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Plätschernd fielen die Tropfen auf das Fenster, während ich mir die vorbeiziehende Landschaft anschaute. Der Himmel war dunkelgrau und es sah ziemlich stark nach einem Gewitter aus.

Das miese Wetter spiegelte meine innere Unruhe wieder, während ich die Blicke von Lucian auf mir spürte und seinen unregelmäßigen Atem hörte.

Völlig entnervt rollte ich mit meinen Augen, sank noch tiefer in den Sitz und hatte nichts besseres zu tun, als auf meine Hände zu starren.
Auszuticken wäre jetzt keine Option.

»Alice?«
Anscheinend nahm er seinen ganzen Mut zusammen um mich anzusprechen, was mich fast zu einem verbitterten Lachen brachte.

»Was, Alice?«, schnaubte ich aufgebracht, denn allein seine Stimme machte mich nervös und zittrig.

Auf irgendwelche sinnlosen Plaudereien hatte ich gar kein Bock. Was wollte er fragen?
Welche Brotsorte ich am liebsten mochte, oder was ich normalerweise frühstücke? Ob ich Allergien habe, oder Milch vertrage?

Doch trotzdem ließ er sich von mir nicht aus der Fassung bringen.

»Ich will nur klarstellen, das ich niemals wollte das es dir so ergeht.«

Okay, jetzt hatte er das Fass zum überlaufen gebracht.

»Ist das dein beschissener Ernst? Nach sechzehn, ich wiederhole, sechzehn verdammten Jahren hattest du aufeinmal das Bedürfnis mich aus dem Heim zu holen? Mein Gott ich hatte ja noch nicht mal ein Bild von dir, geschweige denn wusste ich wie du heißt! Mom erzählte mir andauernd du wärst beschäftigt. Anscheinend so beschäftigt das du mich länger als ein Jahrzehnt im Stich gelassen hast!«

Plötzlich bremste das Auto und ich wurde etwas nach vorne geschleudert.

War er schon so genervt von mir, dass er wollte das ich an einem Herzinfarkt sterbe?

»Wir sind da«, sagte er mit der ruhigsten Stimme die ich je gehört habe.

Okay, das war verdammt stumpf.

Ich schwankte zwischen einem massiven Heulkrampf und einem Tobsuchtsanfall.

Vor dem weißen Vorstadthäuschen mit gepflegtem Vorgarten hielten wir, während ich das erste Mal in meinem ganzen Leben nicht wusste, was ich zu tun hatte.
Also trampelte ich einfach zur Haustür und ließ meine Sachen von Lucian schleppen. Schade das ich keine schwere Steinsammlung in meiner Tasche hatte. Alles in einem war sie sogar ziemlich leicht, da ich nichtmal
so viele Anziehsachen habe.

Er kramte in seiner Jackentasche, doch die Tür wurde zuvor von einer zierlichen, blonden Frau mit einem riesen Babybauch geöffnet. Schockiert blickte ich hinter sie, als sich ein kleines, ebenfalls blondes Mädchen schüchtern an ihr Bein klammerte.

Das kann nicht wahr sein. Bitte.

Frau, Kind und ein Ungeborenes? Heilige Mutter Maria.

Ich war ja wirklich jedem scheißegal.

Ich bedeute niemandem was.

Immernoch schockiert trat ich ein und musterte die Personen vor mir.

»Das ist meine Frau Irina, und meine wunderschöne kleine Maus Caitlin«, dabei hob er sie tatsächlich hoch und lächelte ausgelassen, als er sie durch die Luft wirbelte.

Sein ernst?

Von ihr war nur ein »Dad, hör auf!«, zu hören, wobei sie kicherte.
Irina beobachtete die beiden und tätschelte lächelnd ihren Bauch. Ihre blassblauen Augen leuchteten vor familiärem Glück, während es so aussah als ob sie versuchte mich, oder besser gesagt das schwarze Schaf auszublenden.

Also rieben sie mir hier eigentlich nur deren perfektes Familienleben unter die Nase.

Dachten sie, ich könnte mich hier auch nur ansatzweise herein integrieren?

Bei dieser Vorstellung wurde mir ganz heiß, schwindelig und schlecht.

Schnell schaute ich mich angespannt um.

Ich passe nicht hier rein.

Alle blickten mich plötzlich besorgt und verwundert an.

Ich passe hier nicht rein.

Ich rannte auf die gerade entdeckte Toilette.

Ich passe hier nicht rein.

Ich schloss die Tür.

Ich werde hier niemals reinpassen oder zuhause sein.

Ich kotze mir die Seele aus dem Leib.

***

Wow, dieses Kapitel war echt schwer zu schreiben, weil es manchmal wirklich hart ist sich in Alice herein zu versetzen.

xoxo josephine

Pinky Promise.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt