I. Der Fluch der Weihnachtslieder

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Auch nach zwei Wochen fühlte sich die neue Prothese noch ungewohnt an. Vielleicht war es, weil sie keine Haltegurte hatte, vielleicht auch, weil die künstliche Haut enger auf ihrer Schulter auflag, um den Übergang zu verbergen. Immer wieder erwischte sich Pakhet dabei, ihre Hand zu betrachten, die selbst für ihre eigenen Augen real aussah. Da waren so viele Details. Kleine Muttermale, die Fingernägel und kleine Haare auf dem Arm. Es war wirklich gute Arbeit.

Umso irritierender war, dass sie die Kälte des mit Kondenswasser überzogenen Glases nicht wahrnehmen konnte. Ja, sie spürte, dass sie etwas in der Hand hielt, spürte den Druck ihrer Finger, doch die Kälte spürte sie genau so wenig wie Wärme.

Sie konnte sich nicht davon abhalten, das Glas mit ihrer rechten zu berühren, nur um sicher zu gehen, dass es wirklich kühl war. Wie albern.

Sie saß an der Bar eines kleinen, gehobenen Pubs, das genau so wenig wie der Rest der Stadt vom Weihnachtskitsch verschont geblieben war. In einer Ecke saß ein hübscher, gold geschmückter Weihnachsbaum und die Decke über der Bar war mit einer Lichterkette verziert. Wenigstens war es kein echter Tannenbaum, sondern nur ein Imitat aus Plastik.

Ach, sie hatte die Besessenheit mit diesen Traditionen nie verstanden. Vor allem nicht hier, auf der anderen Seite der Welt. In Südafrika fiel der 24. Dezember in den Sommer. Draußen war es warm, heiß, die Atmosphäre hier drin nur durch die Klimaanlage erträglich.

Generell erschien die Weihnachtszierde albern. Warum sollte man herkommen, wenn nicht um den Festlichkeiten der nächsten Tage zu entfliehen? Oder weil man wie sie war: Allein. Nicht dass sie dadurch etwas misste. Es war nur langweilig, sofern sie über die Feiertage keinen Job hatte.

Deswegen war sie hergekommen. Nach Joburg in der Hoffnung ein wenig Ablenkung zu finden.

Sie drehte sich ein Stück auf dem Barhocker, wanderte sich dem Raum hinter ihr zu. Ein länglicher, nicht sonderlich tiefer Raum. Hinter der Bar waren knapp zwei Meter Freiraum, dahinter eine Reihe kleiner Tische für zwei Personen, die direkt an die Wand oder die Glasfront anschloss, die den Pub mit der Lobby des anliegenden Hotels verband.

An den beiden Enden des Raums war jeweils eine kleine Ecke mit Tischen, die im Notfall Platz für fünf Personen bieten würden.

Doch der Pub war verhältnismäßig leer. Außer ihr saßen noch drei Leute an der Bar, zwei Paare an den Tischen und eine Gruppe aus drei jungen Männern an einem der größeren Tische. Sie sprachen Französisch und schienen Touristen zu sein. Was auch immer einen veranlasste, Weihnachten in Südafrika zu verbringen. Es ging sie nichts an. Die drei waren ohnehin zu jung für ihren Geschmack. Wie alt? Sicher nicht über 25.

Sie suchte Gesellschaft, ja, doch würde sie jemand, der zumindest in etwa ihr Alter hatte bevorzugen.

Eine Jazzversion irgendeines Weihnachtssong, der sie an lang vergangene Weihnachtsfeste erinnerte, duddelte leise über die Lautsprecher. Sie erkannte ihn nicht einmal, auch wenn er diese Erinnerungen weckte.

Vielleicht hätte sie an einen anderen Ort gehen sollen. Eine der größeren Bars, vielleicht eine Diskothek? Sie konnte noch immer gehen. Es war gerade einmal kurz nach neun.

Doch blieb sie, schwenkte ihr Whiskeyglas bedächtig vor sich. Die Eiswürfel ließen das Glas leise klirren.

Es war letzten Endes auch egal. Joburg war wenigstens eine Abwechselung. Es war besser hier, als in Kapstadt herumzusitzen. Im Kapstadt würde nur Robert wieder versuchen, sie zu Dingen zu überreden, von denen er wusste, dass sie unmöglich waren.

Sie trank einen Schluck.

An sich konnte sie sich auch allein amüsieren. Sie hatte eins der besseren Zimmer gemietet, eins mit einem eigenen, kleinen Heimkinosystem. Oder sie konnte in ein richtiges Kino gehen. Die Nacht war noch Jung. Ihre Möglichkeiten offen.

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