug gut überstanden. Meine anfängliche Angst beim Start hat sich schnell gelegt. Fasziniert hab ich beobachtet wie die Felder und Häuser immer kleiner geworden sind bis nur noch gelbe, grüne und braune Quadrate zu erkennen waren und wir schließlich über den Wolken waren.

In der Ankunftshalle herrscht geschäftiges Treiben. Ich brauche eine Weile um mich zurechtzufinden. Nachdem ich einmal falsch abgebogen bin, schaffe ich es doch noch zur Gepäckausgabe. Erwartungsvoll beobachte ich das Fließband auf dem die Koffer im Kreis fahren, kann meinen aber nirgends entdecken. Langsam werde ich nervös. In meiner Tasche hab ich nicht mal eine Unterhose zum Wechseln. Keine Ahnung wie oft das Band schon im Kreis gefahren ist als endlich mein auffälliger lila Trolli auftaucht. Erleichtert atme ich auf.

Mein Herz rast als ich nach meiner Gastmutter Carmen Ausschau halte. Erst jetzt wird mir so richtig klar, dass ich sie tatsächlich garnicht kenne. Sie ist eine vollkommen fremde Frau und ich vertraue mich ihr an. Natürlich hab ich es die ganze Zeit gewusst, aber jetzt ist es real. Wenn sie ein schrecklicher Drache ist, werde ich trotzdem die nächsten drei Monate mit ihr zusammen leben müssen. Auf dem Foto, das mir die Schule geschickt hat, sah sie sehr nett aus. Ich hoffe, dass ich mich da nicht getäuscht hab.

Es dauert nicht lange bis ich sie unter den anderen wartenden Menschen ausgemacht hab. Sie trägt ein großes Pappschild, auf dem ihrer und mein Name steht. Eine attraktive Frau um die vierzig mit gebräunter Haut und schönen schwarzen Locken. Als sie mich erkennt, lächelt sie herzlich. Diese Frau kann gar kein wütender Hausdrache sein.

„Hallo, ich bin Luisa", stelle ich mich vor und überlege schon ob ich ihr die Hand geben soll. Doch Carmen schließt mich einfach in eine lockere Umarmung und haucht mir links und rechts einen Luftkuss auf die Wange. Ich fühle mich ein bisschen überfallen, lasse mir aber – zumindest hoffe ich das – nichts anmerken. Daran muss ich mich wohl gewöhnen.

„Schön, dass du da bist. Wir freuen uns auf dich."

„Ich freu mich auch. Es ist so aufregend das erste Mal von zu Hause wegzugehen."

„Wir werden eine schöne Zeit zusammen haben", versichert mir Carmen.

Mein Magen knurrt laut als wir uns auf den Weg zum Ausgang machen. Ich konnte mich nicht überwinden das eklige Pappsandwich aus dem Flugzeug zu essen.

Carmen lacht nur. Es klingt aufrichtig und fröhlich. „Wenn wir nach Hause kommen, steht das Essen schon auf dem Tisch. Meine Tochter Alicia ist eine großartige Köchin."

Während der Fahrt erzählt Carmen mir von ihren Kindern. Alicia ist die älteste. Sie ist achtundzwanzig und wohnt mir ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter Dulce ein paar Straßen von Carmens Haus entfernt, ist aber oft zu Besuch. Dann gibt es noch Benito. Er ist fünfzehn und macht wohl gerade eine schwierige Phase durch. Mehr sagt Carmen dazu nicht. Offenbar ist das Verhältnis zwischen den beiden nicht das Beste, vermute ich.

„Felipe wirst du erst morgen kennen lernen. Er arbeitet heute und abends ist er meistens mit Freunden unterwegs. Du wirst ihn mögen. Er ist ebenfalls ein ausgezeichneter Koch."

„Das hört sich gut an", freue ich mich, „Bei uns zu Hause wurde nie besonders viel gekocht."

Ich bin so sehr in das Gespräch mit Carmen vertieft, dass ich kaum etwas von der Stadt sehe. Das einzige was mir auffällt sind hässliche triste Hochhaussiedlungen. Hier und da hängt eine spanische Flagge oder Wäsche auf den Balkonen. Ansonsten wirkt alles sehr grau. Ein Glück, dass wir sie bald hinter uns lassen.

Bis wir uns liebenWhere stories live. Discover now