Kapitel 1: Verhängnisvoller Fehler

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Kirishimas Pov

Jener Tag, der sich später als schlimmster Tag meines Lebens entpuppte, fing an wie jeder andere. Ich war inzwischen 17, und stand somit kurz vor der Volljährigkeit. Ich wachte auf meiner harten Matratze im Schlafsaal auf und rieb mir müde über das Gesicht. Der kleine Hisashi hatte die ganze Nacht geschrien und es brauchte viel Überredungskunst, um ihn wieder zum Einschlafen zu bewegen. Es war still im Haus, es war noch keiner wach, aber obwohl ich müde war, hatte meine innere Uhr mich geweckt.

Als ich aufstehen wollte und die Bettdecke zur Seite zog, bemerkte ich den kleinen Körper, der neben mir lag. Tomoko, ein fünfjähriges Mädchen, hatte sich an mich gekuschelt. Ich lächelte leicht und strich ihr durchs rabenschwarze Haar. Sie kroch manchmal des Nachts in mein Bett, da sie oft schlecht träumte. Sie beteuerte jedes Mal, dass es das letzte Mal sein würde, da sie inzwischen viel zu alt dafür wäre, schlich sich aber trotzdem noch ab und zu unter meine Decke.

Tomokos Augen öffneten sich, als ich versuchte unbemerkt aus dem Bett zu steigen. „Morgen, Eiji.", sagte sie und streckte sich wie eine Katze. „Ich hab' Hunger!", stellte sie fest und sah mich erwartungsvoll an.

Ich unterdrückte ein Lachen. „Komm wir machen dir was." Sie sprang aus dem Bett und nahm meine Hand. Ebenfalls etwas, von dem sie beteuerte, dass sie dafür viel zu alt wäre. Aber meine Hand hatte sie noch immer angenommen.

„Eiji! Krieg' ich Rührei?"

„Das gibt's doch nur an besonderen Tagen!"

„Heute ist aber ein besonderer Tag!"

Überrascht schaute ich sie an. „Wieso, was ist denn heute?"

„Heute kommen meine neuen Eltern!", strahlte sie. Dann würde ihr Blick urplötzlich traurig. „Aber ich werde dich vermissen Eiji!"

Ich lächelte leicht. „Ich werde dich auch vermissen."

Zusammen gingen wir in die Küche und ich machte ihr tatsächlich ein kleines Rührei. Wenn dies wirklich ihr letzter Tag im Heim sein sollte, dann sollte sie diesen gut in Erinnerung behalten.

Kurz nachdem ich ihr ihr Frühstück serviert hatte kam Miss Crownway herein, den kleinen Hisashi auf dem Arm. Sie hatte ihre grauen Haare in ihrem üblichen strengen Dutt hochgebunden und wie immer eine weiße, hochgeschlossenen Bluse an. Als sie uns beide am Frühstückstisch sitzen sah, lächelte sie uns an.

„Guten Morgen, ihr beiden!", sagte sie mit ihrem breiten ausländischen Akzent, setzte Hisashi in den Kinderstuhl und gab Tomoko und mir einen Kuss auf die Stirn.

„Eijirou! Du solltest mich wirklich deine Haare schneiden lassen!", sagte sie und betrachtete mich kritisch.

Tomoko gluckste vergnügt. Das Thema kam andauert auf und sie beobachtete uns beide, wie ein bekanntes aber gutes Theaterstück.

Ich seufzte, als ich mir durch meine langen schwarzen Haare fuhr. „Aber ich mag sie so lang!"

Die strenge Heimleiterin kniff ihre Lippen zusammen. „Dann binde sie wenigstens zusammen. Wir bekommen heute Besuch.", befahl sie und lenkte ihren Blick auf Tomoko.

Stöhnend befolgte ich ihre Anweisung und band meine Haare zusammen. Ich mochte das nicht besonders. Mein Gesicht war zu ungewöhnlich. Da waren meine strahlend roten Augen und die kleine, aber markante Narbe unter meiner rechten Augenbraue. Hinter meinen langen Haaren konnte ich ein Grinsen verdeckten, wenn mir doch eines über die Lippen kam. Doch wenn ich sie in einem Zopf zurück band musste ich deutlich mehr aufpassen.

Ich war gerade dabei Hisashi zu füttern, als es energisch an der Tür klopfte. Tomoko sprang auf. „Das sind meine neuen Eltern!", rief sie und war im Begriff zur Tür zu rennen.

Miss Crownway hielt sie jedoch zurück. „Nicht so ungestüm, Kind!" Tomoko blieb stehen, aber das Leuchten in den ihren Augen verringerte sich kein bisschen.

Miss Crownway holte sie ein und sie gingen gemeinsam zur Tür. Auch ich wollte sehen, wer Tomoko adoptieren wollte. Ich hatte mir insgeheim schon ein wenig Sorgen gemacht. Die meisten Paare wollen die Kinder im jüngeren Alter adoptieren. Viele zogen sogar schon bei drei Jahren eine Grenze. Umso froher war ich, dass Tomoko nun doch noch eine Chance auf eine Familie hatte. Ich hob Hisashi aus seinem Kindersitz und setzte ihn mir auf die Hüfte, sodass ich ihn mit einem Arm halten konnte, bevor ich ihn in den Laufstall setzte. Dann folgte ich den beiden.

Ich hörte eine tiefe raue Stimme, als ich in den Flur trat. Ein grobschlächtiger Mann stand in der Tür und redete auf Miss Crownway ein. „Hör'n se mal! Das ham wa doch alles abjesprochen!", rief er aufgebracht.

Der Mann lallte ein wenig und versuchte Tomoko zu packen, aber Miss Crownway schob sie schnell hinter sich. „Nein, Herr Tekashi. Ich habe mit ihrer Frau besprochen, dass sie sie gemeinsam abholen, damit ich mir vorher ein Bild von Ihnen machen kann. Die Papiere sind noch nicht unterschrieben.", ihre Stimme war ruhig und bestimmt. Ich wusste, dass Miss Crownway Tomoko niemanden überlassen würde, von dem sie nicht wusste, was er für ein Mensch war. Und Herr Tekashi schnitt gerade gar nicht gut ab.

„Was? Heißt das ich jefall Ihn' nich?", brüllte er sie urplötzlich an.

Miss Crownway zuckte ein wenig zusammen. „Mein werter Herr, Sie stehen betrunken auf meiner Türschwelle. Was denken Sie sich eigentlich?" An ihrem Tonfall wurde deutlich, dass sie allmählich die Geduld verlor.

Ich ging auf die beiden Streithähne zu und stellte mich neben die Heimleiterin. Ich hörte Tomoko leise hinter uns weinen.

„Hah? Wer bist'n du?", fragte er und musterte mich von oben bis unten.

„Eijirou. Ich wohne hier. Ich glaube Miss Crownway ist sehr deutlich geworden. Tomoko wird nicht mit ihnen mitkommen."

Schneller als ich reagieren konnte, spürte ich seine Hand auf meine Wange. Mein Kopf flog zur Seite, als er mir eine Ohrfeige gab.

„Verdammt. Is' dein Gesicht aus Stein?", schrie er mich wütend an, während er seine Hand rieb. Als ob ich schuld daran gewesen war, dass er zugeschlagen hatte.

„Du darfst Eiji nicht hauen!", heulte Tomoko und schlüpfte zwischen mir und Miss Crownway hindurch. Ihre kleinen Ärmchen waren ausgebreitet, in dem Versuch mich vor Herrn Tekashi zu beschützen. Der Anblick rührte mich.

Dann sah ich die boshaften Augen des Mannes vor mir aufblitzen und wusste einen Moment bevor er ausholen konnte, was er vorhatte. Er hatte seine riesige Pranke schon erhoben und wollte auf die unschuldige Tomoko einprügeln. Aber ich machte einen Schritt vor und schob sie einer schnellen Bewegung hinter mich.

Und dann machte ich den Fehler, der mein Leben auf den Kopf stellte. Ich wurde wütend und verlor die Kontrolle. Ich bleckte meine Zähne, als mich der Faustschlag traf. Meine Haut verhärtete sich an der Stelle zu harten Schuppen und Rauch stieß aus meiner Nase als ich heftig ausatmete.

Erst als ich in den verängstigten Gesichtsausdruck des Mannes sah wurde mir bewusst was ich getan hatte. Ich war enttarnt. 

DRACHENBRUT (Kirishima x Bakugou)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt