Prolog

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Blut klebte an meinem weißen Kleid, ob es von mir oder jemand anderem war, wusste ich nicht. Ich lief Barfuß über die gefrorene Erde. Es schien Winter zu sein und dennoch fror ich nicht. Es war als wäre etwas bei mir, das mich begleitet, und mich wärmt und trotzdem fühlte ich mich leer. Ich durchquerte einen kahlen Wald, wobei ab und an Tannen Farbe in das Trauerspiel um mich herum brachten. Ich blieb stehen. Steine, Erde und abgebrochene Äste bohrten sich in meine Fußsohlen. Um mich herum konnte ich Krähen hören. Als ich mich umdrehte kamen sie in Schaaren auf mich zugeflogen. Schnatternd flogen sie an mir vorbei, sie glichen den Lichtern der Autos auf einer Schnellstraße, nur war alles um mich herum schwarz, von ihrem Federkleid verdeckt. Sie schienen mich durch den Wald leiten zu wollen. Ich drehte mich in die Richtung, in welche sie flogen und spürte den Wind und ihre Federn meinem Körper streiften. Meine Haare flogen vor meinem Gesicht und es schien, als würden sie mir den Weg durch ihren Tunnel weisen. Nach meinem ersten Schritt spürte ich, wie der Wind und die Vögel um mich herum, mich zum laufen anleiteten. Ich begann zu rennen. Die Erde und Kiesel klebte an meinen nackten Füßen. Ich stolperte einige Male, fiel aber nie. Ich fühlte mich so leicht, so belebt. Meine Hände färbten sich rot vor Kälte, an manchen Stellen, wurden blaue und lila Flecken sichtbar. Ich blieb stehen, da die Vögel fort waren. Ich stand alleine am Rande des Waldes, vor mir lag eine breite Straße. Eine leere Autobahn. Alles war still und Nebel legte sich über die Straße, nur der Wind flüsterte leise und sanft um mich herum. Für einige Minuten stand ich still da und lies die Szenerie auf mich wirken, diese Ruhe, diese Einsamkeit. Ich atmete die kühle Luft ein, wollte den Moment einsaugen. Ich fühlte mich wacher, nachdem die Kälte durch meinen Körper geströmt war. Ich setzte meinen linken Fuß auf den Asphalt. Er war eisiger, als der Waldboden. Der Frost bohrte sich durch meine Füße, in meinen ganzen Körper. Dennoch fror ich immer noch nicht, es war so als würde mich etwas von innen heraus wärmen. Meine Beine spürte ich kaum noch, als ich bemerkte, wie sie blau anliefen. Ich tippelte einige Male mit meinen Fußballen auf der Straße, bevor ich begann ihr zu folgen. Als ich meinen Blick hob, konnte ich, durch den Nebel, ein rot-blau-weißes Lichterspiel erkennen. Dort drüben hörte ich dumpfe Stimmen, welche langsam immer lauter wurden. Ich bewegte mich auf die Lichter zu, vor welchen ich langsam Silluetten erkennen konnte. Einige mit schwarzen Helmen liefen mir entgegen. Ich fragte mich ob sie Ritter waren. Ob ich wohl eine Prinzessin war, doch wo war mein Prinz? Die Stimmen wurden lauter, dennoch nicht klarer. Ich konnte nun erkennen, dass die Ritter Schusswaffen auf mich richteten. Eine Frau in einem braunem Mantel erschien zwischen den Rittern und bewegte sich auf mich zu. Ich wanderte mit meinen Blick hoch ihrem Kragen, zum Hals, zu ihren zitternden Lippen, bis hin zu ihren Augen. Auf einmal war mir nicht mehr warm und ich bemerkte wie die Kälte meinen Körper durchfuhr und ich zu frieren begann. Die Wärme an den Wänden meines leeren Körpers war verschwunden. Die Wärme die mich aufrecht hielt, war fort. Ich sackte mit den Knien auf den gefrorenen Asphalt. Meine roten Hände landeten auf meinem blutverschmierten Kleid. Es war als würde ein Haus in mir zusammen fallen. Tränen flossen mein Gesicht herunter. In meinem Kopf sprangen die Gedanken: Es ist weg. Er ist weg. Ich war alleine in der Realität. Mein Körper krümmte sich, zog sich zusammen und ich schrie, doch obwohl der Scherz so laut in mir war, schaffte er es nicht aus meinem Körper. Ich schrie verzweifelt nach der Wärme, nach ihm. Aber ich wusste er war weg. Ich war alleine. Ich hatte ihn verloren. Ich spürte wie etwas meinem Körper berührte und eine Hand auf meinem Rücken. Die andere Hand wurde mir von der Frau hingehalten, als wolle sie mir aufhelfen. Als ich sie anschaue, bemerkte ich wie ihre Wimpern von der Tusche zusammen klebten. Sie führte mich an den Rittern vorbei, welche mich stillschweigend anstarrten. Mir fielen ein paar Haare ins Gesicht, wobei ich bemerkte, dass diese schneeweiß verfärbt waren. Ich war wie in Trance, in welcher ich alles einfach aufnahm, ohne aktiv an dem Geschehen um mich herum teilnehmen zu können. In meinem Kopf erschien alles Sinnlos. Es wird alles wieder gut." hörte ich die Frau sagen. Gut, dieses Wort hallte in meinem Kopf ununterbrochen wieder. Jemand öffnete die Autotür vor mir, in welches ich mich setzten sollte. Ich ließ mich auf der Rückbank, auf das schwarze Kunstleder nieder. Es knatschte, dann knallte die Tür neben mir zu. Das Auto war warm. Die Polizistin setzte sich vor mir in den Sitz und schaute aus der Frontscheibe, auf die Menschen um uns herum, welche sich miteinander unterhielten. Der Fahrersitz war leer, auf dem Armaturenbrett lagen zwei oder drei Akten und ein silbernes Telefon.

Ich schaute nach unten auf meine geöffneten Hände und beobachtete, wie das blau langsam abschwoll. Die röte an meinen Händen blieb jedoch. Rot. So wie das Blut an meinem Kleid. Ohne den Blick von meinen Händen zu heben begann ich leise zu murmeln: I-Ist-" ich hob mit meinem Blick auch meine Stimme und schaute sie durch den Rückspiegel direkt an und fragte: "Ist das B-Blut von mir?". Die Frau drehte sich zu mir um, ihr Blick erschien verwirrt und traurig zugleich. Ich bemerkte, wie meine Tränen an meinen eisigen Wangen klebten und hörte sie sagen:

"Du hast es also wirklich vergessen."

Das berühmte GefühlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt