Montag, 10. September

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16:33 Uhr

Milan ist wirklich meine Rettung in dieser Tyrannenanstalt. Nach und nach sind wir nicht nur auf einige Gemeinsamkeiten unserer Leben gestoßen, sondern auch auf viele Unterschiede. Er ist auch adoptiert worden, kennt seine leiblichen Eltern jedoch und hält den Kontakt. Er ist nicht das einzige Kind in der Adoptivfamilie, denn er hat noch zwei Schwestern, die aber leiblich sind. Sein größter Traum ist es eines Tages Schauspieler zu werden und zusammen mit den größten Stars zu arbeiten. Aber weil das eventuell ein bisschen unrealistisch ist, wie er selber weiß, da er keine Erfahrung im Schauspielbusiness hat, möchte er BWL studieren, als eine Art Plan B. Dann wollte er meinen Traumberuf wissen und als ich meinte, ich möchte Autorin werden, um in Jogginghose, mit Ben&Jerry's zuhause rumzusitzen und Bücher zu schreiben, fragte er mich nur, welches Genre ich denn wählen würde, worauf ich antwortete "Ist das Genre wichtig?". Er grinste mich breit an und unserer Freundschaft stand nichts mehr im Weg. Jetzt sitze ich im Bus nach Hause und überlege mir, ob ich erst zu Jess gehe oder zuerst den Wocheneinkauf erledige. Naja, so sehr ich Jess liebe, aber ein normales Essen ist mir wichtiger, denn Mona ist vegan, ihre ganze Nahrung ist zuckerfrei und schmeckt nach überhaupt nichts, denn sie ist, wie Mona gerne sagt, "neutral". Sie kann das ruhig auch machen, ist ihre Sache, aber ich bleibe lieber bei meiner Ernährungsweise. Also kaufe ich zusätzlich zu ihren Sachen, eine Familienpackung Mars, ein Sixpack Cola und was ich sonst noch so zum Überleben benötige. An der Kasse muss ich der Kassiererin fünf Mal zuschnipsen, damit sie aus ihrer Trance erwacht. Sie starrt die ganze Zeit an mir vorbei zur Nachbarkasse und ruft wimpernklimpernd: "Hey, Elias." Ich glaube ihr Arbeitstag ist zu lang. Da ich aber doch ein wenig neugierig bin, schaue ich über meine Schulter zu diesem 'Elias' und ja, er sieht nicht schlecht aus. Auf das Geklimpere der Kassiererin reagiert er nur mit einem genervten: "Hey, äh....Nele." Ich drehe mich wieder zu meiner Ware und fuchtele mich meiner Kreditkarte herum, damit die Frau endlich versteht, dass ich zahlen möchte. Sie nimmt sie an und redet eifrig mit dem Typen weiter. "Denkst du echt, die nehmen dich an der Schule auf? Ich meine du warst nicht gerade kurz weg." Sogar von hier sehe ich, wie er die Augen verdreht. "Ist mir eigentlich echt egal", gibt er brummend von sich. "Ich hatte eh keine Lust da wieder hinzugehen." Als diese Kassiererin sich endlich wieder dafür entscheidet, sich um ihren Job zu kümmern, werfe ich noch einen Blick auf ihn und stelle zwei Dinge fest:

1. Er hat ein echt bezauberndes Lächeln und strahlend weiße Zähne. Wenn er lächelt bilden sich niedliche Grübchen in seinen Wangen.

2. Moment einmal, wird mir gerade heiß oder habe ich Schmetterlinge im Bauch? Nein, ich bin bestimmt einfach krank, eine Darminfektion wird es sein!

Das Gefühl, das ich gerade verspüre ist so ungewohnt, dass ich überhaupt nicht weiß, wie ich damit umgehen soll oder wie ich es deuten muss. Ich habe keine Ahnung, warum der Typ etwas anderes bewirken sollte, aber es ist das erste Mal, dass ich in meinem Leben auf jemand Attraktives wie ein gewöhnliches 17 jähriges Mädchen reagiere. Aber ich bin noch nie so jemandem begegnet. Er ist hübsch. Er ist nicht zu Bad Boy mäßig, aber auch kein Milchbübchen, er ist mehr wie ein zarter junger Gott. Er ist eine Mischung, die breiten Schultern, aber nicht zu breit, die ungekämmten, dunklen Haare, die einfache Jeans mit dem weißen T-Shirt. Seine Frisur könnte aber einen Friseurbesuch gebrauchen, denn die Haare sind so lang, dass er sie sich aus dem Sichtfeld streichen muss, als er mich anschaut. Verdammt, er hat mich beim Starren erwischt. Ich möchte am liebsten aus dem Laden rennen, als ich seine Reaktion sehe. Sein Lächeln verschwindet, er schaut mich finster an und runzelt die Stirn, als würde ihn meine Anwesenheit abstoßen. Ich drehe mich verwirrt zur Kasse und nehme meine Sachen. Merkwürdig. In binnen paar Sekunden, hat es dieser Kerl geschafft mich zuerst völlig zu verzaubern und dann vollkommen einzuschüchtern. Diesen Wechsel verträgt mein Körper überhaupt nicht, er soll mich so neutral wie die Kassiererin, die er zu kennen scheint, ansehen. Ich nehme noch den Kassenzettel und eile zum Ausgang.

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