Sonntag, 11. November

49 4 0
                                    

20:13 Uhr

Ich stehe ruckartig auf, sehe auf das Bett hinab, welches hinter mir steht. Ich atme einmal tief ein und halte die Luft in mir, denn ich weiß nicht was für Laute herauskommen könnten. Nicht weinen. Ich werde nicht weinen. Langsam sinke ich auf meine Knie, ich sehe auf die strahlenden Sterne auf der hellblauen Decke, ich streiche immer und immer wieder über sie, sie werden verschwommen. Ich halte an dieser Decke fest, bis die Konturen der Sterne immer stärker hinter den herunterlaufenden Tränen verschwinden. Ich drücke meine Augen so fest zu, so fest wie es nur geht und grabe mein Gesicht in den Stoff. Meine Finger kralle ich in meine Haare während sie anfangen zu zittern. Meine Augen zucken, meine Schultern ebenso, als ein Schluchzen aus meinem Mund herauskommt. Ich springe aus meiner Ekstase heraus, schreie laut, reiße alles weg, was mir in die Quere kommt. Ich sehe mein Spiegelbild, das ich bei meinem umherschauen erkenne und blicke in die Augen eines Mädchens, dass ich nicht mehr wiedererkenne. Schwer atmend und wutentbrannt packe ich ein Kissen und schmeiße es mit voller Wucht gegen dieses Bild. Sie sieht mich immer noch an und schluchzt so erbärmlich. Ihre Schwäche und ihre Tränen machen mich immer rasender bis wir aufeinander zu rennen und auf uns einschlagen, solange bis das Glas klirrt und ich die tausenden Splitter im Teppich glänzen sehe. Die Kommode ist das nächste Objekt in meinem Visier, welches ich packe und umwerfe, wobei ein neuer, noch lauterer Schrei aus meiner Kehle kommt. Ich zerre an den Schubladen, reiße alles heraus, was ich in die Finger bekomme. Alles, was nun auf dem Boden liegt, trete ich weg von mir. Die Kleidungsstücke fliegen in alle möglichen Richtungen, es ist alles zerstreut. Die dicken grauen Vorhänge ziehe ich herunter, ich ziehe so fest, dass das Stahlseil auf den Boden schmettert. Ich nehme einen von den Kartons von der Kommode und schmeiße ihn mit aller Kraft die ich noch habe gegen die beige gestrichene Zimmerwand. "Ich hasse dich. Ich hasse dich so sehr.", brülle ich. "Ich hasse dich. Ich hasse dich! Ich hasse dich!" Blind vor den herunterströmenden Tränen greife ich nach allem, was noch zu fassen ist. Ich werfe alles quer durch das Zimmer, ob alte Vase, Bild oder Glasflasche. Und jedes mal schreie ich erneut so laut, dass meine Kehle zu brennen beginnt und ich Salz schmecke. Ich versuche mich aus diesem Zustand zu befreien, lege mich auf den Boden, winde mich von links nach rechts, von rechts nach links und steigere mich in immer stärkere Heulkrämpfe hinein, sodass ich irgendwann nichts mehr um mich herum mitbekomme. "Beruhig dich", flüstert er in mein Ohr, ohne mich auch nur eine Sekunde lang loszulassen. Er hält meinen Arm so fest, als hätte er Angst, ich würde jeden Moment aufstehen und wegrennen. Ich höre seine Stimme, doch das was er sagt, hat keine Bedeutung. Ich versuche mich aus seinem Griff zu lösen, doch jedes Mal packt er fester zu. "Lass mich los! Fass mich nicht an!", schreie ich ihn so laut ich kann an. Ich bohre meine Nägel in seine Arme, rote Striemen machen sich schnell bemerkbar. Doch er reagiert nicht, er hält mich ohne mit der Wimper zu zucken weiter fest. Lass mich los. Fass mich nicht an. Fass mich bitte nicht an. Bitte nicht. Wie ein Echo im Inneren höre ich eine sanfte und helle Stimme. Mein fester Griff erschlafft und ich sinke wie bewusstlos in seine Arme. Die letzten Tränen die aus mir herausfließen sind meine letzte Kraft, ich bewege mich nicht mehr, ich bin vollkommen wehrlos, vollkommen hilflos. Ich bin wie ein Plastikglas, das voll mit Wasser gefüllt ist, doch welches ein kleines Loch hat, aus dem unaufhörlich die Flüssigkeit herausströmt. Ich bin zu schwach für ihn. Ich kann mich nicht wehren. Ich muss mich geschlagen geben. Er hat gewonnen. Kurze Zeit später ist Elias Griff schwächer, er dreht mich sanft und behütet um, doch ich kann es nicht über mich bringen ihn anzusehen. Als das ganze Wasser aus dem Glas heraus ist, sinkt es zusammen und gibt nach, es erschlafft vollkommen und so sinke ich in seine Brust, halte mich mit letzter Kraft an dem Saum seines T-Shirts fest. Ein leises Schluchzen überkommt mich und ich lehne mich dorthin, wo ich sein Herz schlagen höre. Er umfasst meinen Hinterkopf und drückt mich näher an sich. "Liv", flüstert er ganz leise, als hätte er Angst ich würde beim Klang eines Tones zerbrechen. Seine Stimme ist ganz nah an meinem Ohr, er klingt vollkommen ruhig. "Wir müssen sofort hier raus. Du musst hier sofort raus. Jetzt."

Why did you do that?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt