PINK.

3 - RISING

3.Juli. Morgen sollten wir unsere Zeugnisse erhalten und in die Sommerpause entlassen werden. Um alles genau zu planen hatten wir uns abgesprochen uns wie immer in Carlo's Baumhaus zu gesellen. Als ich ankam und die Leiter vorsichtig hochkletterte hörte ich schon zwei Stimmen von drinnen reden.
,,Du solltest ihr wirklich die Wahrheit sagen Timur.''
,,Ja ich weiß, das habe ich auch vor. Wir werden ja nächste Woche genug Zeit zusammen haben.''
,,Willst du noch ein Bier? Du bist so angespannt.''
,,Nein...keins mehr. Danke''
Die Wahrheit? Es steckte also doch etwas dahinter und Carlo wusste davon...
Ich betrat den Raum, denn ich hatte genug gehört.
,,Ich hoffe ich störe nicht bei eurem Kaffeeklatsch Jungs.''. Ich warf meinen Rucksack auf einen großen Sitzsack in der Ecke und platzierte mich direkt daneben.
,,Doch so freundlich heute Lucy'', es war Carlo der die Stille nach einigen Sekunden brach.,,Ich weiß nicht was du gerade gehört hast aber..''
,,Lass gut sein''
Er konnte sich da nicht mehr rausreden, ich wusste genau dass es kurz vor meinem Eintreffen um die gescheiterte Beziehung von Timur und mir ging. Wieso war ich überhaupt hier? Ich hätte einfach alles hinschmeißen und meine Sommerferien anderweitig gestalten können. Ich wusste nicht was mich noch hier hielt. Vielleicht war es einfach nur die Frage warum Timur es so enden ließ. Es löste einfach eine große Unruhe in mir aus die ich unbedingt loswerden musste und das erschien mir als die einzige Möglichkeit.
Als wir erneut alle zusammen saßen begann die etwas wirre Planung. Ich hatte keine Kraft mich aktiv im Gespräch zu beteiligen also nickte ich nur hin und wieder. Mein Blick blieb jedoch gesenkt, um jeglichen schmerzhaften Blickkontakt zu vermeiden.
,,Okay also Benzin, Verpflegung, Paintball, obwohl das eigentlich auf Piet's Konto geht-''
,,Hey hey hey wir haben uns geeinigt dass das ne verdammt geile Idee ist. Endlich darf ich eine Waffe auf euch Loser richten ohne dass es illegal ist'', unterbrach Piet Carlo und brach danach in sein übliches Schnappatmungsgelächter aus.
,,In Ordnung...dann kommen noch Unterkunftskosten dazu und Sonstiges'', ordentlich tippte Carlo alles in seinen Taschenrechner wobei ihm seine schwarzen Haare ins Gesicht fielen.
,,Sonstiges? Wofür isn das?'', erneut mischte Piet sich ein.
,,Sonstiges eben. Dinge die spontan anfallen. Man weiß nie was man noch so braucht also besser man hat eine Reserve.''
Piet kommentierte dies mit einem schnaufen bevor er Carlo den Taschenrechner entwendete.
,,215 Euro???''
,,Ja, jeder zahlt 215 Euro. Das was überbleibt teilen wir danach natürlich untereinander auf.''
,,Wow Carlo das ist...eine Menge. I-Ich weiß nicht ob ich das bis morgen auftreiben kann'', gab Ellie zu bedenken. Ihre Eltern hatten einen Haufen Schulden, am Wochenende arbeitete sie in einem Café um sich ihr eigenes Geld zu verdienen.
,,Ich kann dir ein wenig unter die Arme greifen'', bat Piet an. Wenn es um Geld ging war er der Erste der die Klappe aufreißen musste. Er zwinkerte ihr zu mit einem charmanten Lächeln zu und fuhr sich dabei du die aschblonden Haare.
,,Ich weiß ja nicht so recht.'',es war das erste Gespräch dass die beiden überhaupt führten, denn zuvor hatte Piet Ellie nie für interessant befunden.
,,Ist mir egal wie ihr das geregelt bekommt, aber bis morgen brauche ich das Geld. Nach der Schule, also so ca gegen halb 11 geht es los.''
Nach dem Treffen warf ich mich seufzend auf mein Bett. 215 Euro für einen Trip den ich am liebsten absagen würde. Es war dennoch meine vermutlich letzte Chance Timur wieder näher zu kommen. Ein kleiner Funken Hoffnung flackerte noch immer leicht in meinem Inneren. Ich sah aus dem Fenster. Wer weiß, vielleicht wollen die Sterne über uns, dass wir wieder zueinander finden. Das Universum um mich herum wirkte riesig und absolut nicht greifbar. Jedes Mal wenn ich in die Sterne sah stellte ich meine Existenz in Frage und kam jedes Mal zu dem selben Schluss. Alles passiert aus einem Grund und früher oder später werde ich diesen herausfinden.

,,Nur 12 Punkte in Geschichte? Oh Gott das ruiniert komplett meinen Schnitt.''
Es war Zeugnisausgabe und wie immer war Carlo der beste der Klasse (wahrscheinlich auch des Jahrgangs) und trotzdem beklagte er sich. Schon immer musste er immer die Nummer Eins in allem sein. Nur in Sport gab er sich mit schlechteren Leistungen zufrieden, da er eine rundliche Figur besaß und deshalb recht ungeschickt und unkonditioniert war. Als ich genauer darüber nachdachte war das die einzige Schwäche die mir zu Carlo einfiel, außer sein geringer Beliebtheitsgrad.
Es klingelte. Piet war immer der Letzte der kam und der Erste der ging weshalb er schon am Parkplatz wartete als ich dazu kam. Schnell war mein Rucksack im großen Kofferraum verstaut. Wir redeten währenddessen kaum ein Wort. Keinesfalls aus Bosheit, sondern weil keiner wusste wie und worüber. Diese unangenehme Stimmung hielt an bis die Anderen dazu kamen und wir uns alle in dem großen weißen Auto von Piet's Vater platzierten. Ellie schnappte sich den Beifahrerplatz, da sie angeblich Angst bekam wenn sie eng an Menschen saß.
Wir begannen unsere Reise doch schon nach wenigen Minuten stellten wir fest, dass Piet's Fahrkünste zur wünschen übrig ließen.
,,Na das kann ja heiter werden'', murmelte ich und sah zu meiner Linken aus dem Fenster. Timur saß zwischen Carlo und mir, der mehr Platz mit seinem massigen Körper beanspruchte als gedacht. Deshalb quetschte ich mich leicht gegen die Wagentür um so wenig Berührungspunkte wie möglich mit Timur zu haben.
,,Gott ist das hier scheiße Still. Macht doch mal Stimmung wir haben Ferien!'', Piet drehte seine Playlist auf und kurbelte sein Fenster runter.
,,NO SLEEP 'TIL...BROOOOOKLLYYYYNNN'', brüllte er parallel zum Song aus dem Fenster. Eins muss man ihm lassen, sein Enthusiasmus war nicht zu übertreffen wenn man bedachte wie abgeneigt er zu Beginn von der Idee war.
,,P...pass auf die Straße auf bitte.'', ermahnte ihn Ellie neben ihm.
,,Ich hab alles im Griff.'',Piet lachte. Ich wusste bei ihm nie was Sarkasmus war und was er ernst meinte.,,Wo muss ich abbiegen...Carlo?'',er zögerte kurz beim Namen, da er ihm sonst immer einen fiesen Spitznamen an den Kopf warf.
,,Die nächste Auffahrt.''
Die Sonne röstete uns in dem Auto wie Fritten in heißem Fett. Wir waren auf der Autobahn und es gab kein Zurück mehr.