Kapitel 1

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Verdammt, jetzt stehe ich schon wieder in der dunklen Ecke und schmachte ihn an. Er steht immer an der Tanzfläche mit einer Flasche Wasser in der Hand. Ich nenne ihn liebevoll "der Wilde". Heute Abend trägt er sein enges weißes T-Shirt. Eng ist es nur, da er so ausgesprochen muskulös ist, nicht wie ein Bodybuilder, eher wie ein durchtrainierter Karatekämpfer. Das T-Shirt steckt in seiner Jeans. Erwähnte ich, dass er ein Knackarsch hat? Wie gerne würde ich ihm sein überflüssiges T-Shirt vom Körper reißen und mit meiner Zunge über seinen Körper fahren, dabei würde...

„Na Spatzl, träumst du wieder?“
Ich starre in die belustigten Augen meines besten Freundes Tim.
„Was? Verdammt!“
„Spatzl, du starrst ihn an! Komm, lass uns was trinken, mein Glas ist leer.“
Ich folge ihm zur Theke, lasse dabei meinen Wilden nicht aus den Augen. An der Theke sitzt wie immer Thomas auf dem Hocker und starrt auf sein Handy, ich begrüße ihn und konzentriere mich wieder aufs bestellen. Tim gibt mir meinen Drink, ich rühre mit dem Strohhalm in meinem Drink herum, als wenn ich auf dem Boden die Lösung für alles finden würde.
„Was ist denn los?“
„Ach nix.“
Tim guckt zum Wilden und dann zu mir. Ich musste nichts mehr sagen. Tim und mich verbindet eine sehr lange Freundschaft, ich bin wahrscheinlich ein offenes Buch für ihn. Es könnte auch daran liegen, dass ich seit Wochen über nichts anderes mehr rede, vielleicht - reine Spekulation!
„Wie waren deine letzten Tage, du hattest dich gar nicht mehr bei mir gemeldet.“, stellt er fest.
„Ja, tut mir leid, ich hatte wichtige Recherchearbeit zu erledigen.“
„Erzähl..“
„Der Wilde..“, fange ich an und schon verdreht Tim die Augen. Ich fing nochmal an „..also der Wilde taucht ja nirgends auf, weder auf Facebook, noch auf Instagram. Nirgends findet man auch nur den Hauch einer Spur von ihm. Ich hab bei jeder Disco im Umkreis von 50 km die Mitglieder auf Facebook angeguckt, sogar die Fitnessstudios. Aber ich habe nichts gefunden und war schon ganz frustriert. Und plötzlich sah ich auf Instagram diese tolle schwarze Korsage. Ich bin natürlich gleich auf diese Seite um mir den Preis anzugucken, schaute mir die ganzen Bilder an, auf den die Models posierten. Auf einmal dachte ich, ich guck nicht richtig. Mein Herz blieb stehen. Mein Wilder im Hochzeitsanzug. Lecker und frech, zum anbeißen. Mein Wilder ist ein Model, verrückt oder?"
Tim schaute mich mit einem Blick an, den ich nicht zuordnen konnte.
„Spatzl, ich möchte nicht, dass dir so ein Oberarschmodel das Herz bricht. Der ist bestimmt total oberflächlich, aber Versuchs, geh hin sprich ihn an. Am besten jetzt gleich.“
Mein Herz sprang im Dreieck. Ansprechen? ICH IHN? Auf gar keinen Fall!
„Timmy..“, sagte ich ganz kleinlaut „..guck ihn dir an.“, ich nickte in die Ecke wo er steht „..er ist eine volle zehn und ich? Schau mich an, ich bin die Pummelfee mit Bauchwegunterhose. Er würde niemals mit mir was anfangen.“, stellte ich frustriert fest.
„Hey, Eli!“, begrüßte mich meine Freundin Melanie und riss mich aus meinen trüben Gedanken.
„Entschuldige die Verspätung, ich hatte...“
„Ja ja, ich weiß genau was du hattest, kommt er noch?“
„Nein, heute nicht, ich hab ihn wohl geschafft.“
Sie zwinkerte mir zu und nahm mich zur Begrüßung in den Arm. Danach umarmte sie Tim.
„Heute ist ja tüchtig was los, ich hol mir mal ein Bier. Bin gleich wieder da!“
Ich mag Melanie sehr, sie hat rotgefärbte Haare, ist schlank - überall tätowiert und eine Seele von Mensch. Wir haben uns durch Zufall hier in unserer Disco kennengelernt. Gleich beim nächsten Lied zog sie mich auf die Tanzfläche und wir drückten schnell Tim unsere Drinks in die Hand.
Wir tanzten mit geschlossenen Augen um unsere tiefsten Gefühle durch unsere Bewegungen auszudrücken. Ich weiß nicht, wie lange wir getanzt hatten, es tat gut sich der Musik hinzugeben. Mir war es schon immer egal, was die Leute darüber denken, wie ich tanze. Die Musik bedeutet alles für mich.
Nach einer kleinen Ewigkeit sind wir zurück zu Tim gegangen zum weiter unterhalten, außerdem brauchten wir dringend Flüssigkeit.
Vom weiten sah ich schon, dass Tim sich mit einer Frau unterhielt. Na toll. Ich sah die beiden an, Tim ist groß, schlank und blondhaarig. Die Frau ist fast genauso groß wie Tim, nur sie ist dunkelhaarig. Sie sah sehr gut aus. Melanie und mir blieb nichts anderes übrig, als zu den beiden hinzugehen, schließlich hat er unsere Drinks.
„Hey!“, begrüßte ich die beiden und nahm mir mein Glas.
„Und die Kleine hier ist Elisabeth, du kannst sie gerne Eli nennen.“, sagte Tim.
Ich gab ihr die Hand und nickte freundlich. Melanie zog mich weg.
„Wer ist das denn?“
„Keine Ahnung, Tim hat doch jede Woche eine Andere.“, sagte ich und rollte genervt mit den Augen.
Ich merkte, dass mir das nicht passte, schließlich war das unser Abend.
Melanie erzählte mir von ihrem Sexabenteuer und welches Spielzeug sie dabei benutzt. Ich wurde rot. Zumal ich noch nie über die Vorzüge einer Liebesschaukel nachgedacht hatte.

Es wurde immer später und wir gaben an der Theke richtig Gas. Wir lachten viel und sie weite mich in die Kunst der Liebesschaukel ein, natürlich nur in der Theorie.
Tim zog seine Masche ab, die ich streichele ihr ins Gesicht Masche und war wahrscheinlich schon dabei sie mit Komplimenten zu überschütten. Ich fühlte mich wie ein Pflegefall.
„Weißt du was Melanie..?“, lallte ich sie an. „Weißt du was ich nicht verstehe? Warum spricht mich hier niemand an? Hab ich irgendwas an mir? Bin ich zu hässlich, zu fett, zu blond, zu besoffen?“
Ich guckte sie groß an und wartete auf eine Antwort
„Du Eli, das kannst du nicht ernst meinen, jeder hier in der Disco denkt, dass Tim dein Freund ist, ihr macht alles zusammen. Ständig klebt ihr aufeinander. Lacht, tanzt, trinkt zusammen. Oh man Eli, das kann nicht dein Ernst sein!“
Mein besoffenes Ich lässt die letzten Jahre Revue passieren, es traf mich wie ein Blitz, sie hatte recht, aber Tim und mich verbindet nur Freundschaft. Mehr nicht, aber auch nicht weniger! Ich bin gerne mit ihm zusammen, wir erzählen uns alles. Naja, fast alles.
„Melanie, das ist nur Freundschaft.“
„Und wie soll man das sehen?“, sagt sie und verschränkte die Arme vor ihrer Brust um es zu verdeutlichen.
„Weißt du was? Mein besoffenes Ich braucht noch einen Drink.“, sage ich um abzulenken.
Kichernd gingen wir zu unserem Barkeeper, der Vorteil daran ist, wenn man den Barkeeper gut kennt ist, dass man immer das bekommt was man möchte, auch wenn man nur noch nuscheln kann. Wir prosteten uns zu und beschlossen, dass wir Göttinnen sind und uns kein Mann auf dieser Welt zu nah kommen darf.
Nach einer Weile sah ich, dass Tim alleine dort stand und ich gleich mal die Chance nutzen wollte um zu erfahren, wie es bei ihm läuft. Ich ging auf ihn zu und wollte gerade fragen als er mich wegwinkte und sagte, ich soll mich um meinen eigenen Scheiß kümmern. Ich war wie vor dem Kopf gestoßen und ging gleich weg. Was ist denn jetzt mit dem los?
Ich ging wieder zu Melanie, die mich mit einem fragenden Blick empfing. Ich schüttelte nur meinen Kopf, zuckte mit den Schultern. Leerte mit einem Zug mein Glas aus und nahm Melanies Hand und zog sie auf die Tanzfläche und gab mich meiner Musik hin.

Der WildeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt