Meine Familie hat sich vor zwei Jahren ein Wohnmobil gekauft. Ich will jetzt damit nicht flexen, denn um ehrlich zu sein ist es die schlimmste Entscheidung, die meine Eltern je getroffen haben. Denn seither geht es jede Ferien mit diesem Ding irgendwo hin, manchmal auch am Wochenende. Gut, ich habe jetzt ein Alter erreicht, in dem ich nicht unbedingt mit in den Urlaub fahren muss, aber ganz ehrlich, irgendwann wird's auch langweilig, daheim rumzusitzen. Wenn ich alleine zuhause bin, hänge ich den ganzen Tag vor PC, spiele brutale Ballerspiele, höre Death Metal und aggressive Hip-Hop, schnupfe drei Lines Kokain täglich, dusche mich mit Schweineblut und schaue Teletubbies. Denn wie sagte schon Thomas Jefferson: «Run Guns, Sell Drugs, Nail Sluts and Fuck the Law.» Klingt in Ordnung, nach zwei Wochen ist da aber auch die Luft raus. Nein danke, dann doch lieber mit in den Urlaub. Nach Süd-Frankreich. Von einem Campingplatz zum anderen. Meine Sache sind schon gepackt, und meiner Meinung nach kanns losgehen.
Auf der ersten Etappe schlafe ich bereits nach zehn Minuten, wie immer, wenn ich irgendwo für längere Zeit sitzen muss. Als ich wieder aufwache, haben wir die Grenze zu Frankreich bereits passiert, mein Hals ist trocken und mein Nacken so verspannt, dass ich ihn als Amboss verwenden könnte. Meine Mutter singt lauthals «Je ne parle pas francais aber bitte red weiter» mit und ich sehe mich für einen kurzen Moment nach der Einsamkeit zuhause zurück. Da singt wenigstens keiner mit. Ausser der tote Clown vor meinem Fenster. Aber der singt nur nachts, wenn ich sowieso schlafe. Ich blicke auf die Uhr. Schon drei. In diesem Moment sagt mein Vater: «Vielleicht sollten wir mal bei dem Campingplatz anrufen, nicht, dass die nachher keinen Platz mehr haben.» Über die Freisprechanlage höre ich den Klingelton. Schliesslich nimmt jemand ab. «Allo?» - «Bongschur, mon nomm est Uwe Winter. Es kö wuus avee ön plass pur la nuit? » Kurze Stille. «Entschuldigen Sie?» tönt es in Deutsch aus den Lautsprechern. «Ah, Sie können Deutsch! Sehr gut. Ha-ben Sie ein-en Wohn-mo-bil-platz für eine Nacht?» - «Junge, haste nen sprechfehler oder watt? Brauchse n Platz?» - «äh ja, für ein Wohnmobil.» - «Hab ick noch, wann kommse?» - «äh. Das Navigationsgerät»- «das watt bitte?» «Das Navi.» -«Ach, dett navi. Watt sacht et denn?» - «Dass wir so gegen fünf ankommen.» - «Dat is super, dat schreib ick mir auf, wie war dein name nochma?» - «Äh, Uwe Winter.» -«Ach, winta, na kla, jetz fällts ma wieder ein. Is uffgeschrieben. Bis nachher, ne?» Dann legt er auf. Der Rest der Fahrt verläuft still. Ich möchte schliesslich nicht riskieren, laufen zu müssen.
Eine Woche später stehen wir auf einem Campingplatz in der Camarque, auf dem wir auch noch für mindestens eine Woche bleiben werden. Ist so ein Club-Ding, jeder trägt ein buntes Armbändchen, tägliches Programm (an welchem ich aber nicht teilnehmen werde), die ganze Zeit läuft Musik und es gibt sogar einen Pool. In diesen darf ich allerdings nicht rein. Warum? Ganz einfach. Ich trage grundsätzlich Bermudas als Badehose, wie jeder einzelne normaldenkende Mensch auf diesem Planeten. Die sind aber in diesem Pool nicht erlaubt. Ernsthaft? Niemand trägt noch Speedobadehosen. Daher hat man die auch nicht im Sommerurlaub dabei. Aluhutzeit, aber ich bin davon überzeugt, so Regeln stellen die nur auf, damit sie ihre eigenen Speedobadehosen, die es auf dem Campingplatz zu kaufen gibt, loswerden können. Ok, es gibt ein Volk auf dieser Erde, welches solche Badehosen trägt: Deutsche. Spezifischer, Deutsche Touristen. Ich sollte mich da eigentlich dazuzählen, aber ich halte mich wenigstens nicht an die deutschen Klischees. Grundsätzlich ist der deutsche Tourist ja davon überzeugt, dass alles nach seiner Pfeife tanzen sollte. Urdeutsche Tradition, wir gehen hier hin und das gehört jetzt uns. Klappt leider auch viel zu häufig, man siehe sich nur mal Mallorca an. Oder die Türkei. Nur in Russland hats damals nicht funktioniert. Was ich sagen will, ist das der Deutsche es heute noch in seinen Genen verankert hat, dass er Land einnehmen muss. Und da reicht es schon, wenn man seine Handtücher auf möglichst viele Liegen legt. Kennen Sie Splatoon? Im deutschen Release davon gibt's auch keine Farbe, sondern Handtücher. Ich schweife ab. Speedobadehosen. Der Grund, warum ich den Pool vom Campingplatz nicht verwendet habe. Dann lieber ins Meer. Der Campingplatz hat nämlich auch Strandzugang. Da läuft dann halt nicht 24/7 Ballermannmusik, aber das lässt sich verkraften. Also dann, Badehose an, auf ans Wasser.
Wer dachte, dass die Leute auf dem Campingplatz schon assi wären, sollte erst gar nicht an den Strand. Das bemerke ich leider zu spät, und so muss ich zusehen, wie sich auch hier die Deutschen tummeln, vorzugsweise natürlich so, wie Gott sie schuf und McDonalds sie formte. Da soll nochmal einer sagen, wir hätten keine Kultur. Wir haben sogar ganz viel davon, obwohl, wie hier offengelegt wird, die Freikörperkultur den wohl wichtigsten Kulturpfeiler darstellt. Während ich auf das Meer zugehe, lege ich mir in meinem Hinterkopf ein kleines Dokument mit ein paar Erinnerungen an:
1. Für das nächste Mal Strand setze ich mir Scheuklappen auf.
2. Vielleicht sollte ich mir doch überlegen, eine Speedobadehose zu kaufen, am Pool gibt es wenigstens ein bisschen Dresscode.
3. ACH DU SCHEISSE IST DAS WASSER KALT!
Ich erstarre mitten in der Bewegung. Die Leute beginnen zu starren. Anscheinend habe ich das grade laut gesagt. Hinter mir höre ich ein Kind weinen. Trotz alledem gehe ich erst mal entschlossen weiter. Das geht auch erst mal gut, bis die Problemzone für Kaltwasser anfängt. Diese beginnt, für alle Uninformierten, kurz unter der Hüfte und erstreckt sich bis über den Bauchnabel. Für die nächsten fünf Schritte brauche ich knapp eine Viertelstunde.
Zeitsprung 2, wir sind inzwischen an unserer eigentlichen Endstation angekommen: Bordeaux. Ey, was eine geile Stadt, ich muss es einfach mal sagen. Der Campingplatz, auf welchem wir sind? Eh. Geht. Ist jetzt kein Hammer Ding, aber an sich völlig in Ordnung. Wenigstens kann man hier die Klischee-Camper wunderbar bewundern. Die Holländer, die ihre Kinder anschreien, die Briten mit ihren winzigen Wohnwägen, in welche sie aber, auf unerklärliche Weise, acht Personen reinbekommen, die Studenten mit ihren Quechua-Zelten, und der eine komische Typ, der sich in der Toilettenkabine nebenan selbst befriedigt, weil er in dem Gnom, der vor seinem Camper sitzt die Frau, die er einst geliebt hat, nicht wiedererkennen kann, nicht zuletzt deshalb, weil sie inzwischen 300 Kilo zugenommen hat und nach Frittösenfett stinkt. Das klingt spezifisch, aber glauben Sie mir, die findet man auf jedem einzelnen Campingplatz. Hier haben wir sogar einen Swimmingpool, in welchen ich auch als Normaldenkender hineindarf. Das ist auch dringend nötig, denn die Sommerluft in Bordeaux kann man mit einem Messer schneiden. Der berühmte Miroir d'Eau steht voll, weil jeder versucht, sich abzukühlen, und in die Garonne will keiner springen. Aber das Ganze hat auch einen Vorteil: In Bordeaux kann man wunderbar shoppen gehen, und die Geschäfte sind meistens klimatisiert. Wenn man sich also abkühlen möchte, muss man sich nur in die Menge Touristen werfen und sich mit ihnen in die nächste Boutique schwemmen lassen, wo man sich dann die 500 € T-Shirts, die von verkrüppelten asiatischen Kinderhänden unter Wasser mit dem Mund geklöppelt wurden, anschauen kann. Danach läuft man dann noch an komischen Street-Artists, die sich als Bäume verkleiden, vorbei, setzt sich am Grand Theatre in ein Kaffee, bestellt einen Café Crêpe und eine Cola und lässt es sich gut gehen.
Nachdem wir wiederum eine Woche in Bordeaux verbracht haben, geht's wieder in Richtung Heimat. Nach zwei Tagen Fahrt endlich zuhause angekommen, gehe ich erstmal ordentlich aufs Klo. Denn schon Thomas Jefferson sagte: «Zuhause ist da, wo man am bequemsten kackt.» Endlich. Denn so sehr ich es liebe, zu reisen, so gerne ich andere Kulturen kennenlerne, so schön Auslandsurlaub manchmal auch sein mag, irgendwie vermisst man dann doch ziemlich schnell das eigene Bett, die im Wohnmobil kaum gegebene Privatsphäre und vor allem das Sandmännchen und die Teletubbies.
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Gesammelte Werke meiner selbst
HumorEigentlich nur die Texte einer Comedy-Story, die ich normalerweise vor Publikum vorlese. Ich habe einen seltsamen Sinn für Humor.