Szene 3

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Der Schuss hallte noch in meinen Ohren nach. Ich rannte zu ihr, hob sie hoch, drückte sie an mich. Sie war gerade erst gefallen, sie hatte noch eine Chance. Ich drückte meine Hand auf die Wunde um sie zu verschließen. Unsere Kleine durfte einfach nicht sterben. Ich spürte dass die anderen sich fassungslos um mich herum versammelt hatten.

Ebenfalls nahm ich die Polizeisirenen wahr. Sie erklangen dumpf und fern, der Nachhall des Schusses übertönte für mich alles. Der Mistkerl war beim Klang der Sirenen bereits eilig abgehauen. Ich spürte wie warmes, klebriges Blut durch meine Finger floss. Es war zu viel davon. Das Mädchen in meinen Armen wimmerte und blinzelte. Ihre Augen waren verklebt, ihr ganzes Gesicht war tränennass, teilweise waren es ihre eigenen, teilweise meine und die der Anderen. So lange hatten war zusammengehalten, so lange waren wir stark gewesen, so lange eine unzerstörbare Einheit. Sollte das alles jetzt einfach vorbei sein? War dies jetzt das Ende? Stürbe sie, riss sie uns alle mit. Vor allem mich.

Sie hatte die Augen geschlossen, einige Tränen rollten noch raus, ein leises Wimmern kam noch über ihre Lippen. Plötzlich hörte ich ein leises Wispern ihrerseits, wegen der Sirenen kaum vernehmbar. Ich beugte mich näher zu ihr um es zu verstehen.

"Sei stark. Ich werde immer bei euch sein. Und du warst immer die Stärkste von uns. Behalte das bei."

Dann schlossen sich ihre Lippen und sie kuschelte sich etwas an mich.

"Nein!", rief ich. "Du bist die Stärkste, du darfst nicht sterben. Ich brauche dich doch noch. Wir brauchen dich!", setzte ich leise hinzu. Die Tränen erstickten meine Stimme.

"Nicht weinen. So eine kleine Kugel bringt mich schon nicht um", röchelte sie mit einem winzigen, schmerzerfüllten Lächeln auf den Lippen.

Zwei Sanitäter zerrten an mir, wollten sie mir wegnehmen. Unsere Kleine. Ich lies sie nicht los. Ich konnte es nicht. Noch nicht. Noch lange nicht.

"Bitte, wir können ihr helfen, wir werden uns um sie kümmern", redete einer der Sanitäter auf mich ein.

Aber ich wusste es besser. Ich hatte gespürt, dass ihr Körper erkaltet war. Ich hatte gemerkt dass das Blut, welches auf meine Hand geflossen war viel zu viel war. Ich hatte ebenfalls bemerkt wie sie sich versteifte. Und als schließlich der Blutfluss mit ein paar kalten Tropfen endete, wusste ich, man konnte nichts mehr tun. 

Ich hauchte meiner Geliebten einen Kuss auf die kalten, erstarrte Lippen. Die Hand an ihrem Hals, dort wo ich immer ihren Puls gespürt hatte. Wie er sich erhöhte während...

Es war vergangen. Denn dort war kein Puls mehr. Nie wieder.

"Zu spät", sagte ich während ich mich aufrichtete. Der Sanitäter starrte mich verdutzt an. "Sie sind zu spät gekommen", erklärte ich kühl. Dann sprach ich in die Runde: "Sie ist tot."

Ich sah in die Gesichter der anderen. Alle weinten, alle waren zerstört,

Ich weinte nicht mehr. Ich wusste, irgendjemand würde sterben wenn sie von uns ging. Ich hatte Recht damit gehabt. Sie hatte mein Herz mitgenommen. Und genau wie von ihr nur eine Leiche übrig blieb, ihre Hülle, so bleib nur noch ein Stein in meiner Brust zurück. Meine Hülle. Ab jetzt war ich wohl unsterblich, denn ich war bereits gerade gestorben. Sie hatte gesagt, ich sei die Stärkste von allen. Doch das stimmte nicht. Ich war nur die dümmste, die mit den wenigsten Gefühlen aber dafür der größten Angst, mir ebendiese einzugestehen, oder diese sogar zu zeigen. Dennoch hatte sie mich getröstet, noch bevor ich selbst überhaupt wusste dass ich traurig war. Sie war immer für mich da wenn ich sie brauchte, half mir bei meinen Problemen, noch ehe mir ebendiese bewusst waren. Nun war sie tot. Einfach nicht mehr da. Nun konnte mir niemand mehr helfen. Mir stand nun niemand mehr zur Seite. Klar, ich hatte noch mein Team, die anderen täten immer alles dafür, dass es mir gut ginge.

Doch diesmal ging das nicht. Das konnte ich nicht von ihnen verlangen. Sie hatten ihre eigenen Verluste zu betrauern. Da konnte ich ihnen nicht auch noch mich aufbürden.

Nein. Sie hatte Recht gehabt. Diesmal musste ich mich um die anderen kümmern, nachdem sie schon so vieles für mich getan hatten. Diesmal lag es an mir. Und mich konnte es ja nicht mehr treffen. Ich blieb aus Stein, egal was war. Aber die anderen konnten noch gerettet werden. 

Also sah ich jeden einzeln mit festem Blick an. " Kommt ", sagte ich. Und das reichte auch prompt. Ich ging und die anderen folgten mir nach einem letzten Blick zu meiner hübschen, toten Freundin. Niemand konnte sich uns in den Weg stellen. Die anderen hatten sich langsam wieder beruhigt, auch wenn es sie schwer erschütterte. Wir achteten nicht darauf was uns hinterher gerufen wurde, dem Polizeiauto, welches gerade hielt, wichen wir aus, mit mir bekamen sie neue Stärke. 

Wunden lecken konnten sie nachher. Nun musste ich mich wohl um unseren Zusammenhalt und das Seelenwohl der anderen kümmern. Und um die Rache. Ruhe in Frieden, Schönheit.

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