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Leider war es mir unmöglich mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Wieso setzt er sich neben mich? Wieso will mein Herz nicht aufhören so schnell zu schlagen? Ich kenne diesen Menschen doch gar nicht. "Kannst du mir bitte einen Stift leihen? Ich habe meine zu Hause vergessen", fragt Jimin und reißt mich damit aus meinen Gedanken. In mir zieht sich Alles zusammen. Mit zitternden Händen greife ich in mein Mäppchen und nehme einen Stift heraus, welchen ich vor Jimin auf den Tisch lege, jedoch ohne dabei meinen Blick zu ihm zu wenden. "Danke dir... Oh warum zitterst du denn so?", fragt der Junge neben mir besorgt. "Nichts... A-Alles gut", stammle ich und versuche ihn von mir abzulenken, indem ich beginne in meiner Tasche zu wühlen. Doch bevor ich mein Tun beenden kann, werde ich von der Glocke unterbrochen. Fluchtartig schiebe ich Alles in meine Tasche und verschwinde schnell aus dem Klassenzimmer. Zwar höre ich noch, wie Jimin mir etwas nach ruft, doch dies ignoriere ich gekonnt. Mit meinem gespielten Lächeln laufe ich schnell durch die Gänge, auf den Schulgarten zu. Dort setze ich mich, wie so oft, auf die abgelegenste Bank, welche direkt unter einem der großen Bäume steht. Erleichtert kann ich endlich aufatmen und lege den Kopf nach hinten. Das warme Sonnenlicht strahlt ein wenig durch die Blätter, ein leichter Wind weht und es riecht wundervoll nach Blumen. Ein perfekter Frühlingstag, doch in mir tobt ein Sturm. Was war da eben mit mir los? Wieso hatte ich mich selbst so wenig unter Kontrolle? Normalerweise bin ich immer in der Lage meine gute Laune vorzuspielen, doch eben hat man mir die pure Angst wohl förmlich angesehen. Ist Angst überhaupt das richtige Wort? Nicht einmal mein Kopf ist in der Lage richtig zu funktionieren, also muss ich es erstmal dabei belassen. Selbst wenn er nur nett zu mir sein wollte, ist dies völlig überflüssig. Ich bin wertlos und ein Monster, mich noch zu retten ist unmöglich.

"Ich bin zu Hause!", rufe ich einmal als ich unsere Wohnung betrete und laufe dann schnell die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Müde lasse ich mich auf mein Bett fallen und atme schwer aus. Endlich kann ich diese elendige Maske abnehmen und muss meine Gefühle nicht mehr einsperren. Kurz schließe ich die Augen, woraufhin mir sofort Tränen beginnen die Wangen herunter zu laufen. Warum genau ich weine, kann ich mir selbst nicht vollständig erklären. Aber die gesamte Anspannung, welche ich den ganzen Tag mit mir herum trage, fällt endlich ab und ich muss nicht mehr so tun, als sei ich ein andere Mensch. Tatsächlich ist die Anwesenheit von anderen Menschen anstrengend für mich. Ich muss mich dann nämlich in dieses Ich hinein zwängen, das Normen und Ansprüche erfüllt, das so ist, wie es sich andere vorstellen, das keine echten Gefühle zeigen kann und gleichzeitig Angst mit sich bringt. Angst davor, dass diese illusionäre Fassade bröckeln könnte, sodass jemand dahinter sehen kann. Alleine der Gedanke, dass jemand diese Dämonen in meinem Kopf sehen und somit kennenlernen müsste jagt mir einen Schauer den Rücken herunter. Im Grunde genommen habe ich dauerhaft Angst. Vor allem und jedem habe ich Angst. Aber auch das muss Kim Taehyung verstecken. Dieses maskenlose Ich - mein wahres Ich- ist einfach traurig und leer. Eigentlich war dies wohl auch nicht mein wahres Ich, allerdings hat es den Kampf gegen den alten Taehyung gewonnen. Genau aus diesem Grund habe ich meinen Dämon, etwas anderes kann dieses Wesen in meinem Kopf nicht sein, den Namen V gegeben. V steht für Victory, was Sieg bedeutet. V hat über Taehyung gesiegt und ihn somit zu seiner persönlichen Marionette gemacht.

"Taehyungie Essen ist fertig", höre ich die Stimme meiner Mutter von unten rufen. "Danke, ich habe keinen Hunger", antworte ich ihr und ignoriere das Grummeln meines Magens. Leider habe ich keinerlei Energie dafür aufzustehen und mich mit anderen Menschen zu umgeben, selbst wenn es sich um meine Familie handelt. Ehrlich gesagt versuche ich genau diese Menschen zu meiden, auch wenn ich sie unglaublich gerne habe. Auch davor habe ich Angst. Angst sie mit dem zu enttäuschen, zu dem ich geworden bin. Meine Mutter hat mir immer so viel Liebe geschenkt und doch bin ich zu solch einem Monster geworden. Niemals könnte ich ihr erzählen oder gar zeigen, wie verdorben ich bin. Das könnte ich ihr nicht antun, selbst wenn es meine letzte Möglichkeit zu überleben wäre.

Ein plötzliches Klingeln meines Handys reißt mich aus der Welt meines Buches zurück in die Realität. Verwundert, dass mir tatsächlich jemand eine Nachricht schreibt, greife ich neugierig nach dem Gerät und schaue auf das Display. Sofort beginnt mein Herz wie verrückt an zu schlagen und meine Augen weiten sich.

"Ich habe noch deinen Stift, den gebe ich dir morgen zurück... Du bist so schnell verschwunden, ich kam leider nicht mehr dazu... War Alles in Ordnung? - Jimin"

Wie ist Park Jimin bitte an meine Telefonnummer gekommen? Wieso muss er Abends meine kleine Welt nochmals komplett auf den Kopf stellen und das nur wegen eines Stiftes? Leider kann ich mir immer noch nicht erklären, weshalb mein Herz so schnell schlägt, wenn jemand auch nur seinen Namen erwähnt. Was mir jedoch klar ist, ist dass er eine extreme Wirkung auf mich hat. Eine positive Wirkung. Er schafft es mich fühlen zu lassen, denn auch wenn es mich komplett durcheinander bringt, gefällt es mir, wenn mein Herz so schnell schlägt. Wie lange hatte ich schon keine nicht negativen Gefühle mehr? Ohne ihn zu kennen, fühle ich mich wohl bei ihm.

I'm Fine {Vmin FF}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt