Tobi schob meinen Kinn zur Seite, um sich den „Unfall" auf meinem Hals genauer ansehen zu können. „Donnerwetter." Sogar ich wusste, dass man dieses Wort heutzutage nicht mehr sagen sollte.
Er ging auf Abstand, um es von weitem noch einmal anzusehen und kratzte sich am Hinterkopf. „Die gute Nachricht, es ist von Weitem fast unsichtbar."„Und die schlechte?" Ich stieg vom Waschbecken, auf dem ich zuvor gesessen hatte, und legte mir die Kopfhörer um den Hals, die das ganze bedeckt hielten. Ich befürchtete das Schlimmste.
„Die Schlechte ist, dass wer auch immer das war gute Arbeit geleistet hat. Den wirst du erst einmal nicht wieder los." Ich stöhnte, warf den Kopf leicht azurück und lehnte mich gegen das Becken. „Ernsthaft?" Ich hoffte wirklich, er sagte ,nein'.
„Ernsthaft."Er stellte sich neben mich, legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte dann ganz seriös: „Wenigstens bist du nicht schwanger." Ich schenkte ihm einen Blick, der deutlich aussagte, dass er und seine Witze mich mal konnten.
Ich kannte viele Gründe, weshalb eine arme hilflose Gestalt wie die meine plötzlich ermordet werden konnten. Viele von ihnen hatten mit meiner Mutter zu tun. Andere mit Lena aber das ist jetzt gerade unwichtig.
Sie war sich zwar nicht sicher, ob mein Konsum kontrolliert ablief aber sie hatte immer darauf vertraut, dass ich keine Dummheiten anstellte. Wenn sie den Fleck sehen würde, konnte ich die nächsten Freitage bis ich 18 bin mit Lesen und Riverdale auf Netflix verbringen, sollte die Serie noch lang genug gehen dafür.
„Und du hast echt keine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?"
Ich schüttelte den Kopf und nahm den Penny-Kaffee vom Waschbeckenrand. Ich hatte absolut keine Ahnung. Ich bin mit ziemlich vielen Leuten in Berührung gekommen, insofern, dass ich mit vielen Bekannten als auch Unbekannten geredet und was unternommen hatte.
„Vielleicht war es ja Emily."
Überrascht sah ich auf, weil ich selbst noch nicht auf die Idee gekommen war. Emily. Irgendwas war da doch, oder?
Ich trank den letzten Schluck und verzog dabei nachdenklich das Gesicht, was Tobias als eine Art Hilferuf zum Denkanstoß verstand und dann hinzufügte: „Du hast sie geküsst."
Ich bekam einen Hustanfall ehe ich merkte, dass Trinken und schockiertes Luftholen zur gleichen Zeit nicht funktionieren konnte. Ich beugte ich wieder über das Waschbecken und versuchte angestrengt den Kaffee aus meinen Lungen zu bekommen. Dann sah ich ihn noch schockierter an. „Emily? DIE Emily? Die komische Emily?"
Tobi grinste und schüttelte nur den Kopf. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass du das vergessen hast und ich es dir sagen darf. Und ja, die Emily. Und sie ist nicht komisch, nur etwas....schüchtern. Aber eigentlich ganz cool, wenn man ihr was zu trinken gibt und sie etwas mutiger wird." Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Aber das hast du glaub ich selbst gemerkt gestern."
Ich konnte nicht fassen, dass er sich in so einem Moment über mich lustig machte. Es war ein ätzendes Gefühl zu wissen, dass man mit Leuten rumgemacht hat ohne sich zu erinnern, wer sie waren. Ich konnte diesen Menschen (ich betete einfach mal, dass sie die einzige war, die ich geküsst hatte) einfach über den Weg laufen und.....nein.
Nein, nein, nein, nein, nein, nein.
Nein.
Das habe ich nicht gemacht. Nicht einmal betrunken würde ich an einem Abend mehr als ein Mädchen küssen. So jemand war ich nicht.
Oder?
„Alter, man kann sehen, dass du gerade übelst die Identitätskriese schiebst."
Ich sah Tobi wieder an. „Sag mir bitte, dass sie die einzige war." Er zuckte nur mit den Schultern. „Soweit ich weiß, aber ich hab dich die meiste Zeit nicht gesehen. Und du hast sie nicht wirklich geküsst, wir haben Wahrheit oder Pflicht gespielt."
DU LIEST GERADE
The Lucas Syndrome
Teen FictionLucas ist 15, abergläubisch, Teehasser, stolzer Engländer und absolut überzeugt davon, dass das Leben einfach zu kurz ist, um zu warten, bis alle einen akzeptieren, bis er schlau genug ist, um keine Fehler mehr zu machen oder zumindest im Ansatz ver...